Bau 17.12.2004, 18:36 Uhr

„Schönster Turm der Christenheit“

VDI nachrichten, Freiburg, 17. 12. 04 –
Ein Berliner und Ingenieur in Freiburg? Das erstaunt zunächst eigentlich nicht. Dann aber vielleicht doch – wenn dieser Berliner als Münsterbaumeister amtiert. Immerhin assoziiert man mit Berlin gemeinhin nicht gerade Katholizismus und mit dem Ingenieurstum nicht zwangsläufig gotische Kathedralen.
Doch obwohl bei Manfred Saß, Jahrgang 1933, der Berliner klar herauszuhören ist, so sieht er sich selbst doch ebenso stark mit dem badischen Freiburg verbunden: „Aufgewachsen an der Spree, beruflich sozialisiert an der Dreisam.“ Und da will er auch bleiben, wenn er in ein paar Monaten in den Ruhestand geht. Zum Jahresende 2004 war die Bewerbung um seine Nachfolge ausgeschrieben. „Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist übrigens keine notwendige Bedingung“, so Saß.
„Da war man schon ein Exot“, kommentiert der scheidende Freiburger Münsterbaumeister seinen religiösen Status damals, in seiner Jugend, im Ostteil Berlins: nicht in der FDJ, dafür aber aktiv in der katholischen Jugend.
Den Sohn eines Schlossers faszinierte zwar auch die Welt der Bühnenbildner und die der Flugzeugbauer. Dann aber ging er doch an die Hochschule für Architektur in Weimar. Freilich nur zwei Semester. Es zog ihn zurück nach Ostberlin, von wo aus er in Charlottenburg die TU Berlin besuchte, was damals noch möglich war. Dort schloss er 1959 als Diplom-Ingenieur ab.
Schon 1960 fand er an die Dreisam, ins Universitätsbauamt. „Da merkte ich, dass ich kein geeigneter Beamter bin.“ Also gründete er 1970 eine freie Architektengruppe. Bis 1994 baute er Schulen, Schwimmbäder, Wohnungen und Rathäuser, Büros und Banken.
Manfred Saß ist als Münsterbaumeister also ein Spätberufener. Eine Aufgabe für die Ewigkeit, weil der Münsterbauhütte die Arbeit an den Steinwerken nicht ausgeht – solange das Münster steht. Besonders der Westturm hat es dem scheidenden Münsterbaumeister angetan.
Wer Saß das als „schönsten Turm der Christenheit“ apostrophierte Bauwerk preisen hört, begreift: Hinter den ästhetischen Kategorien sieht sein Ingenieursblick bautechnische Geheimnisse, die wenigstens ebenso faszinieren. Doch, soweit dürfte sicher sein, das Münster wird ihn auch künftig beschäftigen.BERND EUSEMANN

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