Bau 04.06.1999, 17:21 Uhr

Vom Flugzeug in den ICE-Zug

Am Rhein-Main-Flughafen zwischen Bundesstraße Frankfurt-Mainz und Autobahn Frankfurt-Köln wurde der noch im Bau befindliche Fernbahnhof bereits jetzt in Betrieb genommen. Er gestattet das reibungslose Umsteigen vom Flugzeug in den IC und ICE.

Als erster deutscher Airport verfügt jetzt der Flughafen Frankfurt am Main über einen Anschluß an das ICE-Netz der Deutschen Bahn. 440 Mio. DM hat der Bau des neuen Bahnhofs gekostet, 30 Mio. DM mehr als bislang angegeben. Dafür verfügt der Flughafen über einen Bahnanschluß, der nur dem Fernreiseverkehr vorbehalten bleibt. So kann sich die Bahn in der bisherigen Tunnelstation jetzt ganz auf den Regionalzugverkehr konzentrieren.
Die rund 800 m lange und bis zu 70 m breite Anlage des neuen, ebenerdigen ICE-Bahnhofs liegt auf einem schmalen Geländestreifen zwischen Bundesstraße 43 (Frankfurt – Mainz) und der parallel verlaufenden Autobahn A 3 (Frankfurt – Köln). Den Kern bildet die rund 700 m lange und bis zu 65 m breite Bahnsteighalle, in der an zwei Inselbahnsteigen vier Gleise liegen. Die Hallendecke, eine Betonplattform, bildet zugleich das Fundament für die geplante, bis zu siebenstöckige Bebauung durch die Flughafengesellschaft FAG. Vorgesehen sind Hotels, Büros, Gastronomie, ein Konferenzzentrum und ein Entertainment-Bereich.
Die Plattform ruht auf 43 stählernen Fachwerkrahmen mit 86 dreibeinigen, schräg stehenden Stützen. Jede ist für eine Belastung von 7500 t bemessen. Insgesamt wurden im neuen Fernbahnhof 13 000 t Stahl und 32 000 m3 Beton eingebaut.
Über der Hallenmitte wölbt sich eine 140 m lange Glaskuppel, die Tageslicht bis zu den Bahnsteigen dringen lassen soll. Vorerst freilich behindern provisorische Bauinstallationen diesen „Lichtblick“. In „abgehobener“ Position zwischen Himmel und Erde mit Blick auf die ein- und ausfahrenden ICE-Züge will sich die Bahn mit ihrer DB-Lounge als dem Flugzeug ebenbürdiges Verkehrsmittel präsentieren. Unter der Kuppel werden die Passagiere bereits an einem improvisierten Reise-Zentrum bedient, ein Service-Point der Bahn steht für Auskünfte zur Verfügung. Auch sonst hat die Bahn alle wesentlichen Dienstleistungen sichergestellt.
Rechtwinklig zu den Gleisen überspannt anschließend der bis zu 80 m breite und 200 m lange Verbindungsbau zwischen Bahnhof und Terminal die Autobahn. Eines Tages werden mit dem Zug ankommende Reisende schon hier ihr Fluggepäck aufgeben, die Bordkarte in Empfang nehmen und die Sicherheitskontrolle passieren können, umgekehrt erreichen Flugpassagiere nach der Ankunft unbeschwert vom Gepäck den Bahnhof. Doch endgültig fertig sein wird dieser „Übergabebereich“ erst in einem Jahr. Bis dahin führt ein gut 200 m langer Umweg durch bestehende Flughafengebäude. Nur die 16 m breite Passage, an der später die Schalter der Fluggesellschaften liegen werden, präsentiert sich bereits im endgültigen Zustand. Mit Einschränkungen soll das komfortable Einchecken im Bahnhof ab Herbst möglich sein.
In der Station „Frankfurt (Main) Flughafen Fernbahnhof“ bieten täglich 84 ICE- und IC-Züge auf vier Linien zahlreiche Direktverbindungen: Die Linie 1 (Hamburg – Köln – Basel) führt zwischen Mainz und Mannheim nicht mehr am Rhein entlang über Worms – Ludwigshafen, sondern über den Frankfurter Flughafen und die neue „Verbindungskurve Zeppelinheim“ zur Riedbahn nach Mannheim. Alle zwei Stunden halten die Züge der Linie 3 von Hamburg über Hannover nach Stuttgart sowohl im Frankfurter Hauptbahnhof als auch am Flughafen dabei müssen sie beidesmal „Kopf machen“, das heißt, die Fahrtrichtung wechseln. Eisenbahner sprechen deshalb von der „Doppelkopflinie“. Die im Zwei-Stunden-Takt befahrenen Linien 5 (Dresden – Köln – Passau) und 10 (Berlin – Köln – Nürnberg) ergänzen sich am Flughafen Frankfurt zum Stundentakt zwischen Köln und Nürnberg. Nach Fertigstellung der Neubaustrecke Köln – Rhein/Main im Sommer 2002 sollen im Fernbahnhof am Frankfurter Flughafen bis zu zehn ICE-Züge stündlich ankommen und abfahren.
Zugleich mit dem neuen Fernbahnhof ist der südlichste Abschnitt der künftigen Neubaustrecke Köln – Rhein/Main bereits „ans Netz gegangen“. Aufgrund seiner zentralen Lage gilt er als Kernstück des deutschen wie des entstehenden europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Nach den Prognosen der Bahn für das Fahrgastaufkommen werden sich hier bis 2010 die Passagierzahlen auf 20 Mio. bis 25 Mio. jährlich mehr als verdoppeln.
Der „südmainische Abschnitt“ mit rund 23 km Länge beginne bei Raunheim im Westen und reiche bis zur Riedbahn Frankfurt – Mannheim, erläutert die Bauleitung der verantwortlichen DB-Projekt Köln-Rhein/Main GmbH. Ein zentraler Teil der neuen Strecke am Flughafen Frankfurt entzieht sich den Blicken: Unmittelbar östlich des neuen Bahnhofs verschwinden die vier Gleise im Tunnel „Frankfurter Kreuz“ und verzweigen sich unterirdisch nach Norden zum Frankfurter Hauptbahnhof und nach Süden Richtung Mannheim. So liege – betont die Bauleitung – unter dem verkehrsreichsten Autobahnkreuz der Bundesrepublik jetzt auch eines der wichtigsten „Eisenbahndreiecke“ der Deutschen Bahn.
Unter schwierigen Verhältnissen mußte die Bahn die Autobahnen des Frankfurter Kreuzes mit teilweise nur 7 m Überdeckung unterfahren. Die Bauausführenden mußten einen 280 m langen Tunnelabschnitt in lockerem Sand-Kies-Gemisch bergmännisch auffahren. Rund 20 000 m3 Beton galt es unter Wasser einzubauen und durch erfahrene Taucher zu kontrollieren. Im Sohlbereich mußte der Tunnel „abgeschirmt“ werden, um das anstehende Grundwasser zu beherrschen.
RALF ROMAN ROSSBERG
Kurzer Wechsel zwischen zwei schnellen Verkehrsträgern: Im neuen Fernbahnhof des Flughafens Rhein-Main halten täglich 84 IC- und ICE-Züge. Wegen der geplanten Überbauung der Station ist die Plattform über den Bahnsteigen 7oo m lang.

Ein Beitrag von:

  • Ralf Roman Rossberg

    Freier Journalist und Buchautor, der im wesentlichen zu Eisenbahnthemen schrieb. Studium der Elektrotechnik in München und Berlin, später viele Jahre im Pressedienst der Deutschen Bundesbahn.

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