Bau 20.04.2001, 17:29 Uhr

Außenhaut aus dünnem Gewebe

das höchste, das luxuriöseste Hotel, das einzige Sieben-Sterne-Haus der Welt, usw. Eine Besonderheit allerdings wird kaum erwähnt: Das Haus – in dessen Atrium der Kölner Dom bequem Platz hätte – ist auf einer Seite völlig offen und wird nur durch eine Textilbahn geschützt.

Der „Arabian Tower“ ist ein spektakuläres Projekt: Es ist das höchste Hotel der Welt, denn mit 321 m ist es nur 60 m niedriger als das Empire State Building. Es ist das einzige Hotel, das nur Suiten anbietet und auch das einzige Sieben-Sterne-Haus der Welt. Zudem noch ist es das höchste Gebäude des Mittleren Ostens und die einzige Herberge, die ihre Gäste ausschließlich mit Rolls Royce vom Flughafen abholt.
Geplant wurde das Bauwerk vom englischen Architekturbüro W. S. Atkins im Auftrag einer arabischen Investorengruppe, Besitzer des Hauses ist der Kronprinz von Dubai. Für das über 320 m hohe Hotel wurde ein V-förmiger Grundriss gewählt. Dass die offene Seite des V nur von einer weißen, transluzenten Membranfassade geschlossen wird, stellt einen weiteren Superlativ dar, denn nie zuvor wurde eine Membrane als großflächige Fassade eingesetzt.
So entstand ein Atrium, das problemlos die Türme des Kölner Doms aufnehmen könnte. Der Springbrunnen der Lobby wurde diesen Dimensionen angepasst – sein Wasserstrahl reicht bis in 30 m Höhe. Das Top-Restaurant des Hotels, Al Muntaha, schwebt – natürlich – ganz oben in über 200 m Höhe und setzt dem im Aufriss umgekehrt V-förmigen Bauwerk, das ein wenig an eine Rakete auf der Abschussrampe erinnert, die Spitze auf. Das Seafood-Restaurant Al Mahara fällt ins andere Extrem: Es liegt unter Wasser und ist nur durch eine simulierte Tauchfahrt von der Lobby aus zu erreichen. Insgesamt mehr als 20 weitere Restaurants, Cafés und Bars machen die Wahl manchmal schwer.
Neben den architektonischen Anforderungen mussten die große Höhe, die schwierigen Windverhältnisse und die temperaturbedingt extremen Längenänderungen der Stahl- und Seilkomponenten in das Tragwerkskonzept mit einfließen. Die daraus entwickelte Stahlkonstruktion, die die 14 000 m2 große Membranfassade hält, hat ein Gesamtgewicht von 700 t. Insgesamt nur 12 horizontal verlaufende Stahlträger unterstützen die großflächigen Membranmodule.
Eine bei solchen Bauten allgemein übliche Glasfassade hätte nicht nur ein um etwa 50 % höheres Gewicht gebracht, sie wäre auch sowohl bei den Herstell- wie auch bei den Wartungskosten wesentlich teurer gewesen. Doch ausschlaggebend für die Wahl der Membranfassade war nicht der geringere Preis, sondern die ungewöhnliche Anmutung.
Mit der Ausführung der textilen Fassade wurde der oberbayrische Membranhersteller Skyspan beauftragt. Dieser hatte zwar mit der Membrane über dem Stuttgarter Stadion bereits die größte europäische Konstruktion dieser Art hergestellt, doch Dimension und bauphysikalische Anforderungen des Auftrags aus Dubai stellten eine ganz neue Herausforderung dar.
Nach Abwägung aller Einflussfaktoren fiel die Materialwahl auf ein Glasfasergewebe, das mit Dyneon-PTFE (Polytetrafluorethylen) beschichtet wurde. Durch die Beschichtung mit Hochleistungspolymeren hält die Textilie dauerhaft Wind und Wetter stand. Die beschichtete Glasfasermembrane wurde doppellagig eingesetzt und ist transluzent – die Lichtdurchlässigkeit beträgt etwa 10 % – sowie extrem haltbar und außerordentlich fest, so dass sie auch für diese großen Spannweiten geeignet ist.
Durch den Einsatz von Polymeren als Beschichtung erreichte man weitere Vorteile: Der Verbund von Glasfasergewebe und Beschichtung hat gute Antihaft-Eigenschaften, was einer raschen Verschmutzung vorbeugt, sowie eine hohe Resistenz gegenüber intensiver UV-Strahlung. Darüber hinaus verkraftet das Material hohe Temperaturschwankungen und Brandeinwirkung bei minimaler Stärke – die Bahnendicke beträgt weniger als 0,1 mm.
Auf 56 Stockwerken sind im Arabian Tower insgesamt 202 jeweils zweigeschossige Suiten untergebracht, die kleinste davon verfügt über 169 m2 Wohnfläche. Die Einrichtungsgegenstände wurden exklusiv für das Haus angefertigt und die Strecke zum Flughafen wird nur im Rolls Royce zurückgelegt, es sei denn, der Gast möchte vom Heli-Pad über der 56. Etage aus den Hubschrauber nehmen.
Der gesamte Bau ruht auf einer der Küste vorgelagerten künstlichen Insel. Nicht etwa, weil sonst kein Grundstück mehr verfügbar gewesen wäre, sondern damit das Hochhaus die anderen Bauten der Küste nicht verschattet. wip

Ein Beitrag von:

  • Wilma Preiss

    Redakteurin VDI nachrichten. Fachthemen: Hoch- und Tiefbau, Bautechnik.

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