Anschluss an die große weite Welt
„airport 2000 plus“ heißt das Konzept, mit dem der Flug- hafen Düsseldorf den Anschluss an die internationalen Groß- flughäfen finden will. Mit der Einweihung des Terminal B am 1. 7. 01 verfügt Düsseldorf nun über Kapazitäten zur Abfertigung von 22 Mio. Passagieren jährlich.
Am Anfang war das Dorf. Lohausen wird erstmals am 25.11.1193 von Kaiser Heinrich VI. urkundlich erwähnt. Von diesem kleinen Ort aus, mittlerweile Teil Düsseldorfs, bedient die Deutsche Lufthansa ab dem 19. April 1927 zunächst ihre Strecken nach Berlin, Hamburg und Genf. Zwölf Jahre später sind 87 333 Fluggäste gezählt worden – nach der Einweihung des Terminals B am 1. Juli 2001 wird eine Kapazität für jährlich 22 Mio. Passagiere frei.
Das Gesamtprojekt heißt „airport 2000 plus“. Diese Entwicklung zeigt sowohl das Dilemma wie den Erfolg der Flughafen Düsseldorf GmbH (FGD). Sie sieht ihre innerstädtischen Start- und Landebahnen „in einer günstigen Lage“, die etwa aus dem benachbarten Ruhrgebiet ziemlich schnell zu erreichen ist. Doch die zentrale Lage hat auch Nachteile um den Flughafen herum leben 3000 Menschen: „Ein Flugzeug-Absturz aus dem Steigflug“, so fürchtet Bezirkspolitiker Jürgen Gocht , „gliche einer tödlichen Feuerwalze in bewohnten Straßenzügen“.
Die Katastrophe geschieht am 11. April 1996. Um 15.29 Uhr kommt es zu einem Großbrand, der noch heute die Straf- und Zivilgerichte beschäftigt. 17 Menschen verbrennen oder ersticken qualvoll im Rauch, 88 Menschen werden verletzt. Die kaufmännisch und politisch Verantwortlichen (die FGD gehörte zu der Zeit je zur Hälfte der Stadt Düsseldorf und dem Land Nordrhein-Westfalen) hätten spätestens jetzt den Standort Lohausen aufgeben und an dezentralen Plätzen (Münster und Köln beispielsweise, Mönchengladbach und Dortmund) investieren können. Sie aber sehen nach der Brandkatastrophe die Chance einer baulichen Erweiterung.
Aus einem Wettbewerb geht Anfang 1997 der Entwurf des Büros J.S.K. erfolgreich hervor. Die Düsseldorfer Architekten Helmut W. Joos, Karsten Krüger-Heyden, Jurek M. Slapa, Helmut Oberholz und Zbigniew Pszulny nennen ihre Philosophie „ein ausgewogenes Verhältnis zwischen innovativen Konzepten und praxisbewusster Realisierung“. Die Jury bewertet den Entwurf als „ein homogenes Gesamtbauwerk ohne Bruch in der gestalterischen Aussage“. Die Arbeiten wurden an eine Generalunternehmer-Arge, bestehend aus Hochtief, Bilfinger+Berger und Philipp Holzmann vergeben. Im Februar 1998 begann der Abriss des Flugsteigs.
Die Dimensionen der Baustelle sind gewaltig: In Spitzenzeiten werden für die Roh- und Ausbauarbeiten bis zu 1000 Arbeiter täglich im 24-Stunden-Einsatz beschäftigt. Allein die Lieferung von Beton (verbaut werden 160 000 m3) bedingt mehr als 13 000 Lkw-Transporte. Das sei kein Facelifting mehr, heißt im Dezember 2000 bei der FDG, „das ist eine Operation am offenen Herzen“. Oder wie es Ingenieur Jens Birkhölzer von der Projektleitung formuliert: „Der Bau läuft wie eine Autoreparatur während der Fahrt“.
Denn der Flugbetrieb darf nicht behindert werden. Pro Tag werden 45 000 Passagiere gezählt, über 500 Maschinen starten und landen täglich. Zwölf Hochbaukräne sind im Einsatz, die in Absprache mit der Deutschen Flugsicherung positioniert werden müssen. Projektleiter Karl-Heinz Paul: „Das macht die Bauaktivitäten zu einer besonderen technischen und logistischen Herausforderung“. Daran ändert selbst die im September “99 drohende Holzmann-Pleite nichts. Der zuversichtliche FDG-Sprecher Torsten Hiermann sagt: „Wir zweifeln nicht an der Auftragserfüllung“.
Der Name „airport 2000 plus“ steht für das größte Investitionsprojekt in der rund 50jährigen Geschichte des Flughafens. Vordergründig geht es dabei um „menschliches Augenmaß“ und „Servicebereitschaft“. Hinter den Kulissen freilich steht die Flughafen Düsseldorf GmbH (FDG) unter wirtschaftlichem und politischem Druck: Sie fürchtet die Konkurrenz, speziell die in Frankfurt und Amsterdam.
Auch deswegen kann sich vor zwei Jahren FDG-Geschäftsführer Hans-Joachim Peters über die Meldung „Zufriedene Kunden“ freuen: Kein Großflughafen hat 1998 mehr für die Kundenzufriedenheit getan als der Düsseldorfer. Zu diesem Fazit kommt der internationale Dachverband der Fluggesellschaften (IATA) nach einer Befragung von 80 000 Passagieren. Einen Grund für die Zufriedenheit der Kunden sieht die IATA in der Wiedereröffnung von Terminal A, dem ersten Komplex des Programms „airport 2000 plus“.
Der zweite Komplex, das neue Terminal B, bietet noch mehr. „Eines der Highlights“, verkündet FDG-Sprecher Hiermann, „werden die Airport-Arkaden sein“. Der Hintergrund: Die von den meisten Fluggesellschaften erwünschte Sicherheits-Zeitspanne zwischen Gepäckabgabe und Abflug dient auch dem Kaufrausch. In diesen jeweils 90 Minuten möchte die FDG künftig aus einer Goldquelle schöpfen. Den täglich rund 45 000 Passagieren bietet die FDG ab dem 1. Juli 2001 mit diesen „Airport Arkaden“ eine Einkaufsmeile, „an der kein Weg vorbeiführt“. Weil die Airport Arkaden jedem offen stehen, rechnet die FDG zusätzlich mit durchschnittlich 15 000 neugierigen Besuchern täglich.
Den insgesamt 60 000 Menschen wird dann auf einer 6200 m2 großen Einzelhandelsfläche „ein ausgewogener Branchenmix“ geboten: Mode, Kosmetik, Schmuck, Unterhaltungselektronik, Tabakwaren, Spirituosen, auch Feinkost. Außerdem stehen 4400 m2 für die Gastronomie bereit und 1200 m2 für ein Geschäftskonferenzzentrum. Damit werden sich die Verkaufsflächen am Düsseldorfer Stadtflughafen seit 1995 vervierfacht haben. „Reisende“, freut sich FDG-Sprecher Hiermann, „sind häufig in Konsumlaune.“
Insgesamt brauchen die neuen Flughafenanlagen so viel Energie wie 20 000 Einfamilienhäuser. Das war der Grund dafür, 80 Mio. DM in ein neues Stromnetz rings um das Gelände zu investieren. Von der Umspannstation aus werden rund 110 km Kabel neu verlegt und 40 Unterstationen ans Netz angeschlossen. Zwei getrennte Versorgungssysteme, die sich per Computer gegenseitig kontrollieren, sollen den kompletten Blackout verhindern. „Den Totalausfall eines Systems würde der Flughafengast überhaupt nicht bemerken“, erklärt Projektleiter Marcus Lechtenberg. Die Techniker allerdings sofort: Jede Störung in der Energieversorgung auf dem 615 ha großen Gelände könne innerhalb von 10 min lokalisiert werden.
Für die etwa 2 km zwischen neuem Bahnhof und Flughafen-Terminal hatten sich die Planer etwas besonderes ausgedacht: Eine vollautomatische Schwebebahn, den „people mover“, in den die FGD rund 225 Mio. DM investiert. Doch die Schwebebahn wird wohl erst im nächsten Jahr eingesetzt, bei der Firma Siemens gibt es, so Firmensprecher Arno Korte „Probleme in der Automatisierungstechnik“. Rund 7 Mio. DM Strafe musste Siemens für diese Verzögerung berappen.
Die Deutsche Lufthansa beurteilt die Neubaumaßnahmen zurückhaltend: „Der gesamte Ausbau ist völlig überdimensioniert“, kritisiert Lufthansa-Sprecher Thomas Jachnow, „zumal in Düsseldorf wegen der komplizierten Rechtslage mit einem Null-Wachstum in den nächsten Jahren zu rechnen ist.“ Hätte man die Lufthansa in die Planung einbezogen, „hätten wir sicher eine ganz andere Empfehlung ausgesprochen.“ Düsseldorf sei „ein Negativ-Paradebeispiel für die zunehmende Privatisierung“, so Jachnow. Unternehmen wie Hochtief (dem inzwischen der Flughafen zur Hälfte gehört) „erwarten eine Rendite, die nicht realistisch ist.“ Lohausen sei „interessant, aber nicht der einzige Flughafen“.
Mit „komplizierter Rechtslage“ ist der Widerstand der Bürger – auch in den benachbarten Gemeinden – gegen den stets steigenden Krach gemeint. Und so kommentiert denn auch die Vorsitzende des Bürgervereins: „Wir gönnen dem Flughafen den modernen Terminal“, so sagt Dr. Gudrun Elwakil, „aber wir sind mit einer Verdoppelung der Flugbewegungen nicht einverstanden. 1985 gab es noch rund 70 000 Starts und Landungen in den Sommermonaten, bald sollen es 120 000 sein.“
Was kümmert es die FDG? Sie hat aus ihrer Destination das provinziell klingende „Lohausen“ längst gestrichen – jetzt heißt es „Düsseldorf International“. E. Liliensiek/wip
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