Bau 14.03.2003, 18:24 Uhr

Latent warm dank PCM

„Barackenklima“ heißt es zutreffend aber unschön, wenn Leichtbauten sich im Sommer schnell aufheizen und im Winter enorm auskühlen. Bei massiveren Bauten geht alles langsamer, das heißt dann Phasenverschiebung. Die ist jetzt auch in Leichtbauten möglich, dank der neuen Phase-Changing-Materials (PCM).

Historische Fachwerkbauten besitzen eine Eigenschaft, die sich besonders im Sommer sehr positiv bemerkbar macht: In den Innenräumen herrschen trotz großer Hitze angenehme Temperaturen. In der Nacht wiederum, wenn sich die Außenluft abgekühlt hat, ist es im Innern des Hauses noch angenehm warm.
Dieser positive Effekt basiert auf der Tatsache, dass massive Bauwerke Wärme speichern und sie zeitverzögert abgeben. Jahrelang spielte diese so genannte Phasenverschiebung beim modernen Bauen überhaupt keine Rolle. Im Zuge des energieeffizienten Bauens jedoch wurden die bauphysikalischen Eigenschaften massiver Baustoffe wieder neu entdeckt und werden mittlerweile ausgiebig genutzt.
Leichtbauten haben hier den Nachteil, dass sie nicht über die für die Wärmespeicherung notwendige Masse verfügen und dass es deshalb während der Sommermonate im Innern unangenehm heiß ist. Abhilfe könnten hier Baustoffe schaffen, die mit so genannten latenten Wärmespeichern ausgerüstet sind. Hierbei handelt es sich um Materialien, die ab einer bestimmten Temperatur ihren Aggregatzustand ändern und dadurch Wärme bzw. Kälte speichern.
Vergleichen lässt sich diese Wirkungsweise mit Eiswürfeln. Lässt man Wasser zu Eis gefrieren, wird beim Übergang von flüssig zu fest Wärme freigesetzt. Gibt man die Eiswürfel nun in ein Glas Cola, wird dem Getränk solange Wärme entzogen, bis das Eis geschmolzen ist. Die Temperatur der Cola bleibt während dieser Zeit konstant. Ein anderes Beispiel sind Latentwärmekissen, die in Geschäften für Camping- oder Sportbedarf erhältlich sind. Diese Kissen bestehen aus einer Salz-Wasser-Mischung mit Stahlclicker, die von einer luftdichten Kunststofffolie eingeschlossen ist. Knickt man den Clicker, setzt im Innern des Kissens die Kristallbildung ein. Diese chemische Reaktion läuft im Eiltempo ab und ist mit einer lang anhaltenden Temperaturerhöhung verbunden. Um die Kristalle wieder zu verflüssigen, muss man das Kissen einige Zeit in heißes Wasser legen. Die Salz-Wasser-Mischung ändert wieder ihren Aggregatzustand und speichert damit erneut Wärme.
Um Latentwärmespeicher auch für Gebäude einsetzen zu können, benötigt man ebenfalls Materialien, die ihren Zustand ändern können, so genannte Phase-Changing-Materials (PCM). Je nach Anwendungsgebiet werden dafür verschiedene Substanzen eingesetzt. Unter 0° C sind wässrige Salzlösungen geeignet, bei Temperaturen bis ca. 120° C werden Salzhydrate sowie Mischungen von Salzhydraten eingesetzt. Ein anderes PCM sind Paraffine, deren Schmelztemperatur zwischen zwischen –20° C und + 80° C festgelegt werden kann. Damit jedoch die Phasen-Wechsel-Materialien nicht in den Baustoff gelangen und dessen Eigenschaften negativ beeinflussen können, müssen sie verkapselt werden.
Weil diese Mikroverkapselung von Salzhydraten zur Zeit noch nicht möglich ist, werden in Baustoffen bislang Paraffine als PCM verwendet. Dieser wachsartige Zusatz erhöht die Wärmespeicherfähigkeit von Innenputzen und Trockenbauplatten. Untersuchungen haben ergeben, dass eine 6 mm dicke Schicht die Speicherkapazität einer 10 cm starken Ziegelwand besitzt.
Spezielle Wärmeparaffine vertreibt die Hamburger Firma Rubitherm. Sie bietet diese PCMs in verschiedenen Formen an und sieht u.a. Solarkollektoren, Luftspeicher, Anlagen zur Warmwasserbereitung sowie Putze und Gipskartonplatten als Einsatzgebiete. Auch die Ewald Dörken AG, Herdecke, befasst sich mit der Anwendung von PCMs. Zu ihren Vorteilen zählt die Tatsache, dass sie auch in bestehende Gebäude bzw. Gebäudeteile ohne große Probleme als zusätzliche Speichermasse eingebaut werden können. „Als Einsatzgebiete sehen wir unter anderem Fassaden und abgehängte Decken“, berichtet Produktmanager Marco Gebert. Die Dörken AG plant, bis Ende 2003 ein verkaufsfähiges Produkt auf den Markt zu bringen.
Über erste Erfahrungen mit dem Einsatz von Phase-Changing-Materials verfügen die BASF AG, Ludwigshafen, und das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg. Die mikroverkapselten Latentwärmespeicher der BASF AG wurden bei einem Mehrfamilienhaus im Ludwigshafener Brunckviertel eingesetzt. An diesem sanierten Altbau wird untersucht, was technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist, um den Heizenergiebedarf zu senken. In zwei Wohnzimmern des Hauses wurden ein Gipsputz sowie eine Spachtelmasse mit mikroverkapseltem Paraffin als PCM eingebracht. Es konnten jedoch, so die Projektinfo 06/02 des BINE Informationsdienstes, keine signifikanten Effekte bezüglich der Raum- und Wandtemperaturen registriert werden.
Positiver sind die Ergebnisse, die das Fraunhofer ISE an einem Fassadenteststand ermittelt hat. Hier wurden zwei identische Testzellen mit einer typischen Leichtbaukonstruktion aus Lattung und Gipskartonplatten und 14 cm PU-Schaum-Innendämmung versehen. In einer der Zellen wurden 6 mm einer PCM-haltigen Spachtelmasse auf Dispersionsbasis mit 25 % (Gewichtsanteil) eines mikroverkapselten Paraffins aufgetragen. Die zweite wurde für Referenzmessungen mit der gleichen Spachtelmasse ohne PCM ausgestattet. Versuche mit automatischer Verschattung zeigten, dass durch den Einsatz von PCM über einen längeren Zeitraum deutlich niedrigere Temperaturen auftraten.
Der Einsatz von Phase Changing Materials auf dem Bausektor steckt derzeit noch in den Kinderschuhen, doch ihr Potenzial ist noch längst nicht ausreichend erforscht. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, fördert mehrere Forschungsvorhaben zum Thema „Innovative PCM-Technologien“. Dazu zählt auch ein Verbundprojekt, an dem das Fraunhofer-Solar Building Innovation Center Sobic und die Unternehmen BASF, Caparol, Maxit und Sto beteiligt waren. Die Erkenntnisse der Forschungen werden derzeit in einem Informationsblatt über „Latente Wärmespeicher“ zusammengefasst, die ab Ende März beim BINE-Informationsdienst des Fachinformationszentrums Karlsruhe kostenlos erhältlich ist.
Vielleicht ist es ja bald möglich, mit Hilfe der PCMs auch Leichtbauten mit dem Klima eines historischen Fachwerkhauses auszustatten.
JOLA HORSCHIG/wip

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