Siliziumkarbid auf dem Vormarsch
VDI nachrichten, Düsseldorf, 15. 7. 05 – Leistungselektronik und insbesondere Leistungshalbleiter bewegen die Welt, denn sie liefern die elektrische Leistung für viele elektrische Geräte der modernen Gesellschaft. Dem Trend zu höherer Leistungsdichte begegnet die Industrie mit neuen Materialien, dem zur präziseren Regelung mit Digitalisierung.
Leo Lorenz weist den Weg: „In der Leistungselektronik sehen wir drei wesentliche Trends – eine starke Zunahme der Leistungsdichte besonders bei Stromversorgungen, den Einzug digitaler Regelungen in die Systeme sowie die Integration der Elektronik in die Mechanik, beispielsweise in den Motor“, so der Konferenzdirektor der Fachmesse PCIM, die kürzlich in Nürnberg stattfand. „Um 5 W/cm³ Leistungsdichte liegen heute die Grenzen von Silizium, die Automobilindustrie wünscht jedoch in Zukunft hochleistungsfähige Gleichspannungswandler bis zu 100 kW entsprechend einer Leistungsdichte von 30 W/cm³, und das ist nur mit neuen Materialien für Leistungshalbleiter wie Siliziumkarbid zu schaffen“, weiß Lorenz.
Gründe für die Einführung digitaler Regelungen seien einerseits die schnelle Anpassung an wechselnde Anforderungen per Software, andererseits eine Reduktion externer Bauelemente. Lorenz: „Die Integration der meisten Funktionen in ein IC und die präzise Regelung der Ausgangsleistung, von Überlast bis fast auf Null, das ist die Zukunft.“ Und beim dritten Trend verfolge die Industrie ebenfalls eine höhere Integrationsdichte, allerdings unter erhöhten Temperaturanforderungen, wo wiederum Siliziumkarbid mit seiner Festigkeit von 300 °C ins Spiel komme.
Vorteile dieses für die Leistungselektronik noch neuen Basismaterials brachte John Palmour, Vice-President Advanced Devices des US-Unternehmens Cree, Marktführer bei Siliziumkarbid, anlässlich einer Podiumsdiskussion auf den Punkt. „Siliziumkarbid hat drei wesentliche Vorteile gegenüber Silizium, der wichtigste ist die um den Faktor 10 höhere Durchbruchfeldstärke, die eine 10fach stärkere Dotierung erlaubt und damit einen um den Faktor 100 reduzierten spezifischen Durchlasswiderstand. Und drittens verfügt Siliziumkarbid über eine dreifach höhere Bandlücke, was in geringeren Leckströmen und höherer Temperaturfestigkeit resultiert.“ Bisherige Fehlstellen im Material wie Mikrolöcher konnten erheblich reduziert werden (10/cm²), entsprechend ließen sich nun größere Chips von 4 mm Kantenlänge für das Schalten hoher Leistungen herstellen. Cree arbeitet gerade an einem Mosfet für 1800 V/15 A auf 10 mm² Fläche mit einem spezifischen Durchlasswiderstand von 7 mW/cm². Den adressierbaren Markt beziffert Palmour auf 3 Mrd. $ weltweit, derzeit sei jedoch nur ein kleiner Bruchteil davon gewonnen. Der Weltmarkt für diskrete Leistungshalbleiter liegt nach Zahlen der Marktforscher von IMS Research derzeit bei 10 Mrd. $.
Siliziumkarbid-Dioden mit 600 V Sperrspannung bringt neben Cree auch Infineon seit einigen Jahren auf den Markt und sie haben ihre Vorteile in Schaltnetzteilen bereits unter Beweis gestellt. „Schutzbeschaltungen in der Leistungsstufe können entfallen und die Schaltfrequenz kann von 80 kHz auf über 200 kHz erhöht werden, was zu kleineren magnetischen Komponenten sowie einer höheren Leistungsdichte führt. Diese Einsparungen gleichen die immer geringeren Mehrkosten der Siliziumkarbid-Dioden mehr als aus“, fügte Crees Applikationsingenieur Stuart Hodge hinzu. Das Unternehmen stellte kürzlich auch 1200-V-Dioden vor, Infineon will im kommenden Jahr folgen und arbeitet mit öffentlicher Förderung ebenfalls an Transistoren. „Wir haben in Villach eine voll automatisierte 3-Zoll-Wafer-Produktionslinie für hohe Volumina und müssen daher aus der Nische der anspruchsvollen Anwendungen in den Konsumermarkt wie Stromversorgungen von Plasma- und LCD-TVs kommen“, ergänzt Infineons SiC-Entwicklungsleiter Roland Rupp.
Digital Power ist der andere Megatrend in der Leistungselektronik. Der einzige wesentliche Unterschied zu analogen Regelungen besteht darin, dass die Schwankungen der Ausgangsspannung digitalisiert und mit einer Referenzspannung verglichen werden, um eine digitale Repräsentation des Fehlers zu erhalten. Diese digitale Information lässt sich dann beliebig weiter verarbeiten, „nicht nur zwecks präziser Ausregelung über einen Signalprozessor, sondern auch für vorbeugende Wartung in komplexen Anlagen der Telekommunikation“, stellt David Figoli, Chefarchitekt bei Texas Instruments, fest. „Weiterhin lassen sich mit nur einem Prozessor mehrere Phasen regeln sowie eine Kommunikation mit der Außenwelt über die üblichen Protokolle aufbauen. Hier sehen wir eine ähnliche Entwicklung wie in der Antriebstechnik vor zehn Jahren, wo die Regelungen heute nur noch digital arbeiten.“ ACHIM SCHARF
Ein Beitrag von: