Bau 19.11.2004, 18:35 Uhr

Hoyerswerda: Die Retortenstadt schrumpft

VDI nachrichten, Hoyerswerda, 19. 11. 04 -In der einst rasant gewachsenen Industriearbeiterstadt Hoyerswerda und in anderen ostdeutschen Kommunen werden inzwischen überflüssige Wohnblöcke abgerissen. Bund und Länder fördern den „Stadtumbau Ost“, nicht aber den notwendigen Umbau der unterirdischen Infrastruktur.

Der Bagger hat es nicht leicht. Die Betonbrocken, die er einem Kipper auf die Mulde schaufelt, hängen noch mit der Stahlbewehrung zusammen. Denn der viergeschossige Plattenbau im Wohnkomplex 7, wie die Stadtviertel in Hoyerswerda heißen, war haltbar gebaut. Nun ist von ihm nur noch ein Haufen Beton übrig, auf der Fläche werden bald Autos parken wie überall, wo leer stehende Häuser abgerissen wurden.
Kinderspielplätze gibt es hier kaum. „Der Bedarf an Spielplätzen ist nicht mehr so groß“, erklärt Bürgermeister Stefan Skora. „Die Leute hier sind schon etwas älter.“ Das Durchschnittsalter in der sächsischen Stadt liegt bei 44 Jahren. Viele junge Leute ziehen ins Umland oder wandern ganz aus der Region ab, wo die offizielle Arbeitslosigkeit bei 25 % liegt.
Hoyerswerda ist zu DDR-Zeiten rasant gewachsen, als Schlafstadt für das nahe Braunkohle-Veredlungskombinat Schwarze Pumpe. Von 1955 bis Ende der 80er Jahre nahm die Einwohnerzahl von 7500 auf 65 000 zu, ein weiterer Zuzug war fest eingeplant. In der Stadt finden sich die typischen Wohnblöcke jener Jahre: Die aus Ziegeln gemauerten Zwei- und Dreigeschosser in noch großzügig gestalteten Wohnanlagen, und die Vier- und Fünfgeschosser, die schon aus vorgefertigten Ziegel-Großblöcken errichtet wurden.

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Unter Denkmalschutz stehen inzwischen die Achtgeschosser im Zentrum der Neustadt, bei denen erstmals in der DDR die typische Plattenbauweise zum Einsatz kam. Und trostlos wirken immer noch die Straßenzüge mit langen elfgeschossigen Gebäuden, die bisher noch nicht saniert worden sind.
Die teilweise dichte Bebauung ist 15 Jahre nach der Wende lockerer geworden. Modernisierte Wohnblöcke leuchten mit interessanten und farbenfrohen Fassaden. Skora zeigt bei der Fahrt durch die Stadt immer wieder auf großzügige Grünflächen zwischen den Häusern. Dort sind schon Blöcke abgerissen worden. Selbst zwischen den Elfgeschossern kann der Blick mittlerweile freier schweifen, weil weniger Beton im Weg steht. Das hatte sich in Hoyerswerda vor zehn Jahren noch kaum jemand vorstellen können.

