Defekten im Halbleiter auf der Spur
VDI nachrichten , Düsseldorf, 4. 11. 05 – Wissenschaftler entwickelten jetzt Methoden, mit denen elektrisch wirksame Fehler von Halbleiter-Wafern berührungs- und zerstörungsfrei aufgespürt werden können. Das Interesse der Chipindustrie ist groß, da solche Kristallfehler die Ausbeute funktionsfähiger Chips verringern.
Ein neues Messverfahren soll kleinste Defekte im Kristallgitter von Halbleiterwafern aufspüren. Die innovative Technologie soll künftig Chiphersteller bei der Qualitätssicherung unterstützen. Sie wurde am Institut für Experimentelle Physik der TU Bergakademie Freiberg entwickelt. Die Arbeitsgruppe um Professor Jürgen Rüdiger Niklas ging nun gleich den nächsten Schritt und gründete die Freiberg Instruments Dornich und Niklas GbR. Das Unternehmen liefert maßgeschneiderte Messtechnik für die industrielle Fertigung.
Der Halbleiterbranche entstehen erhebliche Kosten, weil trotz größter Sorgfalt ein gewisser Prozentsatz der auf den Wafern hergestellten Chips nicht funktioniert. Die Unternehmen sind sehr daran interessiert, die Ursachen solcher Ausbeuteprobleme zu finden und abzustellen. Mit hoch entwickelten bildgebenden Untersuchungsverfahren werden sichtbare Mängel aufgespürt, beispielsweise die Folgen eines einzigen winzigen Staubkorns. Schon lange vermuten die Halbleiterhersteller jedoch, dass auch winzige Strukturabweichungen im Inneren der Wafer enorme Auswirkungen auf Funktionsfähigkeit und Lebensdauer der Chips haben.
„Obwohl sich Silizium-Einkristalle mit den heute üblichen Verfahren sehr rein und versetzungsfrei ziehen lassen, entstehen dabei keine perfekten Kristallstrukturen“, erläutert Niklas. „Sie weisen Defekte auf, zum Beispiel Leerstellen oder Zwischengitteratome. Und sie sind durch Fremdatome wie Sauerstoff, Kupfer oder Eisen verunreinigt.“ All das beeinträchtigt die Beweglichkeit und die Lebensdauer für die Bauteilfunktion wichtiger elektrischer Ladungsträger.
Bei der Verarbeitung der Wafer verändern sich zudem solche „Problemstellen“. So können neue Defekte entstehen, und vorhandene können sich weiter verschlechtern. Doch bislang gab es keine Möglichkeit, herauszufinden, welche Zusammenhänge zwischen Funktionsausfällen von Chips und den Strukturveränderungen bei einzelnen Arbeitsschritten bestehen. Vor vier Jahren gründete sich daher an der TU Bergakademie Freiberg die Arbeitsgruppe um Professor Niklas. Ihr Ziel war es, diese grundsätzlichen Fragen der Halbleiterindustrie zu bisher nicht messbaren Materialeigenschaften zu beantworten.
Die Wissenschaftler entwickelten zwei Methoden, mit denen elektrisch wirksame Fehler von Halbleiter-Wafern berührungs- und zerstörungsfrei aufgespürt werden können. Mit Hilfe von Laserlicht werden dazu in dem Material elektrische Ladungsträger erzeugt. „Ihre Menge kann man messen durch Absorption von Mikrowellenstrahlung“, berichtet Niklas.
Die beiden Messverfahren der Freiberger ergänzen sich: Über die mikrowellendetektierte Photoleitfähigkeit (microwave detected photoconductivity – MDP) lassen sich Lebensdauer und Beweglichkeit der Ladungsträger feststellen. Mit Hilfe der so genannten Stromtransientenspektroskopie (microwave detected photo induced current transient spectroscopy – MD-PICTS) können die Wissenschaftler anschließend die Defekte genauer spezifizieren.
Diese Messmethoden gestatten erstmals berührungs- und zerstörungsfrei die detaillierte Analyse der elektrischen Eigenschaften von Wafern und darauf abgeschiedenen dünnen Oberflächenschichten, so genannten Epitaxieschichten. Gemessen wird schnell sowie mit hoher Empfindlichkeit und Ortsauflösung. Damit ergeben sich neben neuen Möglichkeiten in der Grundlagenforschung auch vielfältige Ansatzpunkte zur Optimierung und Überwachung der Fertigung in der Halbleiterindustrie.
Die ersten Schritte gelangen den Forschern in Zusammenarbeit mit dem einzigen europäischen Hersteller von Galliumarsenid-Wafern, Freiberg Compound Materials. Auch andere Firmen der sächsischen Halbleiterindustrie, wie Siltronic AG, ZMD Dresden oder die Deutsche Solar AG kooperierten gern.
„Die Messgeräte haben wir in allen Details selbst entwickelt“, sagt Niklas. „Diesen Know-how-Vorsprung wollen wir weiter nutzen.“ Der Impuls für die Firmengründung kam dann aus der Industrie: Die Deutsche Solar AG will das Verfahren im neuen Werk einsetzen, das 2006 in Freiberg seinen Betrieb aufnehmen soll. Durch die Untersuchung der Wafer, aus denen Solarzellen hergestellt werden, können in der Fertigung schon zu einem frühen Zeitpunkt wesentliche elektrische Merkmale des späteren Endprodukts ermittelt werden.
Zudem können die Produktionsabläufe so optimiert und aufeinander abgestimmt werden, dass sich der Wirkungsgrad der Solarzellen verbessert. Ein weiterer Vorteil der neuen Methode: Sie kann inline eingesetzt werden, d. h. während der laufenden Produktion. Im zukünftigen Werk der Deutschen Solar soll die innovative Messtechnik pro Sekunde und Produktionsstrecke einen Wafer prüfen.
ANKE MÜLLER
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