Braunschweig setzt auf Kraft-Wärme-Kopplung aus Biogas
VDI nachrichten, Braunschweig, 22. 6. 07, mg – Während in vielen Stadtwerken angesichts der neuen Regulierungsrichtlinien Unsicherheit über die Zukunft herrscht, setzen die Niedersachsen auf innovative Lösungen mit alternativen Energieträgern
Im Juli werden die ersten Gärbehälter in Hillerse in Betrieb genommen. Im Stadtteil Braunschweig-Ölper wurde zudem das bestehende Blockheizkraftwerk (BHKW) um ein weiteres Modul erweitert, das Ende des Monats mit 2 MW elektrischer und 3 MW thermischer Leistung ans Netz geht. Abnehmer der Fernwärme aus Biogas sind die Physikalische Bundesanstalt und die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. Die Investitionskosten von 10,3 Mio. € teilen sich die Stadtwerke und der Abwasserzweckverband von Braunschweig. In zehn Jahren soll erstmals die Gewinnschwelle erreicht werden, wobei diese Prognose allerdings auch von den Stadtwerksmanagern als recht unscharf bewertet wird: „Wir haben schließlich noch keine Referenzprojekte“, so Lehmann-Grube.
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Eine Biogasleitung von 20 km Länge verbindet die Gärbehälter mit dem Blockheizkraftwerk in Braunschweig. Die Kunststoffleitung kostet wesentlich weniger als eine Fernwärmeleitung. Auch die Verlegung ist relativ einafach. |
Der Bau einer Biogasleitung, die 30 cm Durchmesser hat und aus Kunststoff gefertigt ist, kostet im Vergleich zu einer Isolations-Fernwärmeleitung nur einen Bruchteil. „Wir haben Straßen und Kanäle ohne größeren Aufwand durch ein Einschlämm-Verfahren unterqueren können, was mit herkömmlichen Fernwärmetrassen nicht möglich gewesen wäre“, so Lehmann-Grube. Dabei mussten unter anderem die Bundesautobahn A2 und der Mittellandkanal gequert werden, was bei Letzterem nicht auf Anhieb gelang. Zudem sind die Energieverluste bei Transport des Biogases minimal, ganz anders als bei Fernwärme auf vergleichbar langen Strecken.
In Hillerse wird Mais zu Methan vergoren. Dessen Anbauflächen von rund 1000 ha werden mit den Reststoffen aus der Biogasanlage gedüngt, so dass hier geschlossene Kreisläufe mit kurzen Transportwegen geschaffen wurden. Zur Verfügung stehen allein von diesem Einspeisepunkt rund 7 Mio. m3 Methan.
Die Kapazität der Pipeline lässt sich durch Druckerhöhung jedoch noch um ein Vielfaches steigern, erklärt Lehmann-Grube. Es sei von vornherein Vorsorge dafür getroffen worden, weitere Biogasanlagen im Umfeld mit einzubinden. „BS Energy betritt mit diesem Verfahren Neuland, aber wir sind sicher, dass wir so erfolgreich sind, dass wir schon in wenigen Jahren ein ganzes Biogasnetz betreiben können“, so der Stadtwerke-Chef.
Der Versorger, der zu 75 % zum französischen Veolia-Konzern gehört, will dann die größeren Wärmemengen auch in das herkömmliche städtische Fernwärmenetz einspeisen, das jetzt noch ausschließlich über ein herkömmlich befeuertes Heizkraftwerk beliefert wird.
Doch auch bei der konventionellen Kohle-Kraftwerkstechnik geht BS Energy jetzt neue Wege. Weil die Kapazität des unternehmenseigenen Blockes von 300 MW für den Eigenbedarf zu groß ist, werden davon 100 MW in Form einer „virtuellen Kraftwerksscheibe“ an Kleinabnehmer veräußert. „Wir setzen auf dieses Partnerschaftsmodell, weil einerseits alle Beteiligten daraus Vorteile ziehen, zum anderen aber auch, weil diese Markt- und Verbrauchernähe einer der wichtigsten Vorzüge eines Stadtwerkes ist“, so der Geschäftsführer, der die neuen Regulierungsvorschriften für die Stromdurchleitung mit einer gewissen Gelassenheit sieht.
„Viele Stadtwerke reagieren auf diese neue wirtschaftliche Herausforderung, indem sie Kosten reduzieren und vor allem Personal abbauen“, sagt Lehmann-Grube. In Braunschweig gehe man einen anderen Weg, der seiner Ansicht nach allein Erfolg verspricht: „Wir stärken unsere Innovationskraft und zugleich die Verwurzelung in der Region.“ So könnten Stadtwerke trotz der neuen, an einer Benchmark für die günstigsten Stromdurchleitungspreise orientierten Regulierung auch künftig ihren Umsatz und Ertrag steigern.
MANFRED SCHULZE
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