Doktor Gigabit macht Computern Beine
Daniel Kehrer macht Tempo – im Studium und bei Computerchips. Der 27-jährige Doktorand schaffte einen neuen Geschwindigkeitsrekord beim Datentransfer. Kehrers Verfahren ist fast doppelt so schnell wie die bisherige Bestmarke von 25 Gigabit pro Sekunde. Sein Chip ermöglicht schon bald wesentlich leistungsfähigere und günstigere Halbleiter.
Daniel. Nein, nicht Düsentrieb, Kehrer. Aber mit dem Erfindergenie aus dem Comic hat Daniel Kehrer nicht nur den Vornamen gemeinsam. Der 27-Jährige ist der Düsentrieb der Chipbranche. Kehrer bewegt sich zwischen Werkbank und Messgeräten, lötet elektronische Schaltungen und lotet ihre Möglichkeiten aus. Genauer gesagt experimentiert er in einem Labor der Hochfrequenz-Forschung von Infineon Technologies mit Halbleiterschaltkreisen.
„Jungforscher knackt Geschwindigkeitsrekord: Datenübertragung auf Chips fast doppelt so schnell“, verkündete Kehrers Arbeitgeber vor einigen Wochen stolz der Computerwelt und stellte dies plakativ heraus. Das Münchner Unternehmen hatte bereits vorher den Rekord für CMOS-Transistoren (Complementary Metal-Oxide Semiconductor) gehalten, mit einem Datentransfer von 25 Gigabit pro Sekunde. Nun hat der junge Angestellte die Auszeichnung „World Record in CMOS 40 Gbit /sec“ im Rücken und geht daran, die Voraussetzungen für eine verbesserte Industrieproduktion von Computerchips zu schaffen.
CMOS ist ein Standardverfahren für die Chipherstellung, um Mikrochips mit geringem Energieverbrauch und hohem Integrationsgrad zu produzieren. Als Metall-Oxid-Variante verknüpft CMOS die Transistorentypen PMOS und NMOS miteinander.
„Diese Datenrate war bisher nur mit speziellen Materialien oder aufwändigen und teuren Prozesstechniken möglich. Ich habe selbst gestaunt, weil sie eigentlich für CMOS unantastbar war“, erläutert Kehrer. Diese Geschwindigkeit war bisher nur bei speziellen Prozessen wie SiGe (Kombination von Silizium- und Germanium-Kristallen), GaAS (Gallium-Arsenid) oder InP (Indium-Phosphit) möglich. Im Gegensatz dazu habe CMOS aber eine sehr hohe Integrationsdichte, erlaube also besonders viele Chips auf engstem Raum.
„Ich wurde von meinem Chef, Dr. Werner Simbürger, auserkoren, zu testen, was machbar ist“, erzählt der Doktorand, der einem Team mit fünf weiteren Dissertierenden und fünf erfahrenen Forschern zusammen arbeitet. In einer längeren Versuchsreihe veränderte er das Innenleben und die Anordnung der Transistoren und wertete die Ergebnisse des Datendurchlaufs an speziellen Messgeräten aus. Nun ist es möglich, normalerweise getrennte Komponenten auf einem Chip unterzubringen und das so genannte Package von zwei auf ein Gehäuse zu komprimieren.
„Mit der neuen Bauweise des Chipsatzes wollen wir alleine bei den Kosten im High-End-Bereich von 10 000 Dollar auf 500 Dollar herunter kommen“, erläutert Kehrer. Summa summarum ermöglicht die optimierte Schaltungstechnik eine einfachere und preiswertere Herstellung sowie schnellere und gleichzeitig Strom sparendere Computerchips.
„Damit stellen die Forschungsergebnisse einen bahnbrechenden Erfolg bei der Weiterentwicklung von Chip-Komponenten dar“, heißt es bei Infineon Technologies. Kehrer gibt das Lob an seinen Arbeitgeber zurück: „Alleine vom Equipment her ist es hier wie im Schlaraffenland. Außerdem beeindruckt mich das sehr faire Verhalten meines Chefs. In anderen Unternehmen schmücken sich schon mal Forscher mit fremden Lorbeeren.“ Er habe weit reichende Verantwortung für das Projekt bekommen und trage nun auf Konferenzen seine Projektergebnisse selber vor. Doch für Kehrer gibt es nicht nur ideelle Rückendeckung, sondern auch finanzielle. Er hat mittlerweile vier Patente angemeldet, an denen Infineon das Nutzungsrecht hat. Kehrer ist mittlerweile fest beim Unternehmen angestellt und hat seine Doktorarbeit abgeschlossen. Nach den üblichen Formalitäten wird er demnächst den Doktortitel tragen.
Kehrer hat sich schnell etabliert. Im breiten Dialekt seiner oberösterreichischen Heimat sagt er von sich, er sei kein „Hockenbleiber“. Flexibel musste er schon als Kind sein und sich gleich gegen fünf ältere Geschwister behaupten.
Das Interesse an Technik wuchs mit den Elektrobastelkästen, die das Prinzip der Stromschaltungen anschaulich zeigten oder mit denen Lichtschranken gebastelt wurden. Nach dem in Österreich üblichen Schulweg entschied er sich für eine Ausbildung in Energietechnik und Leistungselektronik an der „Höheren Technischen Bundeslehranstalt“ in Linz. Sie verbindet theoretisches und praktisches Wissen sowie eine Lehre und die Matura (Abitur) miteinander. Diese Kombination ebnete Kehrer den Weg zum Elektrotechnik-Studium in Wien und ermöglichte ihm ein Betriebspraktikum bei Infineon in München.
„Das Team arbeitet eng mit den Technischen Universitäten Wien und Cottbus sowie der Universität Bochum zusammen. Das Unternehmen ermöglicht begabten Studenten die Nutzung der neuesten Technologie für Schaltungen“, betont Abteilungsleiter Simbürger.
„Das Equipment ist sehr gut. Den Universitäten fehlt hierfür meist das Geld“, ergänzt sein Zögling. Nun gibt er seinem Arbeitgeber etwas von dieser Unterstützung zurück. Vielleicht kann Daniel Kehrer das Image des Unternehmens durch weitere Geschwindigkeitsrekorde verbessern – oder sein eigenes. Doktor Gigabit wäre doch nicht schlecht.
ARND WESTERDORF
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