Virtuelle Maschine läuft mit realer Steuerung
VDI nachrichten, Nürnberg, 28. 11. 08, kip – Praxisnahe Systemtests inklusive Simulation, schnelle Verfügbarkeit und Condition Monitoring waren Diskussions- und Kongress-thema auf der SPS/IPC/Drives. Experten zeigten auf, wie virtuelle Maschinenmodelle, der Einsatz von Simulation, Hardware-in-the-Loop- Simulation und Condition Monitoring das Engineering und die Inbetriebnahme hocheffizient unterstützen können.
Wie automatisierte Maschinenmodellbildung aus CAE-Daten bei Engineering und Inbetriebsetzung helfen kann, darauf ging Uwe Schob vom Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) auf dem Messe-Kongress ein. Von dem Chemnitzer Institut wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Depromes“ mit den Firmen USK Sondermaschinenbau, Limbach-Oberfohna, und ITI GmbH, Dresden, eine Lösung zur automatisierten Erzeugung mechatronischer Simulationsmodelle aus Konstruktionsdaten und Schaltplänen entwickelt. Ziel dabei war eine virtuelle Inbetriebnahme, um den Aufwand erheblich zu verringern.
Die praktische Machbarkeit wurde inzwischen bereits nachgewiesen. „Ein Haupthindernis für den breiten Einsatz von Simulationstechnik bei der Inbetriebnahme stellte dabei vor allem der Aufwand zur Modellgenerierung dar“, erläuterte Schob.
Die Anwendungen von Hardware-in-the-Loop-Simulation in der Produktionstechnik war das Thema von Dr. Dieter Scheifele, Mitglied der Geschäftsführung der ISG, Industrielle Steuerungstechnik GmbH: „Zur Erhöhung von Zuverlässigkeit und Qualität mechatronischer Systeme ist ein frühzeitiges methodisches Testen mittels Einsatz von Simulationswerkzeugen bereits während der Entwicklung notwendig.“ In Zusammenarbeit mit dem Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart wurde dazu für erste Maschinen das baukastenbasierte Engineering mit Schwerpunkt auf die Simulationstechnik vorgestellt.
Als Pilotanlage diente dabei in der Praxis ein von der Firma Schütte entwickelter Mehrspindeldrehautomat nach einem neuartigen Maschinenkonzept. Die Maschine verfügt über 35 Servoantriebe, acht Werkstückspindeln, fünf Werkzeugspindeln, neun hydraulische und pneumatische Achsen sowie 70 logische E/As. Die steuerungstechnische Ausrüstung stammt von Siemens. Die darauf aufbauende virtuelle Maschine wurde mit der Simulationsplattform Virtuos zur Hardware-in-the-Loop-Simulation erstellt.
„Bereits innerhalb weniger Wochen konnte Schütte so eine virtuelle Maschine zum direkten Anschluss an die vorgesehene originale Steuerungstechnik bereitstellen“, erläuterte Scheifele. Die Inbetriebnahme der Steuerungen erfolgte dabei wie an der realen Maschine, da sich die virtuelle Maschine aus Sicht der Steuerung nicht von der realen unterscheidet. Wie dort werden die Lageregelkreise der Antriebe über die CNC-Steuerungen geschlossen, wobei die Regelstrecke in Echtzeit simuliert wird.
Die reale SPS erhält ihr Eingangsabbild von der virtuellen Maschine, die über ihr Verhaltensmodell auf die steuernden SPS-Signale in Echtzeit reagiert. Die von Schütte verfolgten Ziele haben sich voll erfüllt, resümierte Scheifele, der zum Aufwand gleich ein paar Zahlen aus dem Hause des Automobilbauers Daimler lieferte: Danach werden von dem Gesamtaufwand für die Simulation allein 51 % zur Datenbeschaffung benötigt. Hingegen bilden die Aufwände für die Datenaufbereitung, die Modellerstellung, die Berechnung und Simulation sowie die Auswertung zusammen nur 49 %.
Auch bei der Realisierung von Condition-Monitoring-Systemen gibt es Fortschritte. Für die verfahrenstechnische Industrie besagt eine Studie der ARC Advisory Group, dass für die Instandhaltung einer Anlage bis zu 20 % der Produktionskosten – ohne Rohstoffkosten – aufgewendet werden müssen. Mit bedarfsorientierter, vorausschauender Wartung lassen sich diese Kosten um bis zu 80 % senken. „Grundsätzlich betrachtet verfolgt Condition Monitoring zwei Ziele: Die Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit bei gleichzeitiger Reduktion der Service- und Wartungsaufwendungen,“ erläuterte Volker Herbst von der M&M Software aus St. Georgen.
Um diese beiden an sich gegensätzlichen Ziele zusammenzuführen, werden Werkzeuge benötigt, die Daten zu allen notwendigen Anlagenteilen erfassen, auswerten und den Serviceverantwortlichen einfach und anschaulich in einem einzigen System präsentieren. „Genau an dieser Stelle kann die Integrationstechnologie FDT (Field-Device-Tool) ihre Stärke ausspielen,“ so Herbst. Durch diesen offenen Schnittstellenstandard werde es möglich, beliebige intelligente Feldgeräte in einem System zu integrieren – unabhängig von Herstellern und Kommunikationsprotokollen. Es handele sich um eine ideale Technologie zur Realisierung von Condition Monitoring/Plant Asset Management, zur genauen Vorhersage von Anlagenzuständen und, daraus resultierend, zur Planung der Anlagenwartung, meinte Herbst: „Damit wird die Anlagenzukunft planbar.“
Mit der Anbindung von Feldgeräten via FDT/DTM (Device Type Manager) befasste sich auf dem Kongress auch Christian Gemke aus dem Produktmarketing Automation Systems der Phoenix Contact Electronics GmbH. Er glaubt, dass die Gründe für die Verlagerung von Intelligenz in die Feldgeräte, Sensoren und Aktoren vielschichtig sind. „Heute wird immer mehr Intelligenz auch in einfachste Sensoren und Aktoren verlagert,“ so Gemke. Bei über IO-Link ansprechbaren Low End Devices könne die Parametrierung heute mittels FDT/DTM erfolgen. Mit FDT gelöst sei auch der zentrale Download und Upload aller eingestellten Geräteparameter zu und von den Feldgeräten mit einem einzigen Aufruf.
Für die einheitliche Handhabung möglichst aller Geräteoberflächen liefert die Interessengemeinschaft FDT Group jetzt sogar einen Style Guide für Oberflächenentwickler. Hersteller haben entsprechend diesem Style Guide schon ihre Gerätebedienoberflächen ausgelegt. Auch Phoenix Contact habe die FDT-Schnittstelle zur Geräteparametrierung bereits in viele Produkte integriert, so Gemke. E. LANGE/KIP
Auf SPS-Signale wird in Echtzeit reagiert
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