Ein kleiner Messknecht namens Callidus
Alte, denkmalsgeschützte Bauwerke aufzumessen, um aktuelle Pläne für Umbau oder Sanierung zur Verfügung zu haben, ist eine Zeit raubende, teure Angelegenheit mit oft wenig genauem Ergebnis. Ein kleines Messgerät, erstmals auf der Messe Baufach in Leipzig vor kurzem vorgestellt, macht anstrengendes Aufmaß jetzt überflüssig.
Der gelbe Messkopf dreht sich einmal horizontal um die eigene Achse. Dann erscheint der Messestand der Dr. Niebuhr GmbH, Halle, millimetergenau ausgemessen auf dem Bildschirm des angeschlossenen Bedienterminals. „In fünf Minuten erhalten wir mehr als eine Million Messwerte“, erklärt Firmenchef Erik Niebuhr auf der Leipziger Baufachmesse. Für die Informationsflut sorgt ein Infrarot-Laserstrahl, der von einem schnell rotierenden Spiegel innerhalb des Geräts aufgespreizt wird. So entsteht ein Fächer von Lichtimpulsen, der Wände, Decke und Fußboden in einem Bereich von 180 Grad und mit einer Auflösung von bis zu 0,25 Grad in der Vertikalen abtastet. Die reflektierten Lichtimpulse werden von dem Gerät wieder empfangen, aus der Zeitdifferenz berechnet es die Entfernung zu dem anvisierten Objekt. Eine eingebaute Kamera liefert die dazugehörigen Fotos.
Die Weltneuheit, die in Leipzig erstmals öffentlich präsentiert wurde, soll vor allem Architekten und Bauplanern die Arbeit erleichtern und im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren für mehr Genauigkeit sorgen. Auch komplizierte Raumstrukturen, wie sie für Altbauten typisch sind, bereiten dem System keine Mühe. „Der Scanner bildet solche Räume millimetergenau ab“, erklärte Niebuhr. Über eine speziell entwickelte Software lassen sich die gewonnenen Daten direkt in die gebräuchlichen CAD-Programme für Bauplaner und Architekten einlesen und weiter bearbeiten.
Niebuhr zeigt, wie sich sein eben vermessener Messestand am Computer drehen und wenden lässt. „Man kann gleich mit der kreativen Arbeit beginnen. Der lästige Teil der Datenerfassung und der Umsetzung in ein CAD-Modell ist schon erledigt.“ Die Zeitersparnis sei enorm, so dass sich auch der Anschaffungspreis von knapp 90 000 DM für die Grundausstattung in einer absehbaren Frist rentiere.
Auf die Idee zu dem Laserscanner kam Niebuhr vor einigen Jahren, als er ein denkmalgeschütztes Haus sanieren wollte. Die Vermessung dauerte vier Wochen und kostete eine gehörige Stange Geld. Daraufhin begann der Kybernetiker in seiner Software-Firma nebenher, an einer vollautomatischen Messmethode zu arbeiten. Mittlerweile ist das Unternehmen mit 15 Mitarbeitern allein auf Callidus ausgerichtet, das nötige Risiko-Kapital kam von Beteiligungsgesellschaften des Landes Sachsen-Anhalt und der Jenoptik AG.
Seit Juni hat Niebuhr zwei Geräte an Kunden verkauft, derzeit verhandelt er „europaweit mit zahllosen Interessenten“. Im nächsten Jahr soll der Vertrieb in den USA und Kanada aufgebaut werden. Als potentielle Anwender sieht er vor allem große Baufirmen und Architekturbüros, aber auch unabhängige Dienstleister. „Das System eignet sich hervorragend für Existenzgründer, um ein Ein-Mann-Unternehmen aufzubauen“, so Niebuhr.
Der Bedarf an präzisen Raumdaten ist seiner Ansicht nach enorm: Bauvorhaben könnten genauer kalkuliert, Rechtsstreitigkeiten bei Verkauf und Vermietung von Immobilien vermieden werden. In der Gebäude-Bewirtschaftung könnte die Klimatisierung besser gesteuert werden, wenn die genaue Größe der Räume bekannt ist. Was sein System kann, demonstriert Niebuhr derzeit im zukünftigen Hallenser Technologiepark Heide Süd: Dort vermisst seine Firma derzeit die alten Garnisonsgebäude, bevor sie saniert werden. S.SCHROETER/wip
Dr. Niebuhr GmbH, Weinbergweg 23, 06120 Halle (Saale).
Das rote Haus in Monschau: Das alte Fabrikgebäude mit seinen verwinkelten Tonnengewölben aufzumessen und für die neue Nutzung gültige Pläne zu fertigen, dauerte in den 70er Jahren noch viele Monate. Mit dem neuartigen Messgerät ließe sich die Zeit fürs Aufmaß auf ein Minimum reduzieren.
Klein und unscheinbar, aber ungeheuer fleissig und präzise: der „Callidus“.
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