23.08.2002, 18:21 Uhr

Tunnel, Brücke, Tunnel: Premiere für deutschen Autobahnbau

Was der deutsche Autofahrer bisher nur bei seinen Italienfahrten kennen lernen konnte, gibt es bald auch in Deutschland. Südlich von Dresden entsteht eine Autobahn, die wie am Golf von Genua von einem Tunnel über eine Brücke in den nächsten wechselt. Es geht um den derzeitigen Bau der A?17 zwischen Dresden und Prag.

Trotz eines eher zähflüssigen Ausbaus des deutschen Fernstraßennetzes wächst in recht zügigem Tempo eine vierstreifige Autobahn an der südwestlichen Peripherie Dresdens in Richtung Prag, die – obwohl gerade Ost-West-Verbindungen fehlen – eine weitere Nord-Süd-Achse für die schnelle Autofahrt erwarten lässt. Die gebirgige Topographie südwestlich der sächsischen Hauptstadt stellt Planer und Ausführende allerdings vor Aufgaben, mit denen bisher vor allem italienische Autobahnbauer in den Alpen und im Apennin konfrontiert waren. So entsteht derzeit eine Fernstraße, die als erste deutsche Autobahn aus einem Tunnel kommend über eine Talbrücke führt, um sofort wieder im Tunnel zu verschwinden: eine Premiere für den deutschen Autobahnbau. Mitte 2004 soll die Tunnel-Brücke-Tunnel-Kombination im Südwesten Dresdens für den Verkehr freigegeben werden.
Es handelt sich um die Fernstraße A?17, die eines Tages dem Autofahrer erlauben wird, ohne Umweg von Berlin aus über Dresden und Prag Wien und Budapest zu erreichen. Im Rahmen dieses Autobahnneubaus entstehen derzeit der 1020 m lange Tunnel Dölzschen, der 2330 m lange Tunnel Coschütz und dazwischen die 220 m lange Weißeritz-tal-Brücke. „Dieser rund 3,6 km lange Abschnitt gilt als der ingenieurtechnisch und baubetrieblich mit Abstand anspruchsvollste Teil der Neubaustrecke,“ urteilt Dipl.-Ing. Josef Escheu, Vorstandsmitglied des mit den Arbeiten beauftragten Bauunternehmens Walter Bau-AG vereinigt mit Dywidag. Im Bereich des Weißeritztals sei das Gelände derart zerklüftet, dass die beiden Tunnelportale gar als Widerlager für das Brückenbauwerk fungieren müssten.
Der Auftrag für das Bauunternehmen umfasst die zwei bergmännisch aufzufahrenden Tunnel und die dazwischen liegende Talbrücke. Die Bauarbeiten begannen im Sommer 2000 gleichzeitig an beiden Tunneln und der Brücke. Unlängst erfolgte im Tunnel Dölzschen der Durchschlag. Dort laufen jetzt die Innenausbauarbeiten. Beim Tunnel Coschütz ist man noch nicht soweit, doch 70?% des Ausbruches ruhen bereits auf Halde. Als relativ weit fortgeschritten präsentiert sich die Weißeritztal-Brücke. Sie ist bis auf den endgültigen Fahrbahnbelag fertig gestellt.
Beide Tunnel – überwiegend im Sprengverfahren vorgetrieben – bestehen jeweils aus zwei parallel verlaufenden Röhren. Sie liegen zwischen 10?m und 40?m unterhalb der Gelände-Oberkante. So wirken im Endzustand auf die Tunnelröhren Kräfte, die dem Druck einer 30 m hohen Wassersäule entsprechen. Die Röhren – alle 300?m durch einen Querstollen verbunden – werden jeweils über zwei Fahr- und einen Standstreifen verfügen.
Der Gesamtausbruchsquerschnitt beider Tunnel beträgt jeweils rund 150?m2. Der Ausbruch erfolgt getrennt in Kalotte (70 m2), Strosse (50 m2) und Sohle (30?m2). „Für jede Sprengung müssen bis zu 160 Bohrlöcher in den Fels getrieben werden“, erläutert Escheu. Durchschnittlich 200 kg Sprengstoff würden hierbei verwendet. Je nach Gesteinsmaterial komme der Sprengtrupp pro Sprengung zwischen 80?cm und 240?cm voran. In der für den Vortrieb zur Verfügung stehenden Zeit zwischen 6 Uhr und 20 Uhr seien bis zu acht Sprengungen möglich, so das Bauunternehmen. Der Ausbruch des gesprengten Materials erfolge rund um die Uhr.
Beim Tunnelausbau wird zuerst die Kalotte (oberer Teil) herausgebrochen. Unmittelbar nach dem Ausbruch erfolgt die Sicherung mittels Spritzbeton. Dann gehen Ausbruch und nachfolgende Sicherungsmaßnahmen nach der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise (NÖT) weiter. Die fertig ausgebrochene Tunnelröhre wird im Zuge des Innenausbaus mit einer Beton-Innenschale versehen, die auf der Außenseite zusätzlich durch eine 3 mm dicke PE-Folie rundum abgedichtet ist.
Überaus anspruchsvoll sei die Felssicherung im Weißeritztal am West-Portal des Tunnels Coschütz gewesen, betont Escheu. Die Felswand mit einer Höhe von bis zu 70 m habe man während der Sprengarbeiten nicht zuletzt deshalb absichern müssen, um den Verkehr auf einer im Tal verlaufenden Straße ungehindert aufrechterhalten zu können. Zudem galt es, ein oberhalb der Felswand errichtetes historisches Gebäude – die denkmalgeschützte Begerburg – durch die Sprengarbeiten nicht zu gefährden. Mit Spezial-
Felsankern habe man – so Escheu – das Baudenkmal absichern können.
Beide Tunnelbauwerke durchfahren überwiegend Gesteinsschichten aus Syenit. Dieses granitähnliche Gestein ist teilweise von höchst unterschiedlicher Qualität, wodurch die Abschlagslänge pro Sprengung zwischen 0,80 m und 2,50 m variieren kann. Die Vortriebsarbeiten verlaufen fast ausschließlich unterhalb des Grundwasserspiegels.
Der gesamte anfallende Tunnelausbruch beläuft sich auf rund 1 Mio. m3. Je nach Eignung wird er in speziellen Anlagen zu Dammschütt- oder Frostschutzmaterial sowie zu Betonzuschlagsstoff verarbeitet. Für die Betonversorgung der Tunnelbauwerke arbeiten an den beiden Tunnelportalen Betonmischanlagen, die eine maximale Betonkubatur von 100?m3 pro Stunde zur Verfügung stellen können.
Die 220 m lange Weißeritztal-Brücke besteht – vergleichbar mit den beiden Tunneln – aus zwei getrennten Bauwerken, ebenfalls mit je zwei Fahr- und einem Standstreifen. Das Bauwerk verläuft zwischen der imposanten Steilwand im Tunnel Dölzschen bis zur Heidenschanze am Tunnel Coschütz oberhalb der bestehenden Straße und einer Bahnlinie. Wie man dies bisher nur in den Alpen oder im Apennin bewundern konnte, bildet die Brücke eine direkte Verbindung zwischen den beiden Tunnelbauwerken. Die Brücke selbst besteht aus einem Stahlhohlkasten und einer quer vorgespannten Fahrbahnplatte aus Beton. Der Stahlhohlkasten wird aus Teilstücken montiert. Bis zu 240 t wiegen die schwersten Elemente der Brücke. Mit einem Spezialkran wurden diese auf die Pfeiler gehoben. Derzeit laufen die Arbeiten für die Fertigstellung der Fahrbahnplatte.
Im Sinne der Verkehrssicherheit werden die Tunnelröhren vor Inbetriebnahme mit einer Längslüftung mittels Ventilatoren ausgestattet. Aufgrund seines starken Gefälles von 3,5 % erhält der Tunnel Dölzschen für die bergauf verlaufende Richtungsfahrbahn eine 50?m lange Pannenbucht.
ELMAR WALLERANG

 

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Ein Beitrag von:

  • Elmar Wallerang

    Redakteur VDI nachrichten. Fachthemen: Hoch- und Tiefbau, Bautechnik.

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