Scharfer Wettbewerb im Auto um Infotainment-Plattformen
Proprietäre Software hat im Automobil keine Zukunft, weil sie zu unflexibel und teuer ist. Unterhaltungselektronik, Fahrerassistenzsysteme und Telematik müssen durch Software-Plattformen verknüpft werden. Windows und Linux formieren sich gerade neu für dieses lukrative Geschäftsfeld. VDI nachrichten, DÜSSELDORF, 27. 3. 09, rb
„Die OEMs wollen eine Innovationsplattform“, sagte uns Christoph Ditzen, General Manager Automotive Solutions beim Softwarespezialisten Wind River, vor zehn Monaten. Nun haben sich die amerikanischen Softwareentwickler mit Autoherstellern und Zulieferern zusammengetan, um eine offene Infotainment-Plattform für die Autoindustrie (In-Vehicle-Infotainment, kurz IVI) zu entwickeln. Im Gepäck haben sie Linux.
Die Gründungsmitglieder der in Kalifornien ansässigen Non-Profit-Industrieorganisation „Genivi Alliance“, ein Kunstwort aus Geneva (Genf) und IVI, sind überwiegend Amerikaner: General Motors (GM), Intel und die Zulieferer Visteon und Delphi. Aus Europa stammen PSA Peugeot Citroën, die Fiat-Tochter Magneti Marelli und BMW.
„Genivi wird den traditionellen Ansatz proprietärer Lösungen überwinden“, erklärt Graham Smethurst, Sprecher von Genivi und General Manager Infotainment and Communication Systems der BMW Group. Diese verhindern in dem bis zu sechsjährigem Entwicklungsprozess eines Autos, dass aktuelle Technologien und Standards der Unterhaltungselektronik rechtzeitig vor der Serienproduktion implementiert werden können.
„Eine gemeinsame Referenzplattform ist in der gesamten Branche entscheidend für den Erfolg von innovativen und anspruchsvollen Entertainment-Anwendungen“, sagt Hans-Georg Frischkorn, Geschäftsführer Global Electric Systems, Control & Software bei GM. Die Genivi-Allianz soll für eine bessere Kooperation der Industriepartner sorgen, Entwicklungskosten reduzieren und die Markteinführung beschleunigen.
Gerulf Kinkelin, Innovationsmanager von PSA, sieht Handlungsbedarf: „Gerade in dem derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld muss die Automobilindustrie ihre Effizienz verbessern und unnötige Parallelentwicklungen grundlegender Technologien vermeiden.“ Im Sommer 2009 wird mit der ersten Version der Open-Source-Plattform Genivi gerechnet. Sie basiert auf einem Wind-River-Linux und dem Intel Atom-Prozessor. Die Referenzumsetzung wird als Open-Source-Code verfügbar gemacht, um – wie die Allianz verkündet – „die Innovationsfreude der Entwickler zu fördern“.
Microsoft arbeitet schon seit einigen Jahren an seiner Plattform Microsoft Auto und stellte jüngst die Version 4.0 vor. Sie erweitert die Infotainment-Plattform, die bereits 700 000-mal mit der Bezeichnung „Blue & Me“ in Fahrzeuge des Fiat-Konzerns eingebaut wurde, um Standardschnittstellen für Tuner und CD-Player, die bisher nur extern über USB angeschlossen werden konnten.
Die auf MS Auto 4.0 basierende Multimedia-Plattform ist schon länger Favorit von Continental, die kürzlich ein darauf aufbauendes Internetradio vorstellten. Magneti Marelli, die auch die Linux-Plattform unterstützen, entwickelten einen Bordcomputer, der Internetzugang, Navigation und WLAN für externe Geräte verbindet. Navigon möchte mit einer Navigationsanwendung als Erstausrüster bei der Autoindustrie punkten.
„Wir unterstützen unsere Partner, die wichtige Schlüsselapplikationen entwickeln – von der Navigation über Netze bis hin zu Sprachlösungen“, sagt Carmelo Morgano, Director Microsoft Automotive Business Unit Europe. „So entstehen komplette In-Car-Entertainment-Systeme, die alle Features bieten, die Autofahrer heute und morgen erwarten.“
Microsoft hat eine gute Ausgangsbasis im Automotive-Markt. Da MS Auto auf Windows CE basiert, steht eine große Entwicklerschar bereit, die die erforderlichen Kenntnisse für diese Plattform besitzt. Außerdem gibt es eine enorme Zahl autorelevanter, auf Windows CE basierender Applikationen, die mit wenig Aufwand auf MS Auto portiert werden können. F. WEIDELICH
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