Doch die Retortenstadt schrumpft seit dem Niedergang der ostdeutschen Braunkohle-Industrie. Die Busbahnhöfe, von denen die Menschen früher jeden Morgen nach Schwarze Pumpe fuhren, gähnen heute leer und nutzlos. Ein Drittel ihrer Einwohner hat die Stadt schon verloren das Statistische Landesamt in Kamenz sagt für das Jahr 2020 noch eine Einwohnerzahl von 29 000 voraus.
Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept sieht vor, die Stadt von außen nach innen zurückzubauen. Bisher haben die städtische Wohnungsgesellschaft und die Genossenschaft Lebensräume insgesamt 3100 Bleiben abgerissen, insgesamt sollen 10 000 weg. „Uns geht es darum, die Wohnungen vom Markt zu nehmen, damit die Eigentümer ihre wirtschaftliche Existenz sichern können“, erklärt Skora. Denn auch leer stehende Wohnungen kosten Geld.
Hoyerswerda ist unter den ostdeutschen Städten besonders stark vom Bevölkerungsschwund betroffen. Die flächendeckend hohe Arbeitslosigkeit und der Lehrstellenmangel zwingen aber auch in anderen Städten wie Halle, Magdeburg und Weißenfels vor allem junge Menschen dazu, in andere Regionen abzuwandern.
Viele frühere Plattenbaubewohner haben sich im Umland ihr Häuschen gebaut oder sind in modernisierte Altbauten umgezogen. So stehen nun in Ostdeutschland, wo 1990 noch Wohnungsnot herrschte, nach Schätzungen der Bundesregierung jetzt 1 Mio. Bleiben leer. Sie hat daher gemeinsam mit den Ländern ein Programm „Stadtumbau Ost“ aufgelegt, mit dem leere Wohnungen abgerissen und funktionierende Stadtstrukturen geschaffen werden sollen.
Am Bahnhof Hoyerswerda hatte vor 49 Jahren das rasante Wachstum der Stadt begonnen, hier wurden damals die ersten dreigeschossigen Wohnblöcke gebaut. In diesen Häusern gibt es heute wieder Arbeit für die Bauleute, die hier größere Wohnungen mit Haustechnik und Wärmedämmung modernisieren.
Um die künftigen Bewohner macht sich die Geschäftsführerin der Wohnungsgesellschaft keine Sorgen. „Das ist alles schon vermietet“, berichtet Margitta Faßl und klettert über eine Leiter in eine noch treppenlose Maisonette-Wohnung. Hier waren früher im Erdgeschoss kleine Läden untergebracht, die heute nicht mehr gegen die Konkurrenz der Supermärkte bestehen können.
Obwohl sich in der Altstadt ein zunehmend attraktives Wohngebiet entwickelt, registrieren Händler wie Uhrmachermeister Jürgen Scholze abnehmende Kundenzahlen und sinkende Umsätze. „In den vergangenen drei Jahren mussten wir zwei von vier Halbtagskräften entlassen.“ Mit einem angepassten Sortiment versucht der Uhrmacher gegenzusteuern: Im Laden gibt es jetzt auch modische Uhren und Meißner Porzellan. Doch immer wieder geben Händler in der Nachbarschaft ihre Läden auf. Für Scholze auch eine Folge des Einkaufszentrums in der Neustadt und der beiden neuen Großmärkte am Stadtrand. Deren Verkaufsflächen zögen die Kaufkraft ab und seien für die schrumpfende Stadt inzwischen zu groß.
Auf dem Hof des Altbaublocks am Bahnhof schwebt ein Balkon aus Stahlbeton und Aluminium am Kranhaken, den die Bauarbeiter an der Rückseite des Gebäudes montieren: Auf Frischluft muss hier künftig kein Bewohner mehr verzichten. Mit ihren modernisierten Häusern will die Wohnungsgesellschaft vor allem ihre Mieter aus künftigen Abrissblöcken zum Umzug bewegen, um die überflüssigen Bauten schneller einebnen zu können.
Den kostspieligen Leerstand von derzeit 24 % zu reduzieren, ist für die Gesellschaft zur Existenzfrage geworden. Von ihren 14 200 Wohnungen hat sie schon 2100 abgerissen, weitere 3700 müssen noch weg. Die Kosten dafür werden mit 70 € je Quadratmeter aus dem Stadtumbau-Programm finanziert, im nächsten Jahr sinkt der Satz auf 60 €.
In Hoyerswerda ist es immer wieder ein Ereignis, zu dem sich zahlreiche Schaulustige einfinden: wenn der Abrisskran mit seiner Riesenzange eine Stahlbetonplatte nach der anderen aus den riesigen Blöcken herausbricht und auf dem Boden ablegt. Unsichtbar bleibt dabei, welche Entwicklungen sich mit dem oberirdischen Rückbau der Stadt auch in der unterirdischen Infrastruktur vollziehen.
Die Leitungen für Strom, Gas, Fernwärme, Wasser und Abwasser sind für eine Stadt ausgelegt, die auf 100 000 Einwohner wachsen sollte. In den nun viel zu großen Rohren läuft das Wasser deutlich langsamer, als für einen technisch einwandfreien Betrieb gut ist: Die Versorgungsbetriebe müssen deshalb die Trinkwasserqualität mit zusätzlichem Aufwand sichern, die Abwasserkanäle öfter spülen. In den Fernwärme-leitungen verliert das heiße Wasser mehr Wärme als üblich. Und im Stromnetz verursacht die unterforderte Regelungs- und Transformatorentechnik zusätzlichen Aufwand. „Die Kosten der Versorgung steigen“, so Prokurist Steffen Grigas bei den Versorgungsbetrieben Hoyerswerda. „Aber der Absatz sinkt dramatisch – und damit auch unser Umsatz.“
Das Unternehmen hat gemeinsam mit der Stadtverwaltung und den Wohnungsgesellschaften eine Strategie der Kostenvermeidung entwickelt: Inzwischen sollen vorzugsweise ganze Wohnkomplexe abgerissen werden, um dort die unterirdische Infrastruktur komplett stillzulegen.
Die Versorgungsbetriebe bleiben nach bisherigem Stand auf den Kosten sitzen, die für den Rückbau der Leitungen und den Umbau der verbleibenden Netze anfallen: Dafür sind im Stadtumbau Ost keine Fördermittel vorgesehen. Wenn die Versorgungsbetriebe diese Kosten selbst tragen müssen, die Grigas auf mehr als 10 Mio. € schätzt, wird sich das wohl auf ihre Preise auswirken. „Das wäre ein aktiver Beitrag zur weiteren Entvölkerung einer Stadt“, weiß Grigas. Er hofft darauf, dass die Politik auch für den Rückbau und die Anpassung der Infrastruktur einen Förderweg öffnet. STEFAN SCHROETER

Ein Beitrag von:

  • Stefan Schroeter

    Stefan Schroeter verfasst fachjournalistische Berichte über die Energiewirtschaft.

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