Architektur 06.05.2005, 18:38 Uhr

Die Zukunft auf Stroh gebaut  

Im Ökodorf Sieben Linden im Norden Sachsen-Anhalts, einer vom Bund geförderten Modellsiedlung am Waldesrand, entsteht bereits das dritte mehretagige Strohballenwohnhaus. Die Ökofreaks in der Altmark, unter ihnen Architekten und Ingenieure, werden damit Vorreiter für die Wiederbelebung uralter Bauweisen in Deutschland.

Hans-Henning Müller hatte es geschafft. Er studierte Architektur, machte Karriere, lebte in China und den USA. Seine Wohnung in Frankfurt besaß Deckenstuck und zwei Bäder. Doch plötzlich brach er alle Zelte ab – um ein Zelt in der Altmark aufzuschlagen. Heute ist es schon ein Wohnwagen und in wenigen Jahren, so denkt er, bezieht er ein Haus (fast) ganz aus Stroh. Der 60-Jährige strahlt: „Ich brauche keine Uhr mehr, keine Taschenlampe, keinen Schlüssel.“

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Martin Stengel ist noch in den 30ern. Doch der Energietechnik-Ingenieur, der am Bodensee aufwuchs, ist schon einen Schritt weiter. Er lebt seit zwei Jahren in einem Haus, das aus Rundhölzern, Holznägeln, Stroh und Lehm errichtet ist. Mit weiteren Ökodörflern, unter ihnen mancher mit TH-Diplom, errichtete er das zweistöckige Gebäude mit innenliegendem Rundholztragwerk und davor stehender, lehmverputzter Strohballenwand. Es bietet 180 m² Wohnfläche und war das erste in Deutschland zugelassene Strohballenwohnhaus.

Die Materialkosten lagen bei rund 20 000 €, erzählt Stengel, während er auf dem Klavier klimpert. Das hat er ins Obergeschoss bugsiert, um Chorproben und Musikseminare im Ökodorf vorzubereiten. „Es ist schon ein irres Gefühl, sich nicht nur ein eigenes Haus zu zimmern, sondern auch so im Einklang mit der Natur zu leben“, meint er. Und doch – würde er heute nochmal bauen, machte er einiges anders.

Immerhin kamen seine Erfahrungen dem zweiten Strohballenhaus im Ökodorf zugute. Es ist fast fertig, die ersten Mieter sind eingezogen. Etwa Clara und Sonja, die in ihrem „strohenen“ Kinderzimmer spielen. Auf den Knien kriechend, kleiden sie ihre Puppen neu ein. Hier bahnt sich kein Allergie-Stress an. Zwar mangelt es ringsum wahrlich nicht an Stroh: in den Wänden, der Decke, im Boden wer eine feine Nasse hat, riecht es wohl auch. Doch man sieht es nicht. Die Getreidehalme stecken als Ausfachung in Holzständern, als Dämmung in Dach und Wänden und selbst noch als bewehrende Schnitzel im Lehmputz, der alles unsichtbar macht.

Mit Clara und Sonja leben um die 20 Leute in dem Haus aus Stroh, drei Etagen hoch und mit mediterranen Laubengängen versehen. Es sind Junge und Ältere, die allesamt endlich mal „in einem richtigen Neubau wohnen“ wollten, wie es Julia Kommerell nennt. Die Buchillustratorin teilt sich mit mehreren Müttern und Kindern eine sieben Zimmer große WG.

Fast ein wenig selig thront sie im Schneidersitz auf ihrem Bett, lässt den Blick durch die Strohstube schweifen und schwärmt. Vom „edlen Naturmaterial“ und den „dicken Wänden, die ein Flair erzeugen wie in einem altem Landhaus“. Ob da auch die Holzdübel in der Wand halten? Sie lacht. „Alles habe ich noch nicht ausprobiert. Aber ich finde es sowieso schöner, vieles von der Decke herabhängen zu lassen“, mogelt sie sich um die Antwort herum. Die Frauen haben bei der Gestaltung mitgeredet und hart beim Bau angepackt. Denn sie fanden die Idee toll. Vorher wohnten auch sie in Bauwagen wie noch andere der rund 70 Ökosiedler. „Doch die Zahl der Bauwagen soll nicht mehr wachsen“, erzählt Eva Stützel von der Wohnungsgenossenschaft in Sieben Linden, die Bauherrin des ungewöhnlichen Mietblocks.

Eva gehört zu den Gründern der sozial-ökologischen Modellsiedlung, in der mal 300 Menschen einvernehmlich mit ihrer Umwelt leben sollen. „Dazu schufen wir uns kleine geschlossene Lebens- und Konsumkreisläufe“, erzählt die 40-Jährige. So spüre jeder hautnah, welcher Aufwand nötig sei, „dass wir essen, wohnen, uns kleiden können“. Man wisse sehr genau, wie die Sachen „produziert werden und wo das Geld bleibt“, so die Psychologin. Zu jener Lebenssicht gehöre auch die Herstellung nötiger Baustoffe unmittelbar vor der Haustür. Und da besteht Handlungsbedarf. Denn der Zuzug aus allen deutschen Ecken sei in Sieben Linden so groß, dass das Strohballenhaus mit seinen gut 530 m2 Wohnfläche schon vermietet war, bevor es stand.

