„Wir wollen keine Menschen klonen“
Vor vier Wochen wurde „Uschi“, Deutschlands erstes Klon-Kalb aus Zellen eines erwachsenen Tieres, geboren. Von dieser Art des Klonens erhofft sich Prof. Eckhard Wolf, Leiter des Instituts für Tierzucht der Uni München, einen Weg zu neuen Medika-menten und Spenderorganen.
VDI nachrichten: Warum klonen Sie Kälber, Herr Prof. Wolf?
Wolf: Mit der Klonierung kann man genetisch identische Tiere erzeugen, an denen sich untersuchen läßt, welche Eigenschaften des Tieres genetisch und welche durch die Umwelt bedingt sind. Außerdem wollten wir mit unserem Experiment beweisen, daß das, was uns die Schotten 1997 mit dem Schaf „Dolly“ vorgemacht haben, tatsächlich funktioniert.
VDI nachrichten: Wo liegt denn das Neue der Methode?
Wolf: Neu ist, daß man das Erbgut einer ganz normalen Körperzelle dazu bringt, sich so zu verhalten, daß sich daraus ein ganz neuer Organismus bilden kann.
VDI nachrichten: Ist Uschi gesund?
Wolf: Das Kalb zeigt sich von der besten Seite. Es ist absolut gesund und munter. Es gibt keine Anzeichen dafür, daß dem Tierchen irgendwas fehlt.
VDI nachrichten: Warum haben Sie sich für das Rind und nicht wie die Schotten für das Schaf als Versuchstier entschieden?
Wolf: Es war für uns interessant, zu beweisen, daß das schottische Experiment nicht nur beim Schaf, sondern auch beim Rind funktioniert.
VDI nachrichten: Wie lange haben Sie experimentiert, bis das Klonen mit der neuen Technik funktioniert hat?
Wolf: Wir haben rund ein Jahr gebraucht. Das ist ein kurzer Zeitraum, wenn man bedenkt, daß das Rind eine Tragezeit von neun Monaten hat. Uschi ist allerdings nicht das erste von uns geklonte Kalb. Mitte letzten Jahres wurde bereits ein Kalb geboren, das wir aus fötalen Bindegewebszellen geklont haben.
VDI nachrichten: Kaum zu glauben, daß beim Klonieren alles so reibungslos läuft. Sind Sie über keine Probleme gestolpert?
Wolf: Der Versuch mit Uschi ist wirklich reibungslos verlaufen. Wobei ich sagen muß, daß wir zwei der Embryonen austragen ließen und einer davon durch eine Störung bei der Ausbildung der Plazenta abgestoßen wurde. Aber es gibt durchaus Probleme beim Klonen von Kälbern. Japanische Forscher haben kürzlich acht genetisch gleiche Kälber produziert. Davon sind vier gestorben, und bei den übrigen gab es große Unterschiede im Körpergewicht. Es ist eben noch wenig darüber bekannt, wie die Aktivität der Gene geregelt wird. Wie Gene aktiviert und deaktiviert werden, wollen wir in der nächsten Zeit erforschen. Daß man darüber Bescheid weiß, ist unbedingt notwendig, bevor man geklonte Tiere in Serie produziert.
VDI nachrichten: Ist die Methode auf alle Organismen übertragbar?
Wolf: Das wissen wir nicht. Ganz so einfach ist es wohl nicht, denn sonst gäbe es längst klonierte Schweine.
VDI nachrichten: Sie haben nun nachgewiesen, daß die Methode funktioniert. Ist damit die Tür zum Klonen des Menschen geöffnet?
Wolf: Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Weder die schottischen Kollegen noch wir wollen Menschen klonen. Die Technik des Kerntransfers bei Säugetieren existiert im Prinzip schon seit 1986. Die Klonierung von Amphibien ist schon seit etwa 1950 möglich, und in der ganzen Zeit ist diese Technik meines Wissens nie dafür verwendet worden, Menschen zu klonieren.
VDI nachrichten: Was bringt das Klonen von Tieren dem Menschen? Wann ist mit den ersten Medikamenten beispielsweise aus der Milch klonierter Tiere zu rechnen?
Wolf: Man kann aus der Milch gentechnisch veränderter Tiere beispielsweise Eiweißstoffe gewinnen, die als Arzneimittel interessant sind. Es gibt bereits solche Medikamente, die sich in der Erprobungsphase befinden, z.B. das sogenannte Alpha-Eins-Antitrypsin gegen Lungenemphysem, also Luftansammlung im Gewebe. Hier wäre es interessant, diese Tiere auf dem Weg des Kerntransfers zu erzeugen, was effizienter ist als der bisherige Weg.
VDI nachrichten: Viele erhoffen sich von geklonten Tieren die Erzeugung menschlicher Spenderorgane.
Wolf: Das Schwein zum Beispiel wird tatsächlich heiß diskutiert als Lieferant für Herz, Nieren und insulinproduzierende Zellen der Bauchspeicheldrüse. Dafür muß das Schwein jedoch genetisch so verändert werden, daß die von ihm gebildeten Organe nach der Transplantation vom Menschen nicht abgestoßen werden. Außerdem muß gewährleistet sein, daß mit dem neuen Organ keine Krankheiten übertragen werden.
VDI nachrichten: Welche Länder arbeiten noch an der Klonierung?
Wolf: Die bekanntesten sind wohl Schottland, die USA und Japan, aber auch Frankreich und Neuseeland arbeiten an der Klonierung. Ich vermute, daß es wohl schon viele klonierte Tiere gibt, über die noch nicht wissenschaftlich publiziert wurde.
VDI nachrichten: Wie geht es bei Ihnen in München weiter, was geschieht mit den 19 noch eingefrorenen, mit Uschi identischen Embryonen?
Wolf: Diese Embryonen wollen wir zunächst einmal eingefroren lassen. Wir können sie in Stickstoff über mehrere Jahre hinweg lagern. Uns interessiert jetzt herauszufinden, warum die Klonierung in einigen Fällen funktioniert und in anderen nicht. Wir wollen untersuchen, worin sich durch Kerntransfer entstandene Embryonen von Embryonen unterscheiden, die durch normale Befruchtung entstanden sind. Wir haben auch mit Experimenten begonnen, Schweine zu klonieren.
Mit Prof. Eckhard Wolf sprach Elke Bodderas
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