Architektur 26.07.2002, 18:21 Uhr

Verriss für die Neubaupläne auf Ground Zero

langweiligste Gebrauchsarchitektur nach dem Geschmack der Investoren, völlig gesichtslos – Fachwelt und New Yorker Bürger laufen Sturm gegen das Vorhaben. Vergangenes Wochenende versammelten sich knapp 5000 New Yorker in einer Messehalle auf Manhattan, um ihre Vorstellungen für den Wiederaufbau des World-Trade-Center-Geländes zu Gehör zu bringen. „Die Pläne, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind unterirdisch“, meint Gary Newman, ein Architekturstudent. „Ich hoffe, dass wir da noch etwas ändern können.“

Wie viele andere New Yorker ist er enttäuscht von den Masterplänen für Ground Zero, die die Stadt jetzt veröffentlicht hat. „Diese Pläne sind alle nur von harten Wirtschaftsfakten diktiert“, kritisiert auch der Architekt Beverly Willis. „Sie haben kein Herz und nichts von dem, was wir uns alle wünschen, nämlich dass etwas Wundervolles auf diesem Platz entsteht.“ Stadtplaner und Architekten kritisieren einhellig, dass die Entwürfe lieblos zusammengeschustert sind. „Das ist die Jahrhundertgelegenheit, Downtown Manhattan kreativ wieder aufzubauen“, sagt Mitchell Moss, Direktor des Taub Forschungszentrums für Stadtplanung. „So ängstlich und schwach, wie die Pläne jetzt sind, sollten sie nie verwirklicht werden.“
Die sechs vorgestellten Ideen fallen vor allem durch ihre Ähnlichkeit auf. Keiner bietet eine Überraschung. Alle sehen mehrere 30 bis 85 Stockwerke hohe Bürotürme, viel Einkaufsfläche, einen Bahnhof, ein Hotel und eine Grünfläche für die Gedenkstätte vor. Ein Wiederaufbau des alten World Trade Center ist nicht geplant, doch zum Teil ragen die Gebäude fast so hoch in den Himmel wie die alten Türme. Drei Entwürfe planen Bürohäuser auf dem Grundriss der zerstörten Gebäude.
Dagegen wehren sich die Angehörigen der Opfer vehement. „Für die Familien ist das völlig undenkbar“, sagt Monica Iken, die eine der Opfergruppen vertritt. Allen Plänen gemeinsam ist, dass sie Grünflächen für eine Gedenkstätte vorsehen. Die Größe schwankt zwischen einem und zwei Dritteln der Gesamtfläche. Identisch sind die Entwürfe, was die Quadratmeterzahl von Büro- und Einkaufsfläche angeht. Jeder Plan sieht über eine Mio. m2 Büros und knapp 66 000 m2 Shops vor – genau soviel, wie vor dem 11. September.
Am Planungsprozess beteiligte Insider wundern sich über diese exakten Vorgaben. Vor ein paar Wochen sei keine Rede davon gewesen, dass den Entwürfen diese Zahlen zugrunde liegen müssten. Das ist nur eine von vielen Merkwürdigkeiten eines Planungsprozesses, in dem es so geheimnisvoll zugeht wie bei einem Mafiatreffen.
Obwohl sich die Planungskommission von Anfang an der Transparenz verpflichtet hatte, wurde in New York wohl selten ein öffentliches Projekt so sehr hinter verschlossenen Türen verhandelt wie der Wiederaufbau von Ground Zero. Schon der Start war bizarr. Im April verschickte die städtische Planungskommission Anfragen an 24 New Yorker Architekturbüros – ohne das irgendwo öffentlich bekannt zu machen und ohne Aussagen darüber, nach welchen Kriterien ausgewählt wurde. Geradezu abenteuerlich war die Frist: Die Firmen hatten lediglich 10 Tage, um Pläne zu erarbeiten.
Zwischendrin wurde der ganze Vorgang abrupt gestoppt, weil die Hafenbehörde (Port Authority), der das Grundstück gehört, plötzlich selbst den Planungsprozess in die Hand nehmen wollte. Die Planungskommission zog ihre Anfragen zurück. Die Architekturbüros stoppten ihr Arbeit, nur um vier Tage später dieselben Anfragen wieder zu bekommen, diesmal aber eben von der Hafenbehörde. 15 Firmen reichten Vorschläge ein, die Planungskommission wählte Beyer Blinder Belle (BBB) aus.
Und auch da heißt es, das Architekturbüro habe das Rennen nur gemacht, weil Alexander Garvin, der Vizepräsident der Kommission, BBB unbedingt als Sieger sehen wollte. Die Planer weisen die Vorwürfe zurück: „Das Team wurde ausgewählt wegen seiner Erfahrung, den technischen Qualifikationen, dem Personal und dem Verständnis für New York“, so Joseph Seymor, Direktor der Hafenbehörde. „Beyer Blinder Belle hat Sinn für Visionen und die nötige Sensibilität für das Projekt.“
Viele Architekten schmunzeln über dieses Lob. Denn Beyer Blinder Belle (BBB) können zwar auf einige Restaurierungen, wie z.B. die der Grand Central Station, verweisen, für visionäre Entwürfe ist die Firma allerdings nicht bekannt. Die wenigen neuen Gebäude, die BBB in Manhattan bauen ließ, handelten dem Büro unter Kollegen den Spitznamen „Bla Bla Bla“ ein – für als langweilig empfundene Allerweltsarchitektur. Wahrscheinlich ist genau das jedoch von den Grundstückseigentümern so gewollt. Denn ihnen geht es nicht so sehr darum, in Downtown Manhattan etwas Visionäres zu bauen, ihnen geht es vor allem ums Geld.
Sechs Wochen vor dem Terrorangriff hat die Hafenbehörde einen 99-jährigen Pachtvertrag mit dem 70-jährigen Immobilienhändler Larry Silverstein geschlossen, der wiederum einen Untervertrag mit dem ebenfalls über 70-jährigen australischen Einkaufsmall-Betreiber Frank Lowy hat. Silverstein zahlt jeden Monat 10 Mio. Dollar Miete an die Hafenbehörde. Laut Vertrag kann er den Wiederaufbau der von ihm gepachteten Büro- und Einkaufsflächen verlangen.
So ist es denn auch kein Wunder, dass alle sechs Masterpläne genau die Quadratmeterzahl vermarktbarer Fläche aufweisen, die Silverstein und Lowy forderten. „Die Entwürfe orientieren sich viel zu sehr an den kurzfristigen Interessen der Pächter, anstatt einen langfristigen guten Plan für Manhattan zu machen“, kritisiert Craig Whitaker, der Stadtplanung an der New York University lehrt.
Auch andere Gruppen bemängeln, dass durch diese Vorgabe zu viel Geschäftsfläche auf zu engem Raum platziert wird. „Das hat nichts zu tun mit Stadtplanung im 21. Jahrhundert, oder damit, wie man eine lebendige Kultur in die Gegend bringt,“ beklagt Susan Szenasy, Gründerin der Wiederaufbaugruppe „Rebuild Downtown“: „Die Pläne sind sehr enttäuschend. Kein Platz für frische Ideen“, meint sie. Nach der heftigen öffentlichen Kritik an den vorgelegten Masterplänen macht die Planungskommission jetzt einen kleinen Rückzieher. Plötzlich sind die Entwürfe lediglich „Grundlage für Diskussionen“. Der Chef der Kommission, John Whitehead, formuliert das so: „Wir werden sehen, ob es möglich ist, die privaten Rechte der Pächter zu schützen und trotzdem einen schönen Platz aufzubauen, auf den wir alle stolz sind. Ich glaube, das geht. Falls nicht, dann müssen wir unsere Pläne eben ändern.“ Auch die Hafenbehörde lenkt ein. Man wolle noch mal mit Silverstein verhandeln, so Behördenchef Joe Seymore.
Die kritischen New Yorker verlangen ein Bauwerk mit Wahrzeichenfunktion, wie es das alte WTC war. Vielleicht werden sie ja von den Planern doch noch erhört… S. WÄTJEN/wip

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