Eben weil dies absehbar war, kam ihnen die Idee mit „Strohpolis“. Mithin soll ihre räumliche Ausdehnung fortan vollends und ihre gewerbliche Zukunft zumindest teilweise auf Stroh gründen. Von Julias Balkon sieht man es schon: Hinter Bretterstapeln entsteht das hölzerne Konstruktionsgerüst für das nächste, das dritte Strohballenhaus.

Strohpolis, die Stadt aus Stroh, ist Teil der Modellregion Altmark in der Projektkette „Regionen aktiv“. Mit ihr will das Bundesagrarministerium Beispiele schaffen, wie nachhaltiges Landleben auch aussehen kann. Die Siedler hier wollen keine „Ökohäuser“, die teils schon industriell gefertigt werden, zudem aus Baustoffen, die man über den Atlantik schippert und chemisch schimmel- und feuerfest macht. Ihre Alternative: eigene Konstruktions- und Bauleistungen, Stroh und Holz aus der Region, technische Leistungen, sofern man nicht genug eigene Spezialisten hat, aus dem Umland. Von den Hauskosten – mit 715 000 € am Ende „leicht über den Erwartungen“ – floss knapp die Hälfte in Baumaterialien.

Mit 360 000 € entlohnte die Genossenschaft die Erbauer. So blieb das Geld mehrheitlich im Ökodorf. Denn wer in Sieben Linden lebt, „erarbeitet sich hier auch ökologisch verträglich seine Existenz“, so Martin Stengel. Die meisten, ergänzt Eva Stützel, kämen schon mit einer Existenzgründeridee – etwa auf technischem, handwerklichem oder künstlerischem Gebiet.

Das Stroh fuhren die Bauern bereits in Kleinballen an. Damit verfüllten die Ökodörfler, wie Scharmer erzählt, die Balken und Sparren der Holzständerkonstruktion. Die war auf betonierten Streifenfundamenten errichtet worden – das einzige Zugeständnis an die Industrie. Ansonsten könne man das ganze Haus, falls es in 100 oder 200 Jahren nicht mehr bewohnbar sei, „auf dem Kompost entsorgen“, grient Bauingenieur Burkard Rüger, zuständig für den Lehmbau.

Während des Bauprozesses hätten sie keinen Sondermüllcontainer benötigt, versichert er und putzt mit großer Kelle die letzte Außenfassade der „Strohburg“. Auch innen ist alles mit Lehm verputzt. Als Dämmmaterial dienen neben Stroh auch Hanf und Flachs, die Innenwände sind aus 10 cm starken Strohlehmsteinen gemauert, das Dach ist mit Tonziegeln gedeckt.

Strohpolis soll beweisen, dass sich aus verputzten Strohballen-Ständerkonstruktionen wie einst bei den Altvorderen „kostengünstiger, verdichteter, gesunder Wohnraum schaffen lässt“, so Scharmer. Kein Wunder, dass es schon über 250 Praktikanten, etwa Ingenieure, Handwerker, Techniker, zu Seminaren und Workshops nach Strohpolis lockte. Das dritte Haus soll übrigens als Heizsystem einen „warmen Kern“ erhalten – einen „warmen, lehm-umhüllten Raum, der im Zentrum des Hauses steht und das ganze Haus mit Strahlungswärme versorgt“, wie Scharmer erläutert.

Der welterfahrene Architekt Hans-Henning Müller denkt einen Schritt weiter: Das Strohhaus, das er gegen seinen Bauwagen tauschen will, möchte er aus lasttragenden Großballen errichten, also ohne Ständerkonstruktion und Bretterlagen zwischen den Ballenreihen. In anderen Ländern gebe es das schon wieder, nur in Deutschland sperre sich die Bauaufsicht noch dagegen, bedauert Scharmer. Doch er ist zuversichtlich, dass auch dies bald möglich wird. Von Strohpolis wird noch viel zu hören sein. HARALD LACHMANN

Dämmt gut und brennt schwer

Dank Strohpolis ist ein Wohnhausbau aus Strohballen in Deutschland heute leichter denn je. Es bedarf aber noch zusätzlich zum Bauantrag einer Einzelgenehmigung der Landesbaubehörde, was das Prozedere um vier Wochen verlängert und einige Hundert Euro verteuert. Doch zumeist behandelten die Bauämter die Anliegen „recht wohlwollend“, so Architekt Scharmer. Denn wissenschaftliche Tests und Prüfzeugnisse attestieren lehmverputztem Stroh gute Wärmedämm- und Brandschutzeigenschaften. Die Untersuchung der Wärmeleitfähigkeit beim Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW) ergab einen Lambda-R-Wert von 0,045 W/mK. Nun fehlen noch Tests zum Schimmelpilzbefall, damit dieser Technologie die Allgemeine bauamtliche Zulassung (AbZ) vom Deutschen Institut für Bautechnik zuerkