Bau 15.12.2000, 17:27 Uhr

Passivhäuser: Zukunftsmarkt oder Zuschussgeschäft?

Ulm macht anderen Städten vor, wie“s geht. Bereits seit 1993 werden alle Neubauten nach dem Niedrigenergiehaus-Standard gebaut, jetzt ging man sogar einen Schritt weiter und baut nur noch Passivhäuser.

Ulm ist eine Vorzeigekommune in Sachen Klimaschutz. Bereits 1993 wurde die Stadt Mitglied im Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder und verpflichtete sich damit, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Der Gemeinderat beschloss für Neubauten grundsätzlich einen verbesserten Wärmeschutz vorzuschreiben – zunächst Niedrigenergiehaus-Standard.
Jetzt ging die Lokalpolitik noch einen Schritt weiter. Für das Neubaugebiet auf dem Eselsberg im Westen der Stadt schrieb die Verwaltung den Investoren Passivhaus-Standard und solare Warmwasserbereitung vor. Motiviert durch die Anerkennung als weltweites Expo-Projekt entstanden innerhalb eines Jahres 106 Eigentumswohnungen in Doppel- und Reihenhäusern in sehr guter Wohnlage.
Die Passivhaus-Siedlung Im Sonnenfeld ist die derzeit größte Passivhaussiedlung in Deutschland. „Mit diesem innovativen Wohnbauprojekt wollten wir zeigen, dass Passivhäuser architektonisch und haustechnisch vielseitig sind und ohne Subventionen zu einem Zukunftsmarkt im Wohnungsbereich werden können“, fasst Frank Meyer, Projektleiter der Stadt aus der Abteilung Umwelt- und Stadtplanung, die Ziele des Projektes zusammen.
Die Stadtverwaltung legte bewusst nur energetische Kriterien für das Quartier fest und ließ den insgesamt acht Bauträgern bei der Gestaltung der Wohngebäude und der Haustechnik freie Hand. Folgende verbindliche Anforderungen wurden in den Kaufverträgen für den Baugrund vorgeschrieben:

  • Heizwärmebedarf max. 15 kWh/m2a
  • Endenergiebedarf für Heizung und Warmwasser max. 40 kWh/m2a
  • Primärenergiebedarf (inkl. Strom) max. 120 kWh/m2a
  • keine Direktheizung mit Strom;
  • Verzicht auf leitungsgebundene Energieversorgermedien (außer Wasser und Haushaltsstrom)
  • 5 m2 Kollektorfläche pro Gebäude.

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Die ersten drei Grenzwerte sind von der Passivhaus-Definition des Passivhaus-Institutes in Darmstadt übernommen, das auch für die Zertifizierung der Häuser zuständig war. Die Stadt Ulm wollte sichergehen, dass die vorgegebenen Standards auch eingehalten werden und entwickelte deshalb ein mehrstufiges Qualitätssicherungssystem. „Denn der Passivhaus-Standard erfordert von der Planung bis hin zur Bauausführung größte Sorgfalt und stellt hohe Ansprüche an Planer, Architekten und Handwerker“, betont Franz Popp von der Abteilung Umwelt- und Stadtplanung in Ulm.
Beispiel Luftdichtigkeit: Wenn die Gewerke sich nicht gut untereinander abstimmen, kann es passieren, dass die vom Fachmann verlegte luftdichte Folie im Dach beim Übergang zu den Außenwänden vom nächsten Handwerker einfach abgeschnitten wird, statt sie sorgfältig mit der luftdichten Schicht der Wände zu verbinden.
Die Ziele der Stadt Ulm beim Projekt Im Sonnenfeld waren hoch gesteckt. Franz Popp fasst sie folgendermaßen zusammen: „Mit der innovativen Neubausiedlung sollte der Nachweis erbracht werden, dass Passivhäuser keine abgehobene Öko-Utopie darstellen, sondern uneingeschränkt markttauglich sind, die sozialen als auch ökologischen Aspekte ausreichend berücksichtigen und den Erfordernissen eines zeitgemäßen Massen-Wohnungsbaus vollauf genügen.“ Konfrontiert man Bauträger und Mitarbeiter der Stadtverwaltung mit diesen Zielen, sind die Reaktionen unterschiedlich.
Projektleiter Frank Meyer ist sehr zufrieden: „Die Anerkennung als Expo-Projekt hat dem Passivhaus-Standard in unserer Region einen großen Auftrieb gegeben. Nachfolgeprojekte sind bereits in Planung“. Zwei private Bauherren haben sich vom Sonnenfeld überzeugen lassen und wollen nun ihre freistehenden Einfamilienhäuser nach den Kriterien des Passivhaus-Institutes errichten.
Die Stadt Ulm plant einen Passivhaus-Kindergarten und die Entscheidung für das erste Vereinsheim im Passivhaus-Standard ist gefallen. Auch im zweiten Bauabschnitt auf dem Eselsberg sollen nach dem Willen der Stadtverwaltung zertifizierte Passivhäuser stehen. Dort werden ab Frühjahr 2001 Privatinvestoren zum Zuge kommen und nach und nach 70 bis 80 WE entstehen.
Doch trotz des großen öffentlichen Interesses sind nicht alle Bauträger mit dem bisherigen Vertriebsergebnis zufrieden. „Zur Zeit geht auf dem Immobilienmarkt gar nichts, und das Bewusstsein für Energiesparen ist noch nicht geweckt“, kommentiert Günther Aubele, Geschäftsführer der Bau- und Siedlungsgenossenschaft Aufbau eG, Ulm, die bisher erst eins der insgesamt 18 Eigenheime verkaufen konnte. Sein Fazit: „Passivhäuser lassen sich noch nicht in großen Stückzahlen absetzen.“
Auch Gerd Maurer, der für die neun „Sonnenhäuser“ der Maurer Komplettbau Ulm GmbH erst zwei Käufer fand, hält Passivhäuser für nicht so leicht verkaufbar. Doch er ist von der Zukunftsinvestition überzeugt: „In fünf Jahren werden die Hälfte aller Häuser in diesem technischen Standard errichtet“.
Entsprechend denkt der Unternehmer bereits weiter. Die Erfahrungen aus dem Projekt am Eselsberg flossen in ein Benutzerhandbuch für potenzielle Passivhausbewohner. Im ersten Teil sind die Besonderheiten des Wohnens im Passivhaus zusammengefasst, der zweite Teil befasst sich mit den Wartungsaufgaben der Eigentümer. Und siehe da: Die Regeln sind eigentlich einfacher als in einem üblichen Eigenheim, denn zum Beispiel die Wartung der Heizungsanlage fällt weg und Vorsichtsmaßnahmen gegen das Einfrieren von Wasserleitungen im Winter spielen keine Rolle.
Dafür sind einige Eigenschaften des Passivhauses zunächst ungewohnt. Zum Beispiel: Statt über Warmwasserleitungen und Heizkörper wird das Haus über die Lüftung beheizt. Die Fenster sollten deshalb im Winter geschlossen bleiben, denn die Luftzirkulation sorgt für ein gesundes Raumklima.
Gut verkauft haben bisher nur zwei Bauträger auf dem Eselsberg: Die Wenzel + Partner Wohnbau GmbH, Blaustein, hat 16 von insgesamt 18 Wohneinheiten verkauft und Casa Nova Planungs- und Wohnungsbaugesellschaft mbH, Ulm, setzte sieben von neun Wohneinheiten ab. Inhaber Heinz Neudeck-Mützel gibt gleichzeitig zu bedenken, dass das Bauprojekt ein Zuschussvorhaben war: „Doppelter Aufwand bei halbem Gewinn.“
Zwei weitere Passivhaus-Anlagen ständen auf der Kippe, denn der Preiskampf auf dem Wohnungsmarkt sei extrem groß. Neudeck-Mützel hofft, dass er bei einem Nachfolgeprojekt die Mehrkosten von diesmal rund 60 000 DM pro Wohneinheit auf zukünftig rund 40 000 DM senken könnte.
Gerd Maurer hält den Mehrpreis nicht für ein Problem. Bei seinen Sonnenhäusern sei er mit 8 % der reinen Bausumme, also etwa 40 000 DM Mehrkosten, ausgekommen. Diese amortisieren sich laut Maurer durch die Einsparung bei den Nebenkosten von jährlich einigen Tausend DM – vor allem, wenn die Energiepreise zukünftig steigen.
Projektleiter Frank Meyer ist mit dem Verkaufsstand von rund 40 % sehr zufrieden. Schließlich werden in Ulm insgesamt pro Jahr nur etwa 60 bis 70 Reihenhäuser-Eigenheime erstanden. Die guten Standortbedingungen Im Sonnenfeld begünstigen die Vermarktung: ein attraktives Wohnquartier mit beeindruckendem Panoramablick über das Blautal bis hin zu Ulmer Innenstadt nur einen Steinwurf weit vom Naherholungsgebiet entfernt. Außerdem bot die Stadt den erschlossenen Baugrund für einen günstigen Preis von 355 DM/m2 an – doch dies sei kein subventionierter Preis, betont Meyer im gleichen Atemzug. Denn die Botschaft, die von Ulm aus geht, soll schließlich lauten: Passivhäuser sind ohne Zuschüsse uneingeschränkt markttauglich. Bleibt zu hoffen, dass diese Botschaft von vielen Kommunen verstanden und nachgeahmt wird. BÄRBEL EPP/wip

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