FIFA verlangt mehr als nur ein Dach überm Kopf
Sitze mit Lehnen, Beinfreiheit, Überdachung und eine Trennung zwischen Spielfeld und Tribünen gehören dazu. Sie dienen nicht nur dem Komfort, sondern vor allem der Sicherheit.
Beworben hatten sich insgesamt 16 Städte, zwölf von ihnen wurden als Austragungsorte bestimmt. Das Eröffnungsspiel wird voraussichtlich in der Allianz Arena in München stattfinden, für das Endspiel wurde das Olympiastadion in Berlin auserkoren.
Weitere Spiele finden im Westfalenstadion Dortmund, im Waldstadion Frankfurt, in der Arena Auf Schalke Gelsenkirchen, in der AOL-Arena Hamburg, im Niedersachsenstadion Hannover, im Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern, im Rhein-Energie Stadion Köln, im Zentralstadion Leipzig, im Frankenstadion Nürnberg und im Gottlieb-Daimler-Stadion Stuttgart statt.
Zehn der zwölf Stadien wurden bzw. werden derzeit umgebaut, lediglich die noch recht neuen Arenen in Hamburg und Gelsenkirchen erfüllen ohne weitere Maßnahmen die umfangreichen Anforderungen der FIFA. Diese besagen u.a, dass eine WM-taugliche Austragungsstätte mindestens 40 000 Fans fassen muss, für Eröffnungsspiel, Halbfinale und Endspiel sogar 60 000. Der Zuschauerbereich muss komplett überdacht sein und die Zuschauer dürfen den Spielen nur auf Einzelsitzplätzen mit Lehne und ausreichend Beinfreiheit zuschauen. Eine geeignete Absperrung (Zäune, Gräben oder ein Höhenunterschied) soll für die Sicherheit von Akteuren und Fans sorgen.
Schon im letzten Jahr konnten das neue Zentralstadion in Leipzig eingeweiht und die Umbauarbeiten am Westfalenstadion in Dortmund abgeschlossen werden. Leipzig, Gründungsstadt des Deutschen Fußballbundes (DFB), verfügte bereits über ein Zentralstadion, das 1955/56 aus Kriegsschutt errichtet worden war. Weil dieses ehemals größte deutsche Stadion trotz mehrfacher Umbauten nicht die Anforderungen erfüllte, lobte die Stadt 1996 ein mehrstufiges Auswahlverfahren für einen Projektentwickler aus.
Den Zuschlag erhielt ein Konsortium unter Leitung der Architekten Wirth + Wirth. Sie haben gemeinsam mit ihren Planungspartnern ein Stadion entworfen, dass in den begrünten Wall des ursprünglichen Stadions eingebettet ist und sich mit einer geschwungenen Dachkonstruktion stützenfrei über die Tribünen spannt.
Das Tragwerk besteht aus zwei nach außen geneigten, seilunterspannten Bogenbindern in Längsrichtung sowie Quer- und Längsträgern, die in einem Randträger enden, der sich als geschlossener Ring um das Gebäude legt. Die Zuschauerbereiche sind in vier voneinander abgetrennte Sektoren unterteilt und separat erschlossen. Unterschiedliche Fassadenmaterialien kennzeichnen die verschiedenen Nutzungsbereiche. Darin integrierte transluzente Bereiche und die lichtdurchlässige Dachhaut sorgen dafür, dass die neue Fußballarena auch bei geringer Beleuchtung von Innen weithin sichtbar leuchtet.
Das Westfalenstadion in Dortmund wurde bereits für die Fußballweltmeisterschaft 1974 errichtet und bot Sitzplätze auf vier komplett überdachten Tribünen. Für die WM 2006 wurden die bislang offenen Eckbereiche des Stadions mit vier neuen Tribünenbauwerken ausgebaut. Damit beeinträchtigten sie zwar nicht das statische System, doch den dort sitzenden Zuschauern wäre die Sicht durch die Pylone der Stadionbedachung versperrt gewesen. Aus diesem Grund wurde in den Eckbereichen eine neue Pylonen-Hängekonstruktion errichtet, die die komplette Dachkonstruktion abfängt und die inneren Pylone überflüssig macht.
Ende dieses Jahres sollen die Arbeiten am Olympiastadion Berlin abgeschlossen werden. Das Gebäude, das 1934-36 nach Entwürfen von Werner March errichtet worden ist, steht heute unter Denkmalschutz. Den internationalen Wettbewerb für den Umbau konnten die gmp-Architekten von Gerkan, Marg und Partner für sich entscheiden. Ihr Entwurf sieht eine Instandsetzung in drei Bauabschnitten und weitest mögliche Erhaltung der Substanz vor.
Seit Juli 2000 wird das Stadion bei laufendem Betrieb für die WM umgebaut. Die Oberringtribüne bleibt erhalten, die Stahlbetonkonstruktion und die vorhandene Natursteinverkleidung werden saniert. Die Unterringtribüne konnte unter wirtschaftlichen Aspekten nicht mehr erhalten werden und ist durch einen Neubau ersetzt worden. Die Absenkung des Spielfeldes um 2,65 m erlaubte die Ergänzung von zwei weiteren Zuschauerreihen und verringerte die Entfernung zum Spielfeld. Ein Graben, der Innenraum und Rasen voneinander trennt, sorgt jedoch für die Einhaltung der FIFA-Anforderungen. Komplett neu ist das Dach – eine feingliedrige Stahlkonstruktion, die von 22 Stützen getragen wird.
Zum Marathontor hin ist es unterbrochen, um die Sichtachse zum Glockenturm zu erhalten. Die Besonderheit ist, dass das Dach über dem Stadion zu schweben scheint. Dies wurde möglich, weil der äußere Kranz des Daches sich ohne Auskragung durch eine Fuge vom Stadion abhebt. Zusätzlich ist die Konstruktionshöhe der Innen- und Außenränder minimiert. Ein entsprechendes Beleuchtungskonzept wird diesen Eindruck verstärken. Im Innern bleibt die Ehrentribüne mit Coubertinsaal und Ehrenloge als besonders denkmalwerter Innenraum erhalten und wird durch VIP-Bereiche mit Meetingzonen, Gastronomiebereichen, Medienräumen und 113 Logen ergänzt. Vorgesehen ist bis Ende Juni 2004 die Bauarbeiten im Stadion und bis Ende September die Konstruktion des Daches abzuschließen.JOLA HORSCHIG
www.baunetz.de/arch/stadien
Demnächst: Niedersachsenstadion Hannover, Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern, Rhein-Energie Stadion Köln und Frankenstadion Nürnberg.
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