Architektonische Integration von Solaranlagen kommt noch zu kurz
Neuere Solarsysteme erleichtern die architektonische Gestaltung.
Thomas Stark zeigt ein Dutzend Einfamilienhäuser mit Solaranlagen auf den Dächern. „Unsere Folie des Grauens”, erklärt der Architekt, der an der HTWG Konstanz lehrt. „In 95 % aller Fälle gibt es keinerlei formale Integration der Solaranlagen. Von Solararchitektur kann hier keine Rede sein”, kritisiert er. Der Beifall des Fachpublikums, das in Berlin zur 7. Europäischen Konferenz Solarenergie in Architektur und Stadtplanung zusammenkam, zeigte, dass Stark vielen Experten aus der Seele sprach.
Bisher zieht der Solarboom an den Architekten vorbei. Dabei hatte der US-Physiker und Solarvisionär Charles Fritts schon 1880 prophezeit: „Photovoltaik hat nur eine Zukunft, wenn sie sich harmonisch in die Architektur integrieren lässt”. Stark zeigte eine ganze Reihe Beispiele ästhetischer und funktionaler Integration auf höchstem Niveau. Fassaden, Dächer und Solarmodule verschmelzen in den Entwürfen zu einem teils avantgardistischen, harmonischen Ganzen.
In den letzten Jahren aber füllt sich die Folie mit gelungenen Entwürfen deutlich langsamer als die Folie des Grauens. „Der Anteil architektonisch gestalteter Solarprojekte geht extrem zurück, seit sich Photovoltaik für die Masse rechnet”, so Stark.
Prof. Thomas Herzog beschrieb auf der Tagung das Spannungsfeld, in dem sich die Solararchitektur bewegt. „Architektur hatte lange das Ziel, Material durch Energie zu ersetzen”, sagte er. Gebäude- und Klimatechnik hätten der baulichen Konstruktion viele Funktionen abgenommen.
Architekten müssten nun neu lernen, angenehme Temperierung ohne hoch entwickelte Regelungstechnik zu realisieren. Das thermodynamische Gesamtsystem eines Bauwerks in Balance zu bringen, sei allerdings ein oft zäher, iterativer Prozess, der den Planungsaufwand erheblich steigere. „Planung kann in erheblichem Maße fossile Energie sparen. Doch sie findet nur statt, wenn die Bauherren den Planern Zeit und Geld dafür geben”, stellte der Architekt klar.
Teurere Planung plus teure Solartechnik wollen aber nur wenige Bauherren bezahlen, auch wenn ihre Energiekosten noch so sinken. Gerade private Häuslebauer bringen Solaranlagen eher selten in Folge von Life-Cycle-Cost-Analysen aufs Dach, sondern als Geldanlage, die dank des Energie-Einspeise-Gesetzes auf Jahre gute Renditen abwirft. Mit hehren Zielen der Solarpioniere hat das wenig zu tun. Daneben hat es Solararchitektur laut Herzog schwer, weil sie sich „in eklatantem Widerspruch” zur globalisierten Architektur bewegt. „Sie muss regionalistische Bezüge nehmen, individuelle Lösungen für jeden Standort entwickeln, indem sie sich am lokalen Klima, an der Topographie und Exposition orientiert”, so Herzog.
Mut und Experimentiergeist seien gefragt, um dabei eine international gültige Formensprache zu finden. Internationale Topbüros und ihre Auftraggeber bringen mittlerweile beides auf. Doch beim Gros der Solarprojekte im Eigenheimbereich bleiben Architekten außen vor.
Das könnte sich bald ändern. Denn einerseits wächst dank der technischen Vielfalt aus Dünnschicht-, mono- und polykristallinen Photovoltaikmodulen verschiedenster Größen, Farben und Transparenz die Gestaltungsfreiheit, andererseits treten junge Solarunternehmen auf den Plan, die sich ästhetisch ansprechenden, individuell auszulegenden Systemen für Dächer, Fassaden und andere Gebäudeteile verschrieben haben. Ihre Entwicklungen treiben auch im Eigenheimbereich die von Stark so ersehnte funktionale und ästhetische Integration der Solartechnik voran.
Eines dieser Unternehmen ist die Systaic Deutschland, die ein komplettes Solardachsystem mit Dachfenstern, Seitenabschlüssen, Regenrinnen und einer kabellosen Click&Connect-Verschaltung entwickelt hat. „Solarsysteme verändern das Gesicht eines Gebäudes entscheidend”, erklärte Andreas Jessel, Leiter des Berliner Energiedesign-Centers von Systaic, „darum wird die Nachfrage nach optisch und wirtschaftlich attraktiven Solarsystemen steigen.”
Als wirtschaftlichen Reiz bietet Systaic eine 24-jährige Ertragsgarantie und Fernüberwachung der Anlagen. Zudem ersetzt das Solardachsystem eine herkömmliche Eindeckung. Für den homogenen Gesamteindruck sind die Photovoltaiksubstrate unter 4 mm dickem Antireflexglas in einem Poly-urethanmantel verkapselt. Dort, wo Schatten fällt, lassen sich optisch angepasste Blindelemente integrieren.
Bei Systaic haben Planer die Auswahl zwischen verschiedenen Zelltechnologien und können damit gestalterische Akzente setzen. Laut Dieter Moor, Vertriebsleiter der österreichischen Ertex Solartechnik, sind solche Akzente gerade in Märkten von Bedeutung, die weniger üppige Einspeisetarife für Solarstrom haben als Deutschland. Hier zählten Design und Marktingeffekte häufig mehr als der Stromertrag.
Österreich ist solch ein Markt, in dem Ertex Solar mit individuellen bis zu 3 m x 2 m großen Photovoltaikmodulen für Fassaden und mit solaren Spezialglaslösungen punktet. „Wir wollen architektonisch saubere, funktional durchdachte Lösungen anbieten”, sagte Moor, „und Planer im Spiel mit den Materialien unterstützen.”
Bislang setze die Dominanz polykristalliner Module enge Gestaltungsgrenzen, während dort, wo Standards erwünscht seien, Chaos herrsche: Für Architekten sei es ein Riesenproblem, dass es für Solarmodule keine Standardgrößen gebe. In diesem Umfeld setze Ertex auf Beratung: „Wir zeigen, welche Funktionen sie etwa als Sicherheits-, Isolier- oder Schallschutzglas oder als Schattenspender in Glasdächern übernehmen können”, sagte er. Vor allem sei man als Tochter eines Glasherstellers darauf spezialisiert, die optisch ansprechenden Lösungen zu fertigen – und zu realisieren. „Bei Dachverglasungen und Fassadenelementen”, so Moor, „geht es ja letztlich um konstruktiven Glasbau.“ P. TRECHOW
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