Berlin ist Vorreiter beim Energie-Contracting
Contracting bietet reichlich Potenzial, auch ohne hohen Einsatz von Eigenkapital Energie und Energiekosten einzusparen. Während der ZVEI für die Wohnungswirtschaft Regelungen im Mietrecht fordert, um auch bei alten Mietverträgen Contracting zu ermöglichen, greift die öffentliche Hand diese Option immer häufiger auf. Das zeigen Beispiele von MVV Energiedienstleistungen bei der Deutschen Oper Berlin und beim Bundesinstitut für Risikobewertung. VDI nachrichten, Düsseldorf, 3. 4. 09, swe
„Ein Großteil des deutschen Mietwohnungsbestandes ist momentan für Energieeffizienzmaßnahmen blockiert.“ Zu diesem Ergebnis kommt Johannes Ruhland, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Jena, in einem Gutachten für das Esco Forum im ZVEI. Dabei seien viele der im Einsatz befindlichen Heizkessel überaltert. „Der Sanierungsstau ist enorm.“
Die Erfahrung zeige, dass der Jahresnutzungsgrad bei Anlagen, die von Contractoren „professionell“ betrieben würden, um 10 % bis 15 % höher sei, als bei Anlagen in Eigenregie des Immobilieneigentümers, so Ruhland. Durch Contracting ließen sich die Energiekosten für die Mieter um 1,25 Mrd. € senken.
„Energie-Contracting gibt es seit weit über 20 Jahren. Neue Mietverträge kennen dieses Instrument und lassen es in aller Regel zu, viele alte Mietverträge dagegen nicht. Dadurch entstehen Situationen, in denen einzelne Mieter einer Wohnimmobilie die Contracting-Lösung zur Energieeffizienzsteigerung blockieren können“, erläutert Rüdiger Peter Quint, Vorstandsvorsitzender des Esco Forum, einem Zusammenschluss von Contractoren im ZVEI. Gefordert seien deshalb neue gesetzliche Regelungen.
Eine gemeinsam vom Esco Forum mit dem Verband für Wärmelieferung vorgelegte Lösung würde nach Angaben von Quint einen Investitionsimpuls von jährlich über 3 Mrd. € auslösen und rund 16 000 Arbeitsplätze schaffen.
Die öffentliche Hand ist in der Pflicht, das Energieeinsparpotenzial in ihren Liegenschaften zu erschließen. Dies betrage mindestens 20 %, in Einzelfällen sogar bis zu 40 %, schätzt Michael Lowak, Geschäftsführer von MVV Energiedienstleistungen.
Die Stadt Berlin nehme hier eine Vorreiterrolle ein, so MVV-Manager Lowak. Schon bei rund 600 von insgesamt etwa 8000 Liegenschaften der öffentlichen Hand sei in den letzten zehn Jahre Contracting zum Einsatz gekommen, ergänzt Stefan Scherz, Geschäftsführer von MVV Energiedienstleistungen Berlin. Beispiele seien die Deutsche Oper und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Die Energiekosten bei der Deutschen Oper würden von bislang jährlich rund 651 000 € um 233 000 € verringert, investiert wurden dafür 1,6 Mio. €. Durch einen Investitionszuschuss von 1 Mio. € profitiert die Deutsche Oper nun jährlich direkt mit mindestens 126 000 € von dem Projekt, bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Jahren.
Zu den Maßnahmen auf der Heizungsseite zählen bei der Deutschen Oper die außentemperaturabhängige Vorregelung des eingespeisten Fernwärme-Heizwassers, die Erweiterung der Heizkreisläufe von zwei auf zehn, die hydraulische Einregulierung aller 1100 Heizkörper sowie der Einsatz neuer, drehzahlgeregelter Heizungspumpen. Eine neue Kältemaschine wurde installiert, sowie das Kältenetz samt neuer Pumpen optimiert.
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Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) investierte 145 000 € bei einem Contracting-Projekt im Versuchsgut Alt-Marienfelde. Dies senkt die Energiekosten von früher 147 000 € um ein Viertel. Da hier Fördermittel von 50 % der Investitionskosten berücksichtigt werden konnten, profitiert das BfR direkt von einer jährlichen Haushaltsentlastung von 8800 € bei einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren.
Hauptmaßnahme beim BfR war der Einsatz einer neuen Biomasseheizstation auf Basis von Holzhackschnitzeln. Diese wurde aufgrund des Denkmalschutzes durch einen unterirdischen Kesselraum und Brennstoffbunker realisiert. Ein Holzhackschnitzel-Kessel mit einer Leistung von 150 kW deckt im Grundlastbetrieb rund die Hälfte des Wärmebedarfs ab. Den Rest übernehmen die weiter bestehenden Gaskessel. ROBERT DONNERBAUER