Gentechnik 06.12.2002, 18:22 Uhr

Der Cornflakes-Kampf

Ein Silo voll Soja ist mit Spuren von gentechnisch manipuliertem Mais verunreinigt, der einen Impfstoff gegen ein Schweinevirus bildet. Das bringt in den Staaten nun sogar die Ernährungsindustrie auf – darunter die letzten Verfechter der grünen Gentechnik.

Das hätte nicht passieren dürfen: Die US-Landwirtschaftsbehörde für Pflanzenhygiene (Aphis) hat Spuren von gentechnisch verändertem Mais in einem Silo voller Sojakörner gefunden. Eigentlich nichts Ungewöhnliches in einem Land, in dem bereits rund ein Drittel der Maisernte und drei Viertel der Sojaernte von transgenen Pflanzen stammen. Doch der Fall ist skandalös, denn der transgene Mais ist ein Produkt der Biotech-Firma Prodigene. Er bildet in seinen Zellen einen Impfstoff gegen eine Viruskrankheit bei Schweinen und hätte darum niemals mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen dürfen.
Unachtsam ist ein Bauer im Bundesstaat Nebraska gewesen. 2001 hatte er mit einem Vertrag von Prodigene in der Tasche den Gen-Mais auf einer kleinen Fläche angebaut. Als er in diesem Jahr auf dem gleichen Feld Soja einsäte, übersah er offenbar ein paar vereinzelte Pflanzen aus dem Vorjahr: Teile des Maises gelangten in seine 13 t Erntegut, die zusammen mit weiteren 13 000 t Soja in ein großes Silo gefüllt wurden. Dort entdeckten Aphis-Kontrolleure die Kontamination. Auf Anordnung des US-Landwirtschaftsministeriums wurde der gesamte Silo-Inhalt konfisziert.
Die klassische Kampagnen-Reaktion der Gentechnik-Kritiker folgte sofort. Ihr Argument: Frei wachsende Pflanzen, in denen pharmazeutische Wirkstoffe produziert werden, könnten sich leicht in der Umwelt ausbreiten und samt eingebauter Medizin in die Nahrungsmittelkette gelangen. „Es reicht ein Fehler einer Biotech-Firma, und wir essen die Medikamente anderer Leute mit unseren Cornflakes“, sagt Larry Bohlen vom US-Umweltverband Friends of the Earth.
Auch die US-Lebensmittelindustrie ist vom Prodigene-Vorfall geschockt. Bislang offen gegenüber der grünen Gentechnik – in der Erwartung, die Pflanzen so verändern zu können, dass sie besser schmecken, länger halten und keine allergischen Reaktionen bei den Konsumenten hervorrufen, – bereitet den Konzernen nun die Vorstellung Bauchschmerzen, Impfstoffe, Antikörper oder Hormone könnten im Lebensmittelregal auftauchen.
Sie fürchten neue Lebensmittelskandale, die den Fall „Star-Link“ weit übertreffen könnten. Im Sommer 2000 war die transgene Maissorte Star-Link, die nur zur Fütterung von Tieren zugelassen ist, in Taco-Chips und anderen Produkten entdeckt worden. Die Rückrufaktion kostete die Hersteller mehrere hundert Millionen Dollar.
„Was passiert, wenn eines Tages die Pharma-Pflanzen auf zehntausenden Hektar wachsen?“, fragt Rhona Applebaum, Vizepräsidentin des US-Verbands der Nahrungsmittelverarbeiter (NFPA). Sie fordert: „Keine Freiland-Tests mehr, solange es keinen 100%igen Schutz vor unkontrollierter Verbreitung gibt.“
Auch die weltweit größte Nahrungsmittelhersteller-Vereinigung „Grocery Manufacturers of America“ (GMA) bringt sich gegen das Molecular Farming in Stellung. „Wir bitten die Biotech-Industrie eindringlich, nur Pflanzen zur Pharma-Produktion zu nutzen, die nicht der Ernährung dienen“, sagt GMA-Sprecher Karil Kochenderfer.
Ein Wunsch, über den die betroffenen Unternehmen müde lächeln. Sie profitieren von den hohen Erträgen, die die pflanzlichen Arzneiproduzenten bringen. Zudem haben die Firmen bereits viel Zeit und Geld in die aufwändige Zucht investiert. „Der Mais ist nun mal das beste Produktionssystem“, sagt Anthony Laos, Chef von Prodigene. „Bis wir so weit waren, hat es fast 20 Jahre gedauert.“
Laos erklärte sich allerdings bereit, 2003 keine Versuchsfelder mehr in den klassischen Mais-Anbaugebieten anzulegen: im „Corn-Belt“ im mittleren Westen der USA. Gemeinsam mit der übrigen US-Biotech-Industrie hatte das Unternehmen Mitte Oktober ein Moratorium unterzeichnet, in dem es verspricht, ab 2003 transgene Pharma-Pflanzen von den Getreidegürteln der USA und Kanada fern zu halten. Die Versuchsfelder sollen stattdessen in entlegene Regionen wie Hawaii oder Arizona verlegt werden.
Vertraut die Biotech-Industrie ihren eigenen Sicherheitsbeteuerungen nicht mehr? Mit dem Moratorium gehen die Biotech-Unternehmen weit über die offiziellen Regelungen für Molecular Farming hinaus. Bislang hat das US-Landwirtschaftsministerium nichts dagegen, wenn gentechnisch veränderte Pharma-Pflanzen in den „Kornkammern“ des Landes wachsen. Es gibt nur Vorschriften bezüglich regelmäßiger Kontrollen, Sicherheitsabständen zu anderen Feldern und Saatzeiten. So müssen Testfelder mit transgenen Pharma-Mais stets 21 Tage vor oder nach dem Anbau benachbarter Maisfelder angelegt werden, um Überschneidungen in der Blüte und das Risiko einer Auskreuzung der Pflanzen zu minimieren.
Der Cornflakes-Skandal schadet bisher nur Prodigene. Die Firma erklärte sich bereit, den gesamten Silo-Inhalt aufzukaufen und zu vernichten, was sie mehr als 2 Mio. Dollar kosten wird. Zudem muss sie eine gesetzliche Strafe von 500 000 Dollar zahlen.
LUCIAN HAAS

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