Tunnelbohrmaschine „Leonie“ zur zweiten Etappe gestartet
VDI nachrichten, Leipzig, 2. 11. 07, rok – In der sächsischen Metropole Leipzig entsteht gegenwärtig ein Eisenbahntunnel unter der Stadt hindurch. Er wird Ende 2011 die nördlichen und südlichen Strecken des Knotens Leipzig verbinden. Schwierige Randbedingungen machen den Bau zu einem anspruchsvollen Vorhaben.
Der etwa 1,5 km lange Tunnel mit zwei eingleisigen Röhren verbindet den Hauptbahnhof mit dem Bayerischen Bahnhof im Süden der Innenstadt. „Damit erhält der Großraum Leipzig ein ausgedehntes S-Bahn- und Regionalnetz mit mehr als 250 km Strecken- und 400 km Linienlänge“, unterstreicht Hans-Jürgen Lücking, Chef der Deutschen Bahn für den Freistaat Sachsen, die Bedeutung dieses jahrzehntelang geplanten Vorhabens.
„Der Tunnel ist gegenwärtig das größte innerstädtische Infrastrukturprojekt in Deutschland, vielleicht sogar in Europa“, ergänzt Dirk Stecher als Bauherrenvertreter der Deutschen Bahn. Vier neue unterirdische Stationen – Hauptbahnhof, Markt, Wilhelm-Leuschner-Platz und Bayerischer Bahnhof – sind in den vergangenen Jahren in offener Bauweise bereits hergestellt worden und im Rohbau weitgehend fertig. Gegenwärtig werden die Tunnelabschnitte zwischen den Stationen im Schildvortrieb aufgefahren. Begonnen hatte der Bau am 15. Januar beim Bayerischen Bahnhof, am 19. Juni war die Tunnelbohrmaschine „Leonie“ in der 630 m entfernten Station Wilhelm-Leuschner-Platz angekommen.
Das jetzt in Angriff genommene zweite Teilstück liegt dagegen unter einer der Hauptgeschäftsstraßen. Weil sich geringfügige Bewegungen im Untergrund während des Tunnelvortriebs nicht vermeiden lassen, ist ein in diesem Umfang in Deutschland bisher beispielloses Sicherungssystem geschaffen worden: Von mehr als tausend Sensoren werden selbst kleinste Veränderungen im Millimeterbereich erfasst und direkt an den Zentralcomputer der Baustelle übermittelt.
Die Bauherrenfunktion liegt beim Freistaat Sachsen, der sie von der Deges, Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH ausüben lässt. „Es gibt Pläne für mehr als 20 verschiedene Störfälle, die eintreten könnten“, sagt Deges-Prokurist Gundolf Denzer.
Tatsächlich erweist sich der Tunnelbau unter der Leipziger Innenstadt nun jeden Tag aufs Neue als anspruchsvolles Unterfangen. Als kürzlich im Preußergäßchen mitten in der City unversehens ein metertiefes Loch klaffte, blieben zynische Kommentare nicht aus: Nie sei Einkaufen in Leipzig so spannend gewesen wie jetzt. Dabei hatte sich „Leonie“ noch gar nicht wieder in Bewegung gesetzt: Ein Anlieger hatte sie gestoppt, weil er die Bauvorbereitungen über der Trasse an seiner Liegenschaft nicht hinnehmen wollte.
So musste die Tunnelbohrmaschine länger als für die Wartung vorgesehen am Wilhelm-Leuschner-Platz warten. Am 18. September konnte sie nun zur zweiten Etappe starten und ist jetzt im rund 400 m langen Abschnitt zur Station Markt unterwegs. Dort folgt erneut eine Wartungspause, bevor der letzte Abschnitt zum Hauptbahnhof in Angriff genommen wird, wo „Leonie“ im Frühjahr 2008 eintreffen soll.
Michael Menschner, Projektkoordinator der Deutschen Bahn, erläutert einige der schwierigen Randbedingungen: „Eben wegen der tief reichenden Gebäudefundamente liegt die Tunneltrasse bis zu 25 m, im Schnitt 22 m unter der Oberfläche“. Damit taucht der Tunnel tief ins Grundwasser, dessen Pegel in Leipzig durch Flutung von Braunkohletagebauen im Süden der Stadt wieder markant angestiegen sei.
Im eiszeitlichen Geschiebemergel treffe die Tunnelbohrmaschine auf zehn unterschiedliche geologische Schichten. Überwiegend seien es Kies, Sand und Lehm mit Einlagerung größerer Findlinge, auch eine Schicht Braunkohle komme vor. Das lockere Material sei zwar leicht zu durchdringen, aber um so schwieriger zu befestigen. Die Tunnelbohrmaschine gilt deshalb als Hightech-Fabrik unter Tage: „Unmittelbar nach dem Vortrieb muss sie mit Tübbings auch gleich die Tunnelwand herstellen, um die Röhre zu sichern und wasserdicht zu machen. „Acht Tübbings mit 40 cm Wandstärke ergeben einen Ring mit 1,8 m Breite. Der Spalt zum Untergrund wird mit Mörtel verpresst“. Mehr als 13 000 dieser Segmente würden benötigt.
Bislang ist der Tunnel für den Regionalverkehr geplant, eine Nutzung auch für Fernzüge ist jedoch nicht ausgeschlossen die Bahnsteige in der Station Hauptbahnhof lassen sich von 215 m auf 400 m verlängern. Nach Eröffnung des Tunnels voraussichtlich im Dezember 2011 wird der Schienenverkehr im Großraum Leipzig mit seiner Ausstrahlung nach Sachsen-Anhalt und Südwestsachsen eine neue Dimension erhalten. R. R. ROSSBERG
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