Beijing braucht einfache, aber effiziente Heiztechniklösungen
VDI nachrichten, Beijing, 23. 6. 06, rok – China hat bei der Versorgung mit Wärme und Wasser Probleme. Die Gebäudebeheizung mit Gas verbraucht zuviel Energie. Neubauten sollen effizienter werden, auch nach dem Willen der Regierung. Der Grundwasserspiegel von Chinas Hauptstadt ist bereits auf 120 m abgesunken. Lösungen für die Wasserversorgung sind gefragt.
Neuntausendneunhundertneunundneunzig Räume hat die Verbotene Stadt im Zentrum Pekings. Mehr als 10 000 gibt es nämlich nur im Himmel. So lautet ein altes chinesisches Sprichwort. Wer aber mit eigenen Augen gesehen hat, wie in Beijing heute Hochhäuser, Wohnblocks, Hotels, Verwaltungsgebäude und Zweckbauten aus dem Boden schießen, mag daran nicht mehr so recht glauben.
Immer mehr Chinesen drängen in die Hauptstadt, 12 Mio. sollen es bereits sein. Der geschaffene Wohnraum bereitet aber Probleme. Vor allem die Infrastruktur hält nicht Schritt und ist überaltert. Die staatlich kontrollierte Gasversorgung ist immer wieder überlastet und auch die Wasserver- und entsorgung nicht sicher.
Noch schlimmer sieht es in vielen Provinzen aus. Hygienische Probleme beim Trinkwasser sorgen für Erkrankungen. Auch die SARS-Epidemie, die 2003 von der südchinesischen Provinz Guangdong ausging und vor allem die Hauptstadt schwer traf, steht laut Weltgesundheitsorganisation, WHO, damit in Zusammenhang.
Beijing bereitet sich auf die Olympischen Sommerspiele 2008 vor. “Grün“, “Hightech“ und “Kulturell“ soll sie werden, die nächste Olympiade. Auf diese Ziele hin wird gearbeitet – auch in der Gebäudetechnik und im Zweckbau. China will und wird seine Größe demonstrieren, weiß um seine Macht, ist aber bei zentralen Aufgaben mit dem eigenen Engineering immer wieder überfordert.
Der Anfang des Jahres vorgestellte elfte 5-Jahres-Plan der kommunistischen Regierung legt einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Energieeffizienz. Gerade für das Bauwesen ist aber Eile geboten, bleiben keine fünf Jahre Zeit. Ein neues Gesetz für den Einsatz moderner Heiztechnik ist eher als Protektion eigener Produkte zu interpretieren, denn als Zwang, effiziente Systeme einzusetzen. Und viele neue Wohngebäude orientieren sich noch lange nicht an einer energieeffizienten Planung und Ausführung.
Beijing braucht wegen seiner klimatischen Verhältnisse jedoch moderne Heiztechnik und in den Sommermonaten auch sparsame Raumkühlung. Im Idealfall wird beides kombiniert.
Deutsches Engineering und Produkte sind da sehr gefragt. „In China gibt es nicht die Planungsstrukturen, wie wir sie kennen. Ebenso kein Handwerk. Handwerkliche Arbeiten haben außerdem kein Image“, erklärt Peter Becker. Er lebt seit zehn Jahren in Beijing und hat für das führende deutsche Heiztechnikunternehmen Viessmann erfolgreich eine chinesische Tochtergesellschaft aufgebaut. „Wenn man sich als Unternehmen mit den nicht immer einfachen Gepflogenheiten Chinas aber arrangiert hat, ist ,Made in Germany“ nach wie vor sehr gefragt.“ Dies bestätigten auch viele Aussteller der Internationalen Fachmesse Heizung, Sanitär, Klima ISH China. Die ISH China ist eine Tochterveranstaltung der Messe Frankfurt und fand zuletzt Mitte März 2006 in Beijing statt.
„Beijing braucht einfache, aber energieeffiziente Heiztechniklösungen“, so Becker weiter. „Außerdem wird unser langjähriges Know-how gerne genutzt.“ Es ist also nicht nur der Absatz von Produkten, der China zu einem attraktiven Markt macht. Wer sein Fachwissen vermarktet, ist ebenfalls willkommen.
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Die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser wird in den kommenden Jahren zu einer der weltweiten Herausforderungen werden. Und nicht nur für China. Weitere Entwicklungsländer wie Brasilien, Indien oder Afrika stehen im Brennpunkt. 2003 dokumentierte UNO-Generalssekretär Kofi Annan, dass jeder Mensch Zugang zu sauberem Trinkwasser haben muss und erklärte es im Namen der UNO offiziell zu einem Menschenrecht. Über eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Damit soll bald Schluss sein. Die WHO und das World Plumbing Council (WPC) präsentierten anlässlich der ISH China ein neues Standardwerk mit dem Titel “Health Aspects of Plumbing“. Es fasst zusammen, wie in Entwicklungsländern die Trinkwasserversorgung sichergestellt werden kann.
Für die Industriestaaten geht es um Milliardenmärkte, gerade in China. Nach einem Bericht der Weltbank müssen weltweit 800 Mrd. US-$ in den kommenden zehn Jahren investiert werden, um die Wasserprobleme in den Griff zu bekommen. Der Privatwirtschaft werden in dieser Branche jährliche Wachstumsraten von 6 % bis 8 % vorhergesagt. Kein Wunder, dass Wasserfonds und Zertifikate immer beliebter werden. So wird Wasser schon als das “Blaue Gold“ bezeichnet.
Das neue Werk “Health Aspects of Plumbing“ ist stark von den USA geprägt. Der Grund: das WPC wird als Instrument genutzt und von Amerika, Kanada und Australien dominiert. Installierte Produkte, Systeme und auch handwerkliche Arbeiten sollen sich also künftig an amerikanischen Standards orientieren. Europäische, oder deutsche Normen und Richtlinien kommen praktisch nicht vor. Für die Zukunft und über Jahre gesehen wäre das ein gravierender Wettbewerbsnachteil, sollten sich diese Standards als chinesische Normen etablieren.
Diese Dimensionen zeigen die Herausforderungen an die deutsche Gebäudetechnik-Industrie, an Lobbygruppen genauso wie an den Anlagenbau. Und deutsche Ingenieure können mit ihrem Wissen Positives beitragen. Entscheidend sind die Präsenz vor Ort und ein langer Atem. Denn wie resümierte ein erfahrender ISH-Aussteller: „Ganz egal wie lange sie in China Geschäfte machen und wie gut ihre Beziehungen sind: Man bleibt immer Gast in diesem Land.“ ACHIM FROMMANN
www.ish-china.german-pavilion.com
www.worldplumbing.org
www.who.int