Die „Plug and Play“-Produktion rückt näher
Monolithische Automatisierungssoftware wird zunehmend ersetzt durch serviceorientierte, flexible und offene Software-Architekturen, etwa mit unternehmensweitem Echtzeit-Zugriff auf Poduktionsdaten. Die Vision der flexiblen Plug-and-Play-Fabrik ist nicht mehr allzu weit vom Betriebsalltag entfernt, wie sich auf der SPS/IPC/Drives in Nürnberg zeigte.
Eine immer höhere Marktdynamik, die Kostenreduktion sämtlicher Abläufe und die Einhaltung von Vorschriften, das sind die Voraussetzungen für die Einführung durchgängiger, intelligenter und industrialisierter Geschäftsprozesse. Die Zusammenarbeit zwischen den Fachabteilungen und der Informationstechnologie (IT) sind dafür neu zu organisieren. „Der Schlüssel dazu ist eine Prozess- und Service-Orientierung, die eine strikte Trennung in prozessspezifische Logik per Business Process Management und in prozessübergreifende Logik per Business Rules Management erlaubt, so dass Fachabteilungen und IT eine gemeinsame Sprache, bestehend aus Prozessen, Regeln und Analytik bekommen und so gemeinsam intelligente und revisionssichere Systeme für ein agiles Unternehmen bauen können“, betonte der IT-Unternehmensberater Dr. Wolfgang Martin in Nürnberg.
Dieser Ansatz einer serviceorientierten Architektur (SOA) hält seit einigen Jahren Einzug in die Informationstechnik und nun auch in die Automatisierungstechnik. Geschäftsprozesse lassen sich als gekapselte (Web-)Services implementieren, die einfacher gepflegt und wieder verwendet werden können. Das US-Unternehmen Rockwell Automation beispielsweise setzt in seiner Suite „FactoryTalk“ auf SOA für die Nutzung gemeinsamer Dienste wie dem Directory als das übergeordnete Adressbuch mit werksübergreifenden Anlagenressourcen, Security richtet zentral alle Komponenten des Automatisierungssystems ein und weist ihnen Rechte zu, Live Data ermöglicht den unternehmensweiten Echtzeitzugriff auf Produktionsdaten, und Diagnostics ist eine zentrale Instanz für die vom System erstellten Informationen, Warnungen und Fehlermeldungen.
Im EU-Projekt Socrades (Service-Oriented Cross-layer Infrastructure for distributed smart embedded Devices) beispielsweise arbeiten mehrere Institute und Unternehmen an einer SOA-Implementierung – in Deutschland beispielsweise Ifak, SAP und Siemens, in Frankreich Schneider Electric, in Großbritannien ARM und in Schweden ABB. In diesem Projekt sollen neue Methoden, Technologien und Tools für die Modellierung, die Entwicklung und die Implementierung von vernetzten intelligenten Systemen auf Basis einer SOA enstehen, die eine Interoperabilität dieser Systeme über offene Schnittstellen auf der semantischen Ebene ermöglichen.
So ist Device Profile for Web Services (DPWS) ein von Microsoft entwickelter Standard, der darauf abzielt, Web Services auf Endgeräten mit beschränkten Resourcen zu etablieren. DPWS baut auf fundamentale Web-Service-Spezifikationen auf, die es Endgeräten erlaubt, sich gegenseitig im Netzwerk zu finden und ihre Verbindung zum oder ihr Verlassen des Netzwerkes zu melden. Anderen Teilnehmern wird der Zugriff auf Geräte und Servicebeschreibungen dynamisch ermöglicht. Für asynchrone Benachrichtigung können sich Endgeräte registrieren lassen (WS-Eventing). Dies sind nur einige der Basisfunktionen, welche dazu genutzt werden sollen, Web Services ebenfalls auf industrielle DPWS-konforme Geräte zu bringen. Ein von Schneider Electric entwickelter DPWS-Protokollstack inklusive Softwarewerkzeuge setzt auf diesem Standard auf und fließt nun in europaweite Projekte ein.
Beim Start des DPWS-Client wird sofort nach allen verfügbaren DPWS-Geräten im Netzwerk gesucht und das erste ausgewählt, welches die geforderten Charakteristika einhält. Dann werden die relevanten Metadaten dargestellt und ein „Subscribe“ der Events durchgeführt. Der DPWS-Client reagiert dann auf Benutzereingaben und sendet entsprechende Befehle an das Gerät bzw. Steuerung. „Der Eventing-Mechanismus hat sich als sehr zuverlässig herausgestellt. Jeder Client, der ein Subscribe durchgeführt hat, wird bei der Veränderung der Variablen informiert“, erläuterte Automatisierungsspezialist Axel Bepperling von Schneider Electric in Seligenstadt auf der SPS/IPC/Drives. Dies könne nicht nur dazu genutzt werden, um die grafische Darstellung des Clients zu aktualisieren, sondern auch, um auf diese Events entsprechend zu reagieren. Dieser Ansatz sei in vollständiger Übereinstimmung zum SOA-Konzept und weiche daher fundamental von der bisherigen zentralisierten Architektur ab, die in traditionellen Produktionsanlagen verwendet wird.
Eine der ersten Pilotanwendungen sei ein digitales Modell von Fördertechnikelementen der Firma Flexlink, schilderte Bepperling. Diese Elemente dienen als Bausteine für komplette Produktionsanlagen: „Der gesamte Transportprozess wird in einzelne Teilprozesse zerlegt, welche durch einen zentralen Client asynchron über Events aktiviert werden können. So lassen sich verschiedene Szenarien einfach überprüfen. Im nächsten Schritt wurden einzelne Komponenten mit realen Komponenten teilweise oder ganz ersetzt, um damit reale Hardware in die Gesamtsimulation zu integrieren. In der Endphase des Engineeringprozesses wurde dann die virtuelle Simulation komplett auf die Hardware übertragen.
ACHIM SCHARF/KIP
EU-Projekte optimieren die Steuerungstechnik
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