Industrie 28.07.2000, 17:26 Uhr

„All business is local“ -auch im Internet-Zeitalter

Starke nationale Verbände bilden, so ZVEI-Präsident Dietmar Harting, die Wurzel, auf dem sich supranationale Organisationen entwickeln können. Im folgenden Interview skizziert er die Zukunft des Zentralverbandes der Elektrotechnik und Elektronikindustrie. (ZVEI)

VDI nachrichten: Herr Harting, herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl als ZVEI-Präsident. Was sind die Eckpunkte Ihrer Politik für die nächsten beiden Jahre?
Harting: Die Eckpunkte meiner Politik werde ich nicht alleine entwickeln, sondern wir werden über die Methode der Visionsentwicklung weite Teile des Verbandes in den strategischen und visionären Prozess einbeziehen. Nur so stoßen wir die Tür zu einer breiten Akzeptanz der Maßnahmen auf.
VDI nachrichten: Dem ZVEI wird nachgesagt, er sei ein Verband am Zügel der Großindustrie. Können Sie als mittelständischer Unternehmer diese Unternehmen repräsentieren?
Harting: Das Denkmodell, das hinter Ihrer Frage steht, ist nicht mein Denkmodell. Wir leben in einer Zeit der Vernetzung, und darin ist Größe ein relativer Begriff. Schließen sich 20 oder 30 Unternehmen mittelständischer Größe zusammen, bilden die auch ein großes Unternehmen, jedoch auf Zeit ausgelegt und an einer Aufgabe ausgerichtet. Ich denke, dass wir beide Aspekte in einer funktionierenden Wirtschaftsordnung brauchen: Das große, internationale Unternehmen und den lokalen Mittelstand. Ich sehe die bis heute sehr erfolgreiche Wirtschaftsstruktur als Grundlage meiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Mein eigenes Unternehmen hat eine Größe von 2 200 Mitarbeitern, wir sind weltweit präsent und in einer hochtechnologischen Branche aktiv. Mit dieser Größe stecken wir gewissermaßen „zwischendrin“. Gleichwohl sehen wir uns als Mittelstand, da sich das Unternehmen in Familienbesitz befindet. so dass die Internationalität und die Größe unseres eigenen Unternehmens mir keine Probleme mit der Interessenvertretung auch großer Mitgliedsunternehmen bereitet.
VDI nachrichten: Was interessiert einen Global Player der deutsche Markt?
Harting: Sie sprechen ein Grundsatzthema – das Selbstverständnis der Industrie an. Ich denke, es gibt kein physisches Leben im virtuellen Raum. Jeder ist schon historisch gesehen irgendwo „local“. Nehmen Sie traditionelle Marken wie Coca Cola, Sony, Samsung oder Siemens. Jede dieser Marken wird mit einem Staat assoziiert. Ich verstehe, dass es momentan en vogue ist, gerade unter der Prämisse der Globalisierung die Heimatlosigkeit der Konzerne anzusprechen. Gemeint ist damit die Verantwortungslosigkeit, die den industriellen Unternehmen unterstellt wird. Lassen Sie mich dazu klar Position beziehen: Die Führungsetagen der Unternehmen werden nicht von heimatlosen Gesellen geprägt, sondern von Menschen, die sich einer großen Verantwortung stellen. Sicher gibt es auch hier Ausreißer, aber im Großen und Ganzen können Sie kein Unternehmen führen, das sich gegen eine Bevölkerung, gegen ein Gemeinwesen wendet – nicht lokal und am Ende auch nicht global.
VDI nachrichten: Lassen Sie mich eine ketzerische Frage stellen. Die Initiative D 21 zeigt doch, gerade im Wettbewerb mit dem neuen BITKOM, den Sie ja mitgegründet haben, wie die Vermarktung von Interessen heute funktioniert. Ist der ZVEI methodisch ein Auslaufmodell?
Harting: Ich mag ja Fragen, die auch eine provokative Komponente haben, leider aber liegen die Dinge nicht so einfach, als das man sie immer mit einem knappen Ja oder Nein beantworten könnte. Der BITKOM ist entstanden, um die IT-Industrie zu organisieren. Sehr viele Verbände wirkten in die gleiche Richtung – eine Zersplitterung der Kräfte. Klares Ziel des BITKOM ist es, diese Zersplitterung zu beenden und für eine wirkungsvollere Außenvertretung zu sorgen. Reflektiert man die Zukunft der Verbände, so schafft die Initiative tatsächlich ein Beispiel, wie konzentriert ein einzelnes Thema im politischen und medialen Raum vorangebracht werden kann. Ein Verband ist etwas anderes. Er kümmert sich um einen ganzen Scope von Themen auf einer langfristigen Grundlage.
VDI nachrichten: VDMA und ZVEI haben mehrfach versucht zu fusionieren. Sind Sie der Präsident, der die Fusion schafft?
Harting: Ich bin nicht der Präsident mit dem strategischen Ziel der Fusion. Vielmehr ist meine Aufgabe, den ZVEI neu auszurichten und mit einer attraktiven und erkennbaren inneren und äußeren Struktur den Wandel zu einem Verbandsmanagement zu schaffen, das die Zeichen der Zeit aufgreift und proaktiv umsetzt. Ich denke, dass die traditionelle Konturierung und Institutionalisierung der Verbände, insbesondere der großen Fachverbände zu überdenken ist. In den Vordergrund rückt thematische Arbeit und nicht die Eigenorganisation. Ich will ein Beispiel nennen: Wir haben im ZVEI neben der Automation auch Themen wie „intelligentes Haus – smart house“ als Kernthema defi-niert. Dieses Thema kann man nur dann relevant bearbeiten, wenn Inhalte repräsentiert werden. Dies betrifft, im konkreten Fall die Heizungstechnik, die Sicherheitstechnik, das Gebäudemanagement und Softwarefragen bis hin zur Sanitärinstallation. Verbände müssen sich aus einer reaktiven in eine aktive Lage hinein verändern, dann gelingt es Ihnen einen „added value“ zu erreichen, den nur sie abbilden können.
VDI nachrichten: Sie haben einen neuen Fachverband Automation gegründet. Dieser steht in direktem Wettbewerb zu den Automationsbemühungen des VDMA. Wie soll das ein Mitglied verstehen? Oder bereiten Sie die ZVEI/VDMA-Fusion inhaltlich vor?
Harting: Diese Frage ist ja nichts anderes als die Verlängerung der vorherigen Frage. Die innovativen Ansätze, die wir im ZVEI auf den Weg gebracht haben, sind erklärungsbedürftig, und sie verlangen auch von den Mitgliedern ein neues Verständnis ihres verbandlichen Engagements. Es ist ein bisschen auch ein semantisches Problem, sich begrifflich abzugrenzen. Der Fachverband Automation im ZVEI führt die Anbieter von Hard- und Software von Produkten, Systemen und technologiebezogenen Dienstleistungen zusammen, die die Automation von Maschinen und Anlagen ermöglichen. Hierzu gehören die Hersteller von Elektromotoren ebenso wie das Engineering-Unternehmen, das zum Beispiel während der Entwicklung wichtige Automationsentscheidungen trifft oder den Softwarehersteller, der eine Bedieneroberfläche für ein flexibles Automatisierungssystem entwickelt. Die hier anstehenden Aufgaben packen wir jetzt an und gewinnen themenzentriert die notwendigen Partner und neuen Mitglieder. Ausgangspunkt des VDMA sind hingegen die Anwendermärkte im Maschinen- und Anlagenbau.
VDI nachrichten: Die Musik in der Zukunft spielt international. Ist ein nationaler Verband überhaupt noch à jour?
Harting: Eine ganz wichtige Frage. Die politische Administration hat durch den Aufbau der europäischen Strukturen gewissermaßen „vorgelegt“. Die fachlichen Verbände müssen diese neue Konzentration politischer Macht in einer eigenen Präsenz abbilden, hier besteht Handlungsbedarf, eine Aufgabe, die auch den ZVEI fordert. Gleichwohl bin ich der Meinung, dass starke nationale Verbände die Wurzel bilden, auf dessen Grundlage sich eine effiziente europäische, hiernach supranationale Organisation entwickeln kann. Ich denke, trotz Internet, bleibt es bei dem Satz „all business is local“, DIETMAR HARTING
Dietmar Harting, ZVEI-Präsident: „Die Führungsetagen der Unternehmen werden nicht von heimatlosen Gesellen geprägt, sondern von Menschen die in einer großen Verantwortung stehen.“

 

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