Bau 15.12.2006, 19:25 Uhr

Friedhof Hofmannstraße  

ausgegliedert, umgezogen, frühpensioniert, gekündigt.

Ach ja, die Hofmannstraße. Eine Goldgrube sei das Lokal, war ihr vom Vorbesitzer zugesichert worden, dafür sorge das nahe liegende Siemens-Werk. Also stürzte sich Anett M. in die Selbstständigkeit, versuchte von Mitte 2002 bis Oktober 2005 das Bistro „Hofmanns“ zum Laufen zu bringen. Am Schluss sogar mit Zaubereinlagen, wobei sie feststellte: „Der Siemensianer hat mit Zauberei nix am Hut. Der muss alles gleich analysieren.“

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Das Kapitel „Hofmanns“ ist abgeschlossen, übrig blieb ein Berg Schulden. Und Mitleid mit der Spezies „Siemensianer“, die immer seltener kam, um ihr Mittagsmenü aus Suppe, Spaghetti oder Schweinelendchen zu verspeisen. „Die hatten alle nur noch Angst um ihren Arbeitsplatz. Manche haben sogar geheult“, erzählt sie.

Die Münchnerin hätte es wissen müssen. Zeitgleich zu ihrer Neueröffnung füllten bereits erste Meldungen über einen drohenden Arbeitsplatzabbau die Zeitungen. Besonders betroffen: Das Münchner Stammhaus „Hofmannstraße“ wo, wie die ZEIT jüngst schrieb, einst „das Herz des stolzen Fernmeldepioniers Siemens schlug“.

Mehr als 25 000 Mitarbeiter waren hier im Münchner Stadtteil Obersendling in den 80er Jahren tätig, knapp 4000 sind übrig geblieben. Der Rest: ausgegliedert, an andere Standorte umgezogen, frühpensioniert, gekündigt. Heute sei die Hofmannstraße „ein Friedhof“, sagt Manfred Meiler, Vorsitzender des Vereins von Belegschaftsaktionären in der Siemens AG, die Atmosphäre gespenstisch. „Das Hochhaus ist leer, alles ist leer. Jedes Mal, wenn ich hinkomme, ist wieder ein Eingang geschlossen.“

Ein sonniger Dienstagmittag im Dezember. Nur vereinzelt schlendern Mitarbeiter, allein, zu zweit oder in kleineren Grüppchen zwischen den teils eng aneinander klebenden, teils locker angeordneten Bürogebäuden. Im hinteren Teil der Baierbrunner Straße, die den Standplatz zum Osten hin begrenzt, riecht und schmeckt die Luft nach Staub. Linkerhand liegen Brachen und spärlich besetzte Parkplatzflächen, dahinter die Gleise der S-Bahn, auf der rechten Seite das ummauerte Siemens-Gelände.

Den Siemens-Ausweis am Hosenbund, verfolgen die Passanten aufmerksam das langsame Rauf und Runter der Abrissbirne, das Zerren und Rütteln der Bagger-Greifarme. Gerölltrauben klammern sich an das Gerippe des achtstöckigen Betonriegels aus den 50er Jahren, durch dessen leere Fensterhöhlen der Blick in den blauen Himmel fällt. Der massige Klotz ist nicht der einzige Abbruchkandidat. Auch an den zwei niedrigeren Gebäuden daneben nagen bereits die emsigen Plattmacher. Die Betonfluchten dahinter sind ebenfalls leer, präpariert für den Abriss.

Vom „Das alte Graffl muss halt weg“ bis zum „Da geht sie dahin, die Zukunft von Siemens“ oder „Das Ganze wird systematisch gegen die Wand gefahren“, reichen die Kommentare der Ausweisträger. Und sie kritisieren das Schielen des Managements auf den Shareholder-Value, die Top4More-Denke in Renditen und Margen, illusorische Entwicklungsziele, die vergeigten Chancen in der Handysparte, die BenQ-Mobile-Pleite, die Zerschlagung der Com-Sparte, die Maßlosigkeit bei der 30 %-Erhöhung der Vorstandsbezüge und jetzt noch die Korruptionsfälle.

„Zeigen Sie mir einen Kaufmann, der in der Lage war, Visionen zu entwickeln“, lautet das vernichtende Fazit eines Ex-Comlers über die Macher an der Spitze. Selbst ein Bein gestellt habe man sich aber vor allem durch die personelle Monokultur, gemischte Teams seien immer seltener geworden: „Die nachfolgenden Generationen wurden systematisch vom Wissen der Älteren abgeschnitten.“

Wie sein Kollege neben ihm gehört der Endvierziger zu den 10 000 Münchner Com-Beschäftigten, denen per Brief ihr neuer Arbeitgeber mitgeteilt wurde. In knapp einem Monat wird auf ihren Visitenkarten Nokia Siemens Network stehen. Wo ihr künftiger Arbeitsplatz sein wird – Schulterzucken. „Uns bleibt nur Warten, Hoffen, Beten.“ Und ihre Arbeit, denn diese mache durchaus noch Spaß, auch wenn sie von „denen da oben“ nicht gewürdigt werde.

Trotzdem, die Stimmung unter den Kollegen sei nicht schlecht, das Thema Arbeitsplatzverlust bei weitem nicht das alles beherrschende. Aber das Schweigen habe eine Kehrseite: „Die Motivation, jetzt noch einmal etwas hochzureißen, ist sehr gering.“

Es liegen Welten zwischen den laut Com-Sprecher Thorsten Opderbeck „keinesfalls repräsentativen“ Stimmen aus der Baierbrunner Straße und der „grundsätzlich guten, deutlich positiven Stimmung“, die er unter seinen Kollegen ausmacht.

Aber so sei er halt, der Siemensianer an der „gebeutelten“ Hofmannstraße. Immer etwas negativer, immer eine Spur pessimistischer als an anderen Standorten. Viele wollten noch immer nicht begreifen, dass sie endgültig vorbei seien, die Zeiten, als die Hofmannstraße „eine Insel der Seligen“ war.

„Wir sehen durchaus, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, aber das Wie ist entscheidend. Hightech macht man nicht wie Brötchen“, kontert Betriebsrat Peter Litz. Verletzter Technikerstolz schwingt mit, wenn er feststellt: „Analysten und sogar Teile des Managements kokettieren förmlich damit, die Festnetzsparte pauschal als rückständig zu klassifizieren, obwohl es hier in Teilbereichen auch technisch sehr innovative und sogar ertragsstarke Produkte gibt. Wo es nicht gut läuft, ist es wie bei den Handys: Die technische Kompetenz war da, der Markt war da, nur Siemens hat es nicht geschafft, die richtigen Produkte rechtzeitig auf den Markt zu bringen.“ Fix it, sell it, close it.

„Der Umgang mit der Handysparte hat verbrannte Erde hinterlassen“, sagt der Software-Entwickler, dessen Biografie typisch ist für viele, die hier arbeiten. Von der Uni weg verbrachte er sein gesamtes 17-jähriges Berufsleben bei Siemens, mit zweijähriger Pause allerdings, in der er statt Programme zu schreiben Paragraphen studierte und sich mit den Niederungen des Arbeitsrechts beschäftigte.

Im Januar 2003 erhielt auch er ein Kündigungsschreiben. Wie rund 180 weitere Betroffene klagte er vor dem Arbeitsgericht, bekam wie alle seine Mitkläger recht und kam im Mai 2005 wieder ins Unternehmen zurück. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. „Man gewöhnt sich daran, mit der Unsicherheit zu leben“, sagt er. Als Mitglied der Siemens-Familie fühle er sich schon längst nicht mehr. „Mir persönlich hat es Siemens ausgetrieben. Aber den Älteren macht das schon zu schaffen.“

Dass der Kahlschlag in der Parallelstraße der Hofmannstraße, der Baierbrunner Straße, ein gefundenes Fressen ist für jeden, der zur symbolischen Weltsicht neigt – Siemens-Pressesprecher Karlheinz Gröbmeier zuckt die Schultern. Leerstände, geschlossene Eingänge: Schließlich werde das Kerngelände saniert. So „radikal“, wie ursprünglich geplant, wird der Umbau allerdings nicht erfolgen.

Inoffiziell „Siemens City“, offiziell „Isar-Süd“ genannt, hier sollte ein völlig neuer Stadtteil entstehen, mit Büroplätzen für 25 000 Beschäftigte, mit 1500 neuen Wohnungen, mit Kindergärten, Spielplätzen, und Grünflächen: Investitionsvolumen: 1,5 Mrd. €.

Tempi passati. Die Pläne, entstanden in der Hochzeit der New Economy, als der Wirtschaftsstandort München aus allen Nähten platzte und, so Belegschaftsaktionär Meiler, „Siemens-Vorstand Jung die halbe Welt zusammenkaufen wollte“, sind seit November 2004 beerdigt.

Isar-Süd ja, aber deutlich abgespeckt, lautet seither die Devise, der das Siemens-Wahrzeichen bereits zum Opfer fiel. Anfang des Jahres wurde das Hochhaus, das 75 m hohe Wahrzeichen des Standorts, an einen Bauträger verkauft, seine weitere Nutzung ist ungewiss. „Die Situation, wie sie in den 90er Jahren war, wird sich bestimmt nicht mehr bieten“, sagt Gröbmeier.

Aber: Es soll wieder aufwärts gehen am Standort Hofmannstraße. Rund 10 000 Siemens-Arbeitsplätze sehen die Planungen vor. Ein Lichtblick für den Münchner Arbeitsmarkt? Mitnichten. „Das bedeutet natürlich Rückumzüge aus Standorten wie der St.- Martin-Straße, wo jetzt schon die ideale Auslastung überschritten ist, und Neuperlach.“

Von dort kommt auch die letzte Teilnehmerin, die an diesem Abend abgehetzt die Tür von Raum 1 im rotgeklinkerten Pfarrgebäude der Passionskirche in der Tölzer Straße 13, einer Parallelstraße zur Baierbrunner Straße, hinter sich schließt. Das 2002 gegründete private Siemens-Mitarbeiternetz NCI (Network for Cooperation&Initiative) trifft sich hier zum Jour Fix.

Acht – durchweg ältere – Mitstreiter sind gekommen. Nicht gerade viele, kommentiert Bernhard Tröger lächelnd, Entwicklungs-Projektleiter für Surpass Kundenprojekte und seit 2004 für das NCI im Betriebsrat tätig, aber „es gibt nix großes Neues“. Tröger spricht schnell, stellt klar, dass die jüngste Meldung von einem 40 %igen Arbeitsplatzabbau beim Mobilfunknetz eine Ente war. Wo ein Informationsvakuum, da haben Gerüchte Konjunktur. Unbeantwortete Fragen gebe es wahrlich genug.

Die Themen wechseln schnell, Namen und Abkürzungen schwirren durch den Raum. „Keiner weiß, ob es das, was er macht, in Zukunft bei Nokia Siemens Networks noch geben wird. Das gilt auch für die Verfahrenslandschaft. Warum werden jetzt noch Kurse angeboten, obwohl doch künftig alles auf SAP laufen soll?“, wirft er ein.

Einzig als die Rede auf die Zukunft der rund 130 ComPCler (Post Closing) kommt, der Sammelbezeichnung für alle, die einem Übergang zu NSN bzw. dem Enterprise-Bereich nicht zugestimmt haben, meldet er sich noch einmal zu Wort. „Den Leuten werden poolartig Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, im Prinzip sind viele von ihnen freigestellt. Die Personalabteilung hat den Älteren unter ihnen gesagt, sie will ihnen keinen Ärger mehr machen, kann aber auch keine neue Aufgabe in Aussicht stellen“, sagt Tröger.

„Zielstattstraße“, kommentiert einer. Was gemeint ist, wissen alle. Während der ersten Entlassungswelle befand sich dort quasi das „Auffanglager“ für all diejenigen, die der Konzern loshaben wollte, durch Arbeitsgerichtsbeschluss nicht loskriegen konnte und in den „ganz normalen Wahnsinn“ wieder eingliedern musste. „Aber das Gebäude ist ja inzwischen abgerissen.“ Altes Graffl halt. HERTA PAULUS

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