AMD-Gründer Jerry Sanders geht in Rente
Mit Walter Jerry Sanders III verlässt eine schillernde Figur die Silicon-Valley-Bühne. Sein Nachfolger an der Spitze von AMD ist der eher leise auftretende Hector Ruiz.
Kann das möglich sein? Jerry „Forever Young“ Sanders, der kultige Turbo-Salesman und Gründer des zählebigen Chipherstellers AMD, kommt ins Rentenalter. Und, wer hätte das gedacht, der flamboyante, charismatische Silicon-Valley-Pionier, nie um eine Finte oder einen markigen Spruch verlegen, geht ruhig und diszipliniert. Er zieht sich zurück auf seine Position als Chairman im gemächlicheren Verwaltungsrat.
Für Sanders, den Tough-Boy aus Chicago, den Muskelprotz am kalifornischen Venice Beach, den verhinderten Hollywood-Moviestar, der es zum einzigen anerkannten Rivalen des PC-Prozessorherstellers Intel geschafft und sich über 30 Jahre in dieser Position gehalten hat, ist das sicher schwer. Aber Sanders als Rentner – das darf es für den blendend aussehenden, immer gut gelaunten spirituellen Vorturner der ewigen Erneuerung durch Hightech-Innovation nicht geben. Als Firmenpatriarch steht er jetzt über dem Holterdiepolter des Tagesgeschäfts. Aber: „Die Reise ist nicht zu Ende, das Abenteuer geht weiter“, so sagte er am 23. April seinen Aktionären in New York ein geradezu besinnliches Goodbye.
Sicher kann man ihm auch weiterhin unverhofft begegnen: auf der Beverly-Hills-Flaniermeile Rodeo Drive, mit glamouröser Begleiterin und in feinstes Tuch gewandet, zwei stämmige Herren in gut gefüllten dunklen Anzügen im Synchronschritt hinterher – sein Haarschopf, die Augenbrauen und der exakt gestutzte Schnäuzer so weiß, weiß, weiß, dass man nur im Stillen zu denken wagt, ob das Natur ist oder kosmetisch entfärbt.
Trotz aller Clownerien: Was Sanders“ Weg seit 1969 geprägt hat, ist knochenharte Rivalität. Wie alles im Silicon Valley. Doch er hat sich immer am Besten aller Rivalen orientiert: am Markt- und Technologieführer Intel. Zunächst in expliziter Reverenz gegenüber seinem Vorbild und Mentor Robert Noyce, dann im verbissenen Durchhaltekampf mit dessen Nachfolger Andy Grove – selbst eine angebetete Ikone im Universum der Chips.
Der Knackpunkt zwischen Intel und AMD kam Ende der 80er Jahre. Da wollte Intel den routinemäßigen „Second-Source“-Patentaustausch für die Prozessorfamilie X86 aufkündigen. So richtig eskalierte der Streit nach AMDs Nachahmung von Intels PC-Prozessor 386. Nur ein beherzter Schiedsspruch rettete 1992 Sanders“ Lebenswerk vor dem Nichts.
Vier Jahre und teure Technologie-Zukäufe kostete es, bis Sanders mit eigenen Designs, K5 und K6, mithalten konnte. Seitdem liefern sich beide Firmen einen Innovationswettlauf zu Gunsten ihrer Kunden im Sinne von Schumpeters kreativer Destruktion. Im Moment liegt Intel zumindest numerisch vorn, mit dem 2,53-Gigahertz-Pentium 4. AMDs „Clawhammer“ soll erst nächstes Jahr die 2 GHz überschreiten.
Dazu braucht es eine ruhige Hand: die des Nachfolgers Hector Ruiz. Mit 56 ist Ruiz zehn Jahre jünger als der profilbewusste Sanders – der auch generös sein kann: Immerhin genossen die AMD-Mitarbeiter (wie bei IBM und HP) bis weit in die 80er Jahre – ehe die Globalisierung griff – einen Kündigungsschutz nach beinahe europäischem Muster. Und bei aller Disziplin hat Sanders stets ein freundliches Wort parat. So half er vor 30 Jahren dem Schreiber dieser Zeilen, blutiger Anfänger im Journalistenmetier, über die ersten Hürden: Er leitete das Interview mit der munteren Bemerkung ein, seine Frau habe sich gerade einen richtig luxuriösen Pelzmantel geleistet. Fazit: Geld zu haben ist gut. Noch besser ist, es auszugeben.
Ruiz, seit zwei Jahren COO (Chief Operating Officer) bei AMD und seit dem 25. April nun neuer CEO, ist aus anderem Holz geschnitzt: ernst, leise, konzentriert – und von seiner Position bei Motorola SPS als harter Zahlenfuchs und Jobcutter bekannt. Ruiz hat eine schwere Aufgabe vor sich. Er muss den Giganten Intel in Atem halten und zugleich für AMD Gewinne machen. Ein Fertigungs-Deal mit der taiwanesischen Chipschmiede UMC für 300-mm-Wafer ist der Anfang. Enge Kooperation mit dem Windows-Monopolisten Microsoft ist der nächste Schritt. So langsam baut Ruiz sein eigenes loyales Führungsteam – meist aus Kollegen bei Motorola. Das ist im Silicon Valley Brauch. Insofern bleibt alles beim Alten. W. SCHULZ
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