Die Hüter von Moores Gesetz
1965 postulierte Gordon Moore, bis 1975 werden 65 000 Transistoren pro Chip möglich sein. Das „Mooresche Gesetz“ gilt noch heute, bis 2007 sollen 1 Mrd. Transistoren pro Chip möglich sein. Doch bis dahin gilt es noch eine ganze Reihe technischer Hürden zu nehmen
Gerald Marcyk war ausnahmsweise auf Gordon Moore nicht gut zu sprechen. Hatte dieser doch angeblich in einem Vortrag ein Ende des nach ihm benannten Gesetzes nicht ausgeschlossen, nach dem sich die Zahl der Transistoren pro Chip alle 18 Monate verdoppelt. Marcyks Aufgabe in den Intel Labs in Hilsboro, Oregon ist es aber, die technologischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch bis 2007 und darüber hinaus dieses Tempo beibehalten wird – ein Chip soll dann bis zu 1 Mrd. Transistoren umfassen. Und natürlich ist er sicher, dieses Ziel zu erreichen.
Abgesehen von jener Irritation bewundert Marcyk Moores Weitblick: „Als Moore 1965 als Forschungsdirektor bei Fairchild sein Gesetz formulierte, hatte er genau vier Stützstellen für die Jahre 1962 bis 1965, bei damals rund 60 Transistoren pro Chip.“ Doch Moore, später Mitgründer und langjähriger Chef des Halbleitergiganten Intel, konnte bis heute mitverfolgen, wie genau sich die Industrie an seiner Voraussage orientierte und allen Unkenrufen zum Trotz bis heute orientiert.
Manchmal aber scheint es wohl auch Marcyk, dass die Hürden, die sich vor den Chiptechnologen auftürmen, mindestens genauso schnell wachsen wie die Transistorzahlen auf den Chips. Drei wesentliche Technologiefelder sind es, die Marcyk in diesem Zusammenhang adressiert: Die Lithographie, also die Belichtung der Strukturen auf den Chips, der grundsätzliche Aufbau eines Transistors und neue Materialien, die diese Transistoren wirtschaftlich herstellbar machen. Dahinter steckt als fundamentale Triebkraft des Mooreschen Gesetzes die stetige Verkleinerung der Strukturen auf den Chips. Marcyk: „Plakativ ausgedrückt heißt das schlicht, dass wir alle zwei Jahre alles wegwerfen können, womit wir bisher unser Geld verdient haben.“
Derzeit produziere Intel seine Chips mit minimalen Strukturgrößen von 130 nm. Marcyk: „Die beiden nächsten Schritte – 90 nm für 2003 und 65 nm für 2005 sind da schon in der konkreten Entwicklungsphase. Und unsere Forscher haben auch schon recht genaue Vorstellungen von den nächsten Technologieschritten hin zu 45 nm und 35 nm für die Jahre 2007 und 2009.“
Mit dem stetigen Schrumpfen der Geometrie kommt ganz automatisch die Lithographie als limitierender Faktor ins Blickfeld der Ingenieure. Die alte Regel, dass Strukturen im Bereich der Wellenlänge des projizierenden Lichtes nicht mehr dargestellt werden können, weil es zu Beugungseffekten an den Masken kommt, hat die Industrie schon lange hinter sich gelassen. Derzeit wird mit Lichtwellenlängen von 248 nm produziert, die nächsten Schritte hin zu 193 nm bzw. 157 nm sind klar vorgezeichnet.
Marcyk: „Danach betreten wir und die gesamte Industrie Neuland.“ Beste Chancen für die Lithographie der nächsten Generation werden derzeit dem extremen UV-Licht (EUV) gegeben. Doch werden hier die Gesetze der klassischen Optik verlassen. Marcyk: „EUV-Licht wird von fast allen Medien absorbiert. Die Lithographie muss also im Vakuum und mit reflektiven Masken und Optiken erfolgen.“ Laut Marcyk sei es Intel gelungen, die welterste EUV-Maske in 6 Zoll Größe zu produzieren, mit der erste Strukturen bis 50 nm erzeugt wurden. Ein teurer Spaß: Lithographiegeräte für die Erforschung dieser Technologie kosten einige 10 Mio. Dollar, sie stammen übrigens vom niederländischen Hersteller ASML.
Nächste Hürde sind die Transistoren: Die stetig verkleinerte Gatelänge führe z.?B. zu exponentiell ansteigenden Leckströmen und bei Fortschreibung der derzeitigen Verfahren zur exponentiell ansteigenden Energiedichte auf den Chips. Marcyk: „Schon heute kommen Pentium-Chips annährend auf die Energieabstrahlung einer Herdplatte.“ Bei weiterer Schrumpfung der Gates liege diese in wenigen Jahren im Bereich eines Raketentriebwerks oder eines Kernreaktors. Die Forderung an die Forscher lautet also: Moores Gesetz fortschreiben, ohne diesen exponentiellen Anstieg in Kauf nehmen zu müssen. Intels Antwort heißt „Tera-Hertz-Transistor“. Dabei wird auf dem eigentlichen Silizium-Wafer zunächst eine isolierende Sperrschicht aufgebracht, auf diese dann der aktive Kanal in einer Dicke um 100 nm. Die Isolation zum Gate erfolgt durch ein Material mit hoher Dielektrizitätskonstante (High-k-Gate), wodurch laut Marcyk z. B. eine Reduktion der Leckströme um den Faktor 10 000 möglich werde. Frequenzen bis 2,6 THz seien mit Labormustern bereits erreicht worden.
Für die „High-k-Gates“ kommen in Zukunft neue Materialien ins Spiel. Marcyk nennt z.?B. Titandioxid oder Tantalpentoxid. Daneben spielen auch Werkstoffe mit extrem niedriger Dielektrizitätskonstante eine wichtige Rolle für die immer kleiner werdenden Kontakte zwischen den einzelnen Chipstrukturen. Und für die Leiterbahnen auf den Chips selbst ist industrieweit Kupfer als Ersatz für Aluminium akzeptiert. Marcyk schließt in Zukunft aber auch optische Verbindungen zwischen Chips nicht aus – allerdings erst in der nächsten Dekade.
Genug Arbeit also für die Forscher in Hilsboro und den anderen 75 Standorten, an denen Intel aus fast allen Bereichen der Halbleitertechnologie und der Schaltungsentwicklung mit einem Etat von rund 4 Mrd. Dollar forscht.
„Grundsätzlich“, resümiert Marcyks Chef, Intels Cheftechnologe Pat Gelsinger, „haben wir bisher keine physikalische Barriere gefunden, die uns hindert Moores Law fortzuschreiben. Wir haben derzeit schon ziemlich klare Vorstellungen, wie wir die 10-nm-Barriere überwinden wollen.“ Und wozu das alles? Gelsinger: „Um noch mehr Computerpower in Silizium zu gießen. Wir haben mit unserer Technologie derzeit rund 1,5 Mrd. Menschen erreicht. Das heißt: 5 Mrd. Menschen warten noch darauf, die Möglichkeiten der Computertechnologie zu erleben.“ jdb
Ein Beitrag von: