Innovative Chemie kann sich weltweit behaupten
VDI nachrichten, Karlsruhe, 22. 10. 04 – Der Globalisierungsdruck auf die deutsche Chemie nimmt rasant zu. Obwohl schon jetzt fast 30 % des Umsatzes mit Produktinnovationen erzielt werden, zeigte die Dechema/GVC-Jahrestagung in Karlsruhe deutlich, dass die Anstrengungen in Forschung und Entwicklung noch intensiviert werden müssen, um der Gefahr des Abwanderns von Arbeitsplätzen wirksam begegnen zu können.
$bild2$Ein Drittel der Arbeitsplätze in der Chemischen Industrie in Deutschland ist gefährdet und könnte binnen der nächsten zehn Jahre wegfallen. Zu vernehmen war diese Befürchtung am 12. Oktober in Karlsruhe auf der Dechema/GVC-Jahrestagung. Ursache sei der enorme Wettbewerbsdruck aus Schwellenländern. Denn dort verstehe man sich auf die Produktion von Standardchemikalien inzwischen ebenso gut wie in den traditionellen westeuropäischen Industrienationen.
Licht gibt es allerdings auch: Die schlimmen Szenarien bräuchten nicht Realität zu werden, meint Dr. Alfred Oberholz. Denn der Vorsitzende der Dechema – Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, Frankfurt/Main, sieht durchaus Chancen darin, diese Abwanderung zuzulassen und statt dessen Stoffe anzubieten, die einen zusätzlichen Wert generieren, indem diese insbesondere spezielle Probleme der der Chemieindustrie-Kunden lösen.
Ganz im gleichen Tenor sieht auch Prof. Norbert Schadler, der Vorsitzende der VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC), Düsseldorf, gute Perspektiven für die Prozessindustrie am Standort Deutschland. Nötig dafür seien aber weitere Innovationen bei Produkten und Leistungen, wiewohl die Prozessindustrie schon jetzt 29 % des Umsatzes mit Produktinnovationen erzielt, weiß Schadler und nennt dafür Beispiele: Flüssigkristalle, Komponenten für Speichermedien und Lacke, aber auch neue Verfahren im Anlagenbau und Dienstleistungen zur Steigerung der Produktivität. Innovation findet laufend statt, und laut einer Studie vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, ist die Chemieindustrie Deutschlands innovativste Branche. Freilich weiß im Einzelfall niemand, ob am Ende der Innovationskette auch der Markterfolg steht.
Besonders fruchtbar sind für Oberholz, Innovationen an der Schnittstelle verschiedener Fachdisziplinen. Große Hoffnungen setzt das Vorstandsmitglied der Degussa, Düsseldorf, auf Bio- und Nanotechnologie – typische Querschnittsgebiete. Auch Verfahren zum Senken oder Abtrennen des Treibhausgases Kohlendioxid gelten als innovativ. Denn mit hierfür entwickelter Technologie in chemischen Prozessen, in der Stahl- und Zementindustrie oder in Kraftwerken lassen sich neue Märkte erschließen, ergänzt Prof. Dr. Bernd Neukirchen Geschäftsführer der Steag, Essen.
„Wir tun nicht genug dafür“, bemängelt Oberholz trotzdem und nennt als Beispiel die zu geringe Forschungsförderung. Das gilt freilich nicht nur für staatlich finanzierte Forschung, wenn man sich die Zahlen anschaut. Denn obwohl die Chemische Industrie in Deutschland im Jahr 2003 knapp 8 Mrd. € in Forschung und Entwicklung (F&E) investierte, was einen Anstieg von 5 % und 8 % gegenüber den beiden Jahren zuvor und damit einen neuen Höchststand bedeutete, gilt eine weitere Steigerung als zwingend. Das zeigt sich am Ländervergleich: Während die USA im Jahr 2002 rund 3 % des Produktionswertes in F&E investierten und Japan 2,6 %, waren es in Deutschland lediglich 1,9 %. Auch in der Chemieproduktion ist die Bundesrepublik inzwischen zurückgefallen und rangiert jetzt auf Platz 4, seit Deutschland hinter den USA und Japan mit China den Platz getauscht hat.
Mit am erfolgreichsten in der deutschen Chemielandschaft erwies sich in den letzten Jahren die BASF-Strategie dem Wettbewerbsdruck der ausländischen Konkurrenz gewachsen. Das Management des Ludwigshafener Konzerns hielt konsequent am weiteren Ausbau seines integrierten Verbundsystems in der Chemieproduktion fest und pflegt auch beim Aufbau großer Produktionsanlagen in China, teils mit dortigen Partnern, weiter die Integration.BERND EUSEMANN/Si
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