Architektur 22.11.2002, 18:22 Uhr

Ein Museum für den Feldherrn

Über 500 Jahre suchten Wissenschaftler nach der Stätte der berühmten Varusschlacht – an fast 700 Orten. Doch erst 1987 wurde sie durch einen Münzfund des Hobbyarchäologen Tony Clunn 20 km nördlich von Osnabrück entdeckt. Jetzt entstand dort ein archäologisches Museum.

Die Fachwelt merkte auf, als Tony Clunn im Sommer 1987 zufällig einen Münzschatz entdeckte. Man begann, in Bramsche-Kalkriese systematische archäologische Grabungen durchzuführen. Annähernd 6000 Funde, vor allem Münzen und militärische Überreste römischer Herkunft, sind seitdem geborgen worden – darunter die eiserne Maske eines römischen Gesichtshelmes. Die Entdeckung germanischer Wallanlagen und zahlloser Knochenfunde untermauerten die Wahrscheinlichkeit, dass der römische Feldherr Publicus Quinctilius Varus und sein Heer hier in Kalkriese von dem Cherusker Arminius in einen Hinterhalt gelockt und geschlagen wurde.
Um die Funde und auch das rund 24 ha große Areal für die Öffentlichkeit zugänglich machen zu können, lobte der Archäologische Museumspark Osnabrücker Land einen Architekturwettbewerb aus. Den ersten Preis gewannen die Schweizer Architekten Annette Gigon und Mike Guyer, Zürich, zusammen mit den Landschaftsarchitekten Zulauf/Seippel/Schweingruber, Baden.
Die Planer hatten sich dafür entschieden, die Aufgabe durch abstrakte, symbolische Elemente zu lösen. Hintergrund ist die Tatsache, dass es in Kalkriese kein authentisches Material, wie Fundamente oder Mauerreste gibt. Architektur und Landschaft sollen nur Hinweise geben und Zeichen setzen, dennoch Geschichte sichtbar machen und gleichzeitig die Verbindung zur Gegenwart schaffen. „Das Projekt umfasst in der Folge einige wenige Maßnahmen,“ erläuterten die Architekten ihr Konzept: ein Wegesystem im Gelände, die Visualisierung des Wallverlaufs, eine partielle Rekonstruktion der ehemaligen Landschaft sowie als bauliche Elemente drei Pavillons und ein Museumsgebäude.
Das Wegesystem besteht aus drei Elementen. Großflächige, unregelmäßig ausgelegte Eisenplatten verdeutlichen die Route, die die römischen Legionäre wahrscheinlich beschritten haben. Einige von ihnen sind mit historischen, römischen oder zeitgenössischen Schriftfragmenten versehen und sollen dem Besucher Stück für Stück eine Vorstellung von der damaligen Situation vermitteln. Die Stellungen der Germanen im Wald hingegen werden mit schmalen Holzschnitzelpfaden dargestellt. Wenig auffällig symbolisieren sie Tarnung, aber auch Angriffs- und Rückzugsmöglichkeit. Die dritte Weganlage überlagert die historischen Pfade und erlaubt den Besuchern, unabhängig von den Positionen der Römer und Germanen, das ganze Gelände zu erkunden.
Eiserne Stelen zeichnen den Verlauf des Erdwalls nach, hinter dem sich die Germanen versteckt hatten. Stählerne Spundwände geleiten die Besucher ins Tal der Geschichte. Ein etwa 1600 m² großer Landschaftsschnitt zeigt in verkleinertem Maßstab die topografische Situation, mit der sich die römischen Truppen konfrontiert sahen: eine schmale Sandpassage zwischen Wald, Befestigungsanlagen und Moor.
Drei über das Gelände verstreute „Pavillons der Sinne“ sollen die gewonnen Eindrücke vertiefen und relativieren. Im Pavillon des Sehens stellt eine Camera Obscura die Welt auf den Kopf, im Pavillon des Hörens werden die Geräusche der Außenwelt verstärkt und durch akustische Einspielungen verfremdet, und der Pavillons des Fragens macht durch schlitzartige Öffnungen zum ehemaligen Schlachtfeld und filmische Einspielungen auf neun Monitoren deutlich, dass auch heute noch Konflikte mit Gewalt ausgetragen werden.
Kennzeichen der gesamten Anlage ist das Museumsgebäude, das zusammen mit den Pavillons vor kurzem offiziell eröffnet wurde. Es besteht aus einem aufgeständerten, eingeschossigen Flachbau und dem rund 40 m hohen, weithin sichtbaren Turm. Er erlaubt auf mehreren Etagen Ausblicke in verschiedene Richtungen und von oben einen umfassenden Überblick über das gesamte Parkgelände. Turm und Gebäude bestehen wie die Pavillons aus einer Stahl-Skelettkonstruktion und sind – auch wie die Pavillons – mit großflächigen rostenden Stahlplatten beplankt. Stahl dominiert auch im Innern des Gebäudes: Gewalzte Stahlbleche – unbearbeitet direkt aus der Produktion – für Wand- und Deckenverkleidungen, nicht rostender Stahl dient als Bodenbelag. „Die Farben der Bleche,“ so Mike Guyer, „sollen die Atmosphäre des Raumes bestimmen.“
Die Ausstellung ist im Rumpf des Gebäudes untergebracht und wie ein Labyrinth angelegt. Es gibt keinen vorgegebenen Weg durch den weitgehend dunklen Innenraum. Der Besucher kann sich aktiv auf Spurensuche begeben, Fakten und Indizien selbst zusammensuchen. Begleitet wird er dabei von Herrn Stahnke, einem fiktiven Kommissar. Das mutet zunächst etwas merkwürdig an, schafft jedoch eine für deutsche Museen ungewohnte, aber sehr wohltuende Lockerheit. Sie ist notwendig, um den Besucher zum Handeln zu bewegen. In Schubladen kann man in Karten blättern und Hinweise auf Funde aus vergangenen Jahrhunderten entdecken. Bilder und Texte über das Leben der Germanen sind nicht einfach an die Wand gehängt, sondern zum Entdecken versteckt. Vibrierende Bodenplatten und aus dem Dunkeln kommende, nicht definierbare Geräusche versetzen den Besucher in die bedrohliche Situation der Römer. Ab und zu erhellen große Fenster den Innenraum partiell und erlauben Ausblicke auf die Landschaft, das ehemalige Schlachtfeld.
Um Museum und Park zu entlasten, wurde das bestehende Gehöft Niewedde als Besucherzentrum ausgebaut. Hier befinden sich Eingangsbereich, Restaurant, Kindermuseum, Tagungsräume sowie Büros für die Verwaltung und die Archäologen. Letztere werden in den nächsten Jahren – unter den Augen der Besucher – weiter auf dem Gelände graben, um noch mehr Belege dafür zu finden, dass die Schlacht im Teutoburger Wald tatsächlich in Kalkriese stattgefunden hat.
J. HORSCHIG/wip

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