Warten auf den Chip-Aufschwung
Der Startschuss für den Chipaufschwung fiel auf der Semicon West noch nicht. Die Equipment-Hersteller wissen noch nicht einmal, ob die Talsohle schon erreicht ist.
Eigentlich war sie als Startsignal für den schon mehrmals verschobenen Halbleiteraufschwung gedacht: die Semicon West, der alljährliche Treff der Chiphersteller und ihrer Equipment- und Materialzulieferer. Mitten im Silicon Valley suchen sie unter der Schirmherrschaft ihres Verbandes Semi (Semiconductor Equipment and Materials International) den aktuellen Konsensus über Marktausblick und Technologiefortschritt.
Doch wer von der Semicon West 2001 den erlösenden Impuls für den neuen Aufstieg der Chips aus dem Tal der Tränen erwartet hatte, musste ebenso frustriert nach Hause pilgern, wie er gekommen war. Die Industrie ist sich noch nicht einmal sicher, ob sie in ihrem Abstieg seit dem letzten Oktober die Talsohle bereits erreicht hat. Semi-Präsident Stan Myers: „Die Schwächen der Abnehmermärkte haben zu Überkapazitäten geführt, und die Chipmacher haben die Bestellung neuer Fertigungsgeräte gestoppt.“
Etliche Halbleiterhersteller, etwa der Koreaner Hynix (früher Hyundai) schließen Werke über längere Perioden, um bei sinkender Nachfrage nach Drams die Preise vor dem totalen Sturz ins Nichts zu bewahren. Insgesamt 15 Fabs wurden bislang weltweit still gelegt. Oder es gibt Kurzarbeit und Zwangsurlaub (wie bei Fujitsu, AMD und STMicroelectronics). Philips greift zu radikaleren Mitteln: Entlassungen. Bei einigen taiwanesischen Auftrags-Chipfabrikanten ist der Auslastungsgrad auf 40 % gesunken. Manche Beobachter reden sogar von 30 %. Auch hier: Fertigungsstopp. Abgesehen von Intel, Micron und Infineon, werden weltweit die Investitionen gekürzt. Nach dem Expansions-Delirium des Jahres 2000 – die Equipment-Hersteller legten um 87 % zu, deren Weltmarkt wuchs auf 47,7 Mrd. Dollar – folgt nun der Kater. Der Branchenverband Semi sieht in diesem Jahr einen Rückgang um 35 %. Erst 2002 sollen die Pfeile mit bescheidenen 11,6 % wieder nach oben zeigen: Alle warten auf den Aufschwung.
Daran ist nach mehreren Quartalen desperater Gesundbeterei nicht mehr zu rütteln, meint die Semi-Forschungsdirektorin Elizabeth Schumann. Der PC-Markt will (mit einem Zuwachs um nur 6%) einfach nicht wieder anspringen, und auch aus den Handys (mit einem Plus von lediglich 23 %) tönt es vorerst nur: kein Aufschwung unter dieser Nummer. Immerhin hat sich der Bestelleingang der Equipment-Hersteller, formuliert als Book-to-bill-Verhältnis, seit dem launischen Monat April (mit 0,44) bis zum Juni leicht erholt: auf 0,54. Aber das ist beileibe keine echte Erholung, warnt Schumann. Also wird auch das bereits angebrochene dritte Quartal 2001 allenfalls zum Trampolin auf der Talsohle.
Doch die Industrie weiß: Der nächste Hightech-Upturn kommt. So sicher wie das Amen in der Kirche. Dafür sorgen die traditionell zyklischen Schwankungen der Chip-Innovation. Und trotz des von Semi prognostizierten Rückgangs um 35 % steht der weltweite Equipment-Markt mit seinen 31 Mrd. Dollar auch dieses Jahr immer noch auf einem satten historischen Hoch. So gaben sich die 1700 Aussteller trotz aller trüben Aussichten – vielleicht ein wenig gezwungen – heiter und gelassen: Strahlende Sommerbräune und lebhafter Smalltalk zwischen den Ständen, kaum spürbarer Besucherrückgang. Es ist also kein Ende der Industrie in Sicht.
Nur: So langsam geht den innovativen Equipment-Herstellern die Arbeit aus. Zwar arbeiten viele noch am Auftragsbestand aus dem wohl einmaligen Spitzenjahr 2000, der noch einige Monate vorhält. Doch es wird auch storniert, und der fällige Ausbau der Waferkapazitäten wird aufgeschoben – bis zum Anspringen der Chipkonjunktur. Dann muss natürlich alles ruck-zuck gehen, wie immer. Dummerweise weiß derzeit keiner, wann das sein wird.
Und wie im letzten Jahr stehen gewichtige Investitionen in neue Fertigungstechniken an: in die für die Chipmacher kostengünstige, für ihre Zulieferer jedoch kostspielige Technik der 300-mm-Wafer. Seit 1977, dem Beginn der Entwicklung, wurden die pizzagroßen Wafer immer wieder aus dem Ofen genommen der Markteinbruch lässt sie wohl erst 2002 gar sein. Nur in Pilotfertigungen wird investiert, die weiteren Ausbauphasen sind – außer bei Infineon – auf Eis gelegt.
Erst kommen weitere Strukturverfeinerungen der Chipgeometrie. Die ist mittlerweile bei 150 nm angelangt. Der aktuelle Stand der „International Technology Roadmap for Semiconductors“ für 2001 schreibt 130 nm vor und 100 nm stehen als Nächstes auf der Liste. Das lässt sich noch mit der gut beherrschten optischen Lithografie mit Eximer-Laserbelichtung bei 248 nm (später auch 193 und 157 nm) bewältigen, unter konsequentem Einsatz der Phase-shift-Maskentechnik. Zugleich steht die Umstellung auf Kupferleiterbahnen (statt des bislang bewährten Aluminium) und auf die verlustarmen „low-k“-Dielektrika auf den Chips bevor.
Doch bei der stetig wachsenden Komplexität der Chipfertigung mit voll automatischem Waferhandling wachsen auch die Anforderungen an die Logistik und Effizienz der Prozesstechnik. „E-diagnostics“, Fernwartung, „integrierte Metrologie“und intensivere Testanforderungen waren unter den oft gehörten technologischen Stichworten der Semicon West 2001.
WERNER SCHULZ
Ein Beitrag von: