Roboter bauen Roboter nach Maß
Roboter könnten auch im Alltag ermüdende Routinearbeit übernehmen – wenn sie nicht so teuer wären. Mit der durchgehenden Automation, vom Entwurf bis zur Montage, sollen aus den teuren Spezialmaschinen bald Billigarbeitskräfte für Normalverbraucher werden.
Roboterbauer legen überzeugend dar, dass im Jahr 2001 die Roboter angelangt sind, wo die PCs 1980 waren: auf dem Sprung in den Markt, als reguläre Werkzeuge in Unternehmen und gängige Konsumprodukte für die ermüdenden Routinen des täglichen Lebens. Bleibt noch ein großes Hindernis: Es ist teuer, Roboter zu entwerfen und sie so smart zu machen, dass sie sich an unterschiedliche Aufgaben und Umgebungen adaptieren – so einfach wie es Menschen tun.
Das ist der Grund, warum die Robotik ihre kommerzielle Nische bislang nur in simpelen und hoch repetitiven Jobs gefunden hat, etwa am Fließband in der Automontage oder bei der Serienfertigung identischer Teile wie Spielwaren. Die Herausforderung der Roboterbauer liegt in der Realisierung höherer Komplexität – ohne die riesige Investition, jeden Roboter für jede Aufgabe nach Maß zu schneidern.
Ein viel versprechender Ansatz dazu ist die durchgehende Automatisierung des Entwurfs und der Fertigung von Robotern durch Einsatz von Computern zum Konfigurieren jedes Robotersystems – vom Konzept, über den Test bis zur Fertigung. In einem Wort: Roboter bauen Roboter. In seinem engen Labor an der Brandeis-Universität in Waltham, Massachusetts, hat Jordan Pollack im vergangenen Jahr demonstriert, wie diese automatisierte Entwicklung und Fertigung von Robotern funktionieren könnte.
Zusammen mit dem Postdoc Hod Lipson programmierte der Informatikprofessor Pollack einen Computer, aus einer begrenzten Zahl von Elementen ein bewegungsfähiges Geschöpf zu entwerfen: mit Kunststoffstangen, Kugelgelenken, Kleinmotoren und einem neuronalen Netz als „Gehirn“. Mit einem aus der biologischen Evolution abgeleiteten Algorithmus „evolvierte“ der Computer dessen mögliche Gestalt über Hunderte von Generationen. Dabei ließ er die Lahmen aussterben und verfeinerte die Kräftigen. Die Schnellsten und Fittesten erblickten auf einer Maschine für Rapid Prototyping das Licht der Welt. Pollack und Lipson setzten ihnen Motoren an – und sie bewegten sich.
„Der wichtige Punkt für die Robotik an unserem ko-evolutionären Design und der automatisierten Fertigung ist es, die Produktion von Kleinserien wirtschaftlich zu machen“, denkt Pollack. Er sieht voraus, dass die evolutionäre Methode beim Roboterbau in fünf bis zehn Jahren zu den ersten billigen Industrierobotern führen könnte. „Wenn wir erfolgreich sind, könnten wir innerhalb einer Dekade eine Industrie sehen, deren kundenspezifische Maschinen bei geringen Stückzahlen mehr Wert haben, als es kostet sie zu bauen.“ Im Moment braucht Pollacks „automatisierter“ Prozess noch beträchtliche menschliche Intervention und viel Geld: Pollack und sein Kollege haben das Computerprogramm geschrieben und 50 000 Dollar in den von Menschen gebauten Fertigungsroboter gesteckt. Dennoch brachte der Fortschritt, den die Zeitschrift Nature im letzten August beschrieb, seinem Team breite Publicity. „Das hat symbolische Bedeutung“, sagt Hans Moravec, leitender Forscher am Robotics Institute der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh. „Es sind Systeme, nicht Menschen, die Roboter aus dem Nichts entwickeln. In Zukunft wird es reale Roboter geben, die so entworfen werden.“
Pollacks Entwurfs- und Fertigungsmethoden haben reichlich Konkurrenz. Rund um die Welt beschäftigen sich akademische und industrielle Labors mit dem Bau neuer Generationen von Robotern. Noch in dieser Dekade sagen Experten die stetige Evolution kommerzieller Service-Roboter voraus, die Fußböden reinigen und gründlich aufräumen können. „Es gibt einen Massenmarkt“, davon ist George Bekey, Gründer des Robotik-Labors der University of Southern California in Los Angeles überzeugt. „Diese Dekade ist die Dekade der Roboter.“
Bevor die Roboter in die Alltagswelt von Büro und Haushalt einrücken, benötigen sie allerdings ihre spezielle Version des Moore“schen Gesetzes: Sie müssen mit der Zeit drastisch leistungsfähiger und erschwinglicher werden. Trotz faszinierender Experimente wie dem von Pollack ist selbst der Entwurf relativ einfacher Roboter ein mühsamer Job. So hat Honda in Japan über 14 Jahre dazu gebraucht, einen humanoiden Roboter zu bauen, der gehen, Türen öffnen und Treppen steigen kann.
Ein Rundgang durch Pollacks Labor suggeriert eine bessere Idee zum Roboter-Entwurf. Auf der Werkbank steht eine seiner Maschinen, vom Computer entworfen und vom Computer gebaut. Sie windet sich träge, unheimlich, wie ein Wurm. Pollack schabt überflüssiges Material von einer eben fabrizierten Kunststoffstange. Auf seinem Hemd und rund um den Stuhl sammeln sich Plastikflocken. Doch er bemerkt sie nicht. Mag sein, dass Pollack bald einen billigen Roboter evolviert, der seine eigenen Abfälle vom Boden fegt. DAVID TALBOT
Aus dem amerikanischen von Werner Schulz
Nächste Woche: Mikrofluidik – Kräfte der flüssigen Welt im mikroskopischen Bereich
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