Bau 07.06.2002, 18:20 Uhr

„Die anderen haben es auch geschafft“

Die Situation der Bauwirtschaft lässt sich verbessern, wenn auch nicht sofort und nicht völlig ohne die Hilfe von Politik und Verwaltung. So das Fazit der Rede von Thomas Bauer anlässlich des „Tages der Bauindustrie“ vorgestern in Berlin. Nachfolgend eine Zusammenfassung.

Die Konjunktur- und Strukturkrise in der deutschen Bauwirtschaft hat sich im Frühjahr 2002 unerwartet zugespitzt. Alle Hoffnungen auf eine kurzfristige Stabilisierung haben sich vorerst zerschlagen. Die negative Umsatzentwicklung des letzten Jahres hat sich in allen Bausparten fortgesetzt.
Die Konsequenzen bleiben nicht aus: Bereits im Jahr 2001 hat es im Bauhauptgewerbe einen neuen Insolvenzrekord gegeben. 4900 Unternehmen haben ein Insolvenzverfahren einleiten müssen das waren 8,5 % mehr als ein Jahr zuvor. Im 1. Quartal 2002 hat sich diese Insolvenzwelle noch einmal beschleunigt: Für das Gesamtjahr 2002 erwarten wir, dass über 6000 Unternehmen aufgeben müssen. Das wäre ein Anstieg von etwa 25 %.
Parallel dazu ist es im 1. Quartal zu einem dramatischen Beschäftigungsabbau gekommen: Erstmals seit der Wende gab es in Deutschland weniger als 900 000 Baubeschäftigte. Insgesamt ist die Zahl der Beschäftigten um 9,5 % auf 850 000 abgebaut worden.
Wir fordern, dass Politik und Verwaltung dieser dramatischen Zuspitzung der Baukrise nicht länger tatenlos zusehen. Wir erwarten deshalb, dass die Krise in der Bauwirtschaft zu einem Schwerpunktthema der wirtschaftspolitischen Diskussion im Bundestagswahlkampf gemacht wird. Wir haben aus diesem Grund unseren diesjährigen „Tag der Deutschen Bauindustrie“ ganz bewusst unter das Motto „Kein Aufschwung ohne Bauwirtschaft – Investitionen jetzt umsetzen!“ gestellt. Wir wollen damit die Parteien noch einmal eindringlich darauf aufmerksam machen, dass
– trotz jahrelanger Baukrise noch immer 11 % des Bruttoinlandsprodukts für Bauinvestitionen verwendet werden,
– gerade die ostdeutsche Wirtschaft (inkl. Berlin) – bei einem Bauanteil am Bruttoinlandsprodukt von 15 % – noch immer wesentlich von der Bauwirtschaft geprägt wird,
– jede im Bau investierte Mrd. ç ein zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von 2,3 Mrd. ç erzeugt und
– jede im Bau investierte Mrd. ç mit zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 150 Mio. ç, Minderausgaben für soziale Leistungen von 250 Mio. ç und Steuermehreinnahmen von 240 Mio. ç verbunden ist.
Die deutsche Bauindustrie ist davon überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft ihre „rote Wachstumslaterne“ im Vergleich zu den europäischen Partnerstaaten nicht ohne die Bewältigung der bauwirtschaftlichen Konjunktur- und Strukturanpassungsprobleme abgeben kann.
Die Krise am Bau hat die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2001 immerhin 0,9 Prozentpunkte beim Wachstum des Bruttoinlandsproduktes gekostet. Die deutsche Volkswirtschaft ist daraufhin im Wachstumsvergleich der EU – allein aufgrund der ungelösten Bauprobleme – hinter Länder wie Belgien, Österreich und Finnland auf den letzten Patz zurückgefallen. Wir sollten uns davor hüten, diesen Fehler 2002 zu wiederholen.
Dennoch müssen wir zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass der Umsatz im Bauhauptgewerbe im laufenden Jahr nochmals zurückgehen wird.
Natürlich gibt es keine Patentrezepte, um die Bauwirtschaft aus der Krise zu führen. Unseres Erachtens sollten sich jedoch Politik und Verwaltung an den folgenden Eckpunkten orientieren:
Eckpunkt 1- Investitionszurückhaltung aufgeben! Bund, Länder und Gemeinden müssen trotz der prekären Finanzlage ihre Politik der Investitionszurückhaltung aufgeben. Auch die Gebietskörperschaften müssen erkennen, dass öffentliche Investitionen nicht beliebig lange hinausgeschoben werden können, wenn nicht langfristig schwere Schäden für die Wettbewerbsfähigkeit des Investitionsstandortes Bundesrepublik Deutschland in Kauf genommen werden sollen.
Bund, Länder und Gemeinden werden deshalb die Finanzierung ihrer Investitionen auf eine neue Grundlage stellen müssen. Konkret heißt das: Wir alle müssen uns darauf einstellen, dass Infrastrukturinvestitionen künftig nicht allein aus Steuern bzw. Krediten, sondern verstärkt über Nutzergebühren refinanziert werden. Die Bundesregierung hat dazu – nach langem Zögern – in den letzten Monaten wichtige Weichenstellungen vorgenommen.
Auch das Institut für Wirtschaft und Gesellschaft geht davon aus, dass dieser Investitionsbedarf mittelfristig nicht länger zurückgestellt werden darf. Es prognostiziert deshalb, dass die Bruttobauinvestitionen für das Verkehrs- und Nachrichtenwesen in der Dekade 2001 bis 2010 um 10 % über dem Niveau der 90er Jahre liegen werden. Der Bedarf wäre sicherlich noch um einiges höher.
Eckpunkt 2 – Die Angebotsbedingungen verbessern! Vieles spricht jedoch dafür, dass die Ursachen der Baukrise nicht nur auf der Nachfrageseite zu suchen sind mindestens ebenso große Sorgen bereitet die anhaltend ruinöse Konkurrenz auf der Angebotsseite.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie fordert hier die Bundesregierung auf, auch einmal über den eigenen „nationalen Gartenzaun“ in die französischen, belgischen, britischen oder holländischen Nachbargärten zu schauen. All diese Länder haben als europäische Hochlohnländer im Baubereich mit ähnlichen Problemen wie Deutschland zu kämpfen.
Ganz offensichtlich haben sich diese Länder jedoch mittels so genannter Qualifizierungsverfahren gegen die Niedriglohn- und Niedrigqualitätskonkurrenz aus dem In- und Ausland wesentlich erfolgreicher wehren können.
Eckpunkt 3 – Schwarzarbeit und Illegalität wirksam bekämpfen! Ebenso wichtig ist die Bekämpfung von Korruption und anderen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die sich auf dem deutschen Baumarkt eingeschlichen haben.
Mit der Durchsetzung der Bauabzugsteuer gegen den vereinten Widerstand der Auftraggeber haben wir einen ersten Schritt zur Wiederherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen getan.
Weitere Schritte wie die Implementierung von Wertemanagementsystemen, denen sich Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen unterwerfen müssen, sollten unbedingt folgen. Den Dialog mit dem größten Auftraggeber für Bauleistungen in Deutschland – der Deutschen Bahn AG – haben wir inzwischen begonnen.
Ganz wesentlich ist jedoch, dass wir die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) als bewährtes Bollwerk gegen Korruption stärken. Wir dürfen auf keinen Fall den Wünschen einiger öffentlichen Auftraggeber nachgeben, die mit Blick auf vermeintliche Preisvorteile dieses Bollwerk schleifen wollen.
Gleichzeitig müssen wir jedoch dafür sorgen, dass zusätzliche Belastungen von der Bauwirtschaft fern gehalten werden. Wir lehnen deshalb die im Gesetz zur „Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit“ vorgesehene Hauptunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge von Subunternehmern ab. Für die deutsche Bauwirtschaft stellt die geplante Haftungsregelung eine schwere Inländerdiskriminierung dar, da ausländische Wettbewerber von diesen Haftungsregelungen faktisch nicht erfasst werden können. Statt dessen schlagen wir die Einführung einer zentralen Meldestelle der Sozialversicherung vor, aber auch die Ermöglichung von Freistellungsbescheinigungen bei Vorlage von Sozialversicherungsnachweisen.
THOMAS BAUER

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