Biogas erzeugt Energie rund um die Uhr
VDI nachrichten, Berlin, 22. 6. 07, mg – Biogas erweist sich als flexibler Energieträger. Das machte eine Tagung des VDI-Wissensforums vorige Woche in Berlin deutlich. Dort diskutierten Experten neben dem aktuellen Stand der Technik auch Praxiserfahrungen aus der Landwirtschaft und neuartige Konzepte der Energienutzung.
Rund 3500 Biogasanlagen gibt es derzeit in Deutschland. Die meisten Anlagen begnügen sich damit, das Biogas über ein Blockheizkraftwerk (BHKW) zu verstromen und in das Netz des örtlichen Energieversorgers einzuspeisen. Biogas kann jedoch mehr: Als Einzige der erneuerbaren Energien ist es kontinuierlich und planbar zu nutzen. Zu virtuellen Kraftwerken gepoolt, kann Biogas die Lücken anderer erneuerbarer Energien schließen – wenn die Sonne nicht scheint oder Windstille herrscht.
Auch wenn der Biogasmarkt in Deutschland derzeit stagniert, zieht das Geschäft der überwiegend kleinen Hersteller vor allem in den USA und Thailand deutlich an, wie Markus Ott für den Fachverband Biogas erläuterte. Zu einem Problem für die dynamische Branche entwickelt sich der Fachkräftemangel, so Ott: „Wir suchen händeringend nach Ingenieuren.“ Durch die interessante Kombination von Technik und Biologie bieten sich für junge Ingenieure vielfältige Berufschancen allerdings müssten auch wegen der sich rasch weiter entwickelnden Technik schnell neue Lerninhalte und Ausbildungsgänge definiert werden.
Biogasanlagen haben mittlerweile ein hohes technisches Niveau. Ob bei Rührwerken oder Gasspeichern – die Hersteller sind innovativ und weltweit führend. Bislang lebt der Export vom Geld, das auf dem heimischen Markt unter dem Schutz des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verdient wird. Für die nächste Zeit steht eine Überprüfung und Novellierung des EEG an, die voraussichtlich 2009 in Kraft treten wird. Hoffnungen auf eine Anhebung der auf 20 Jahre festgeschriebenen Einspeisevergütung erteilte Bernhard Dreher, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, auf der Tagung eine Absage. Für die Bundesregierung sei jedoch klar, dass auch vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele mehr für die Wärmenutzung getan werden müsse. Allein das Planen eines Nahwärmenetzes rund um eine Biogasanlage kostet rund 30 000 €. „Diese Kosten könnten die Bundesländer im Rahmen einer Förderung übernehmen“, regte Dreher an.
Lassen sich keine Abnehmer der Wärme vor Ort finden, bietet die Aufbereitung von Biogas in Erdgasqualität und das Einspeisen in das vorhandene Leitungsnetz einen neuen Verwertungspfad. Seit Dezember 2006 speisen die Stadtwerke Aachen (Stawag) in Straelen am Niederrhein aufbereitetes Bio-Erdgas ins Netz ein. Ein zweites Bio-Erdgasprojekt ist in Pliening nördlich von München zu finden. Auch die Verbundnetz Gas, Leipzig, plant mit dem Bau einer Demonstrationsanlage bei Rathenow das Geschäftsfeld Bio-Erdgas für sich zu erschließen.
Frank Scholwin, Bereichsleiter Biogastechnologie am Institut für Energetik und Umwelt Leipzig, wies darauf hin, dass die Biogasaufbereitung mit merklichen Kosten verbunden ist. Vor allem wegen der Energieaufwendungen sind etwa 2 Cent pro 1 kWh zu erwarten. Bei Anlagen, die weniger als 1000 m3 Roh-Biogas (unter Normbedingungen) aufbereiten, verdreifachen sich die Kosten. Zusätzlich sind noch die Aufwendungen für das Einspeisen in das Erdgasnetz und das Durchleiten des Gases zu berücksichtigen, die noch einmal bis zu 30 % der Aufbereitungskosten betragen. Diese Mehrkosten müssen durch den Technologiebonus nach dem EEG aufgefangen werden. Aufbereitetes Bio-Erdgas wird z. B. in Schweden in großem Umfang zum Antrieb von Erdgasfahrzeugen genutzt.
Um fossile Brennstoffe zu verdrängen, sind weitere Fortschritte in der Effizienz der Biogasanlagen notwendig. Doch manche Anlagenbetreiber wissen zu wenig über die biologischen Prozesse im Fermenter. „Hinzu kommt, dass sie bei der Messtechnik und Überwachung am falschen Ende sparen“, so Scholwin. Dabei ist Effizienz der Schlüssel, um die biologischen Prozesse der Biogasbildung zu optimieren und die Wirtschaftlichkeit der Anlage zu steigern. Die Leipziger Wissenschaftler haben eine Prozessüberwachung entwickelt, mit der sich die Biogasproduktion simulieren lässt, und können so dem Betreiber der Anlage Empfehlungen geben, um die wirtschaftliche und ökologische Situation zu verbessern. Nach Projektleiter Matthias Müller ist es meist eine einschneidende Änderung in der Substratzusammensetzung, die die Stabilität der Gasbildung im Fermenter gefährdet. „Gefüttert“ werden die Biogasanlagen neben tierischen Exkrementen und kommunalen Reststoffen vor allem mit nachwachsenden Rohstoffen. Umweltverbände warnen bereits vor einem ausufernden Maisanbau mit negativen ökologischen Folgen. Von einer flächendeckenden „Vermaisung“ Deutschlands kann für den Berliner Umweltplaner Wolfgang Peters aber trotz einer Zunahme der Maisanbaufläche auf 1,78 Mio. ha nicht die Rede sein, zumal ein großer Teil der Ernte im Futtertrog landet. In anderen Ländern Europas wird Biogas statt aus Energiepflanzen durch das Vergären organischer Abfälle erzeugt. THOMAS GAUL
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