Design-Haus Sican wird Sci-worx
Nach zehn Jahren ihres Bestehens ist die hannoverische Sican-Gruppe zum 1. Oktober mehrheitlich vom Münchener Chiphersteller Infineon übernommen worden.
Die Geschichte des hannoverischen Elektronikverbundes Sican hat ein Ende gefunden. Zehn Jahre nach seiner Gründung ist das Unternehmen endgültig in der Privatwirtschaft angekommen. Zum 1. Oktober hat der Münchener Chip-Hersteller Infineon 74,9 % der Sican übernommen und will das Unternehmen nun unter dem neuen Namen „Sci-worx“ auf Wachstumskurs bringen. Von heute knapp 70 Mio. DM solle sich der Umsatz bis 2004 auf rund 176 Mio. DM erhöhen, sagte Geschäftsführer Jürgen Ruprecht in Hannover.
15,1 % der Anteile entfallen auf die Regionale Beteiligungsgesellschaft der Kreissparkasse Hannover, 10 % hält auch künftig der TÜV-Süddeutschland. Alle 30 Beschäftigten werden übernommen auch das Management bleibt auf seinem Posten. Bis zum Jahresende soll die Belegschaft sogar noch um bis zu 100 Mitarbeiter aufgestockt werden.
Nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel befindet sich Sci-worx damit „in der Mitte einer Erfolgsstory“. Das 1990 als niedersächsisches Mikroelektronikzentrum gegründete Unternehmen hatte das Land insgesamt mit 260 Mio. DM gefördert. Diese Investition habe sich aller Kritik zum Trotz ausgezahlt, weil Sican bis heute 2000 Fachkräfte ausgebildet und mit Infineon einen Hightech-Konzern nach Hannover gelockt habe, sagte der Ministerpräsident. Infineon, der ehemalige Halbleiterbereich der Siemens-AG, hat im ersten Halbjahr 1999/2000 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seinen Umsatz mit knapp 6 Mrd. DM fast verdoppelt.
Die Münchener Mutter machte deutlich, dass Sci-worx künftig auf eigenen Beinen stehen wird. „Wir haben nicht vor, das Unternehmen an den Tropf von Infineon zu legen“, sagte Geschäftsbereichsleiter Ulrich Hamann. Der Chip-Hersteller will seinen Angaben zufolge nur 60 % der Entwicklungsressourcen seiner hannoverischen Neuerwerbung nutzen. Die übrige Kapazität müsse Sci-worx selbst vermarkten, sagte Hamann.
Sci-worx-Geschäftsführer Ruprecht schreckt diese Anforderung offenbar nicht. Der Weltmarkt für so genannte Intellectual Property-Module (IP) wachse jährlich um 30 % – die Hannoveraner wollen doppelt so schnell zulegen. Bei den von Sci-worx entwickelten Modulen handelt es sich um wiederverwendbare Bausteine für den Entwurf von Mikrochips. Ziel der Chip-Hersteller ist es, immer mehr Anwendungsmöglichkeiten auf immer kleinerem Raum zu konzentrieren. So soll beispielsweise ein Handy, das bald auch zum Internet-Bummel oder für Videokonferenzen geeignet sein soll, weiterhin in eine Sakkotasche passen. In diesem Marktbereich wolle Sci-worx in vier Jahren weltweit zu den fünf besten Anbietern gehören, sagte Ruprecht. Heute sehen sich die Hannoveraner auf Platz neun.
Weniger zielstrebig zeigt sich Sci-worx auf dem Weg zur Börse. Das Vorhaben sei zwar nicht völlig aus der Welt, sagte Infineon-Manager Hamann. Zunächst habe aber die Konsolidierung der neuen Tochter Vorrang. Auf diesem Weg sei das Unternehmen gut vorangekommen. Seit Dezember 1999 seien die Kapazitäten voll ausgelastet, sagte Geschäftsführer Ruprecht. Mit Ausnahme des Monats April habe Sci-worx im laufenden Geschäftsjahr immer schwarze Zahlen geschrieben. „Wir haben den Turn-around geschafft.“
Ursprünglich war Sican als Projekt des Landes Niedersachsen zum Forschungstransfer von der Universität in die Wirtschaft gegründet worden. Mitte des Jahres hatte die EU-Kommission von der Gruppe verlangt, dass industrielle Projektpartner staatliche Beihilfen in Höhe von 2,8 Mio. DM zurückzahlen. Diese Projekte seien mit den Beihilferegeln des EG-Vertrages nicht vereinbar, erklärte die Behörde in Brüssel. Andere Unterstützungen in Höhe von 100 Mio. Euro, die die Gruppe zwischen 1990 und 1998 vom Land Niedersachsen erhalten hatte, wertete die EU-Behörde als rechtmäßige Hilfen. Sie hätten zur Deckung von Kosten gedient, die der Sican-Gruppe entstanden waren, als sie im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben erfüllte. Davon habe Sican keine wirtschaftlichen Vorteile gehabt, hieß es.
Sican gilt in der Mikroelektronik-Branche als größter Entwicklungsdienstleister Europas und größtes unanhängiges Design-Haus für Chips. Öffentliche Aufmerksamkeit hatte das Unternehmen in den vergangenen Jahren immer mal wieder erregt, weil die Beihilfen des Landes intern auch zu Streitigkeiten über den Kurs der Gruppe geführt hatten und deshalb insbesondere die Geschäftsführung häufiger wechselte. DOROTHEA WENDELN-MÜNCHOW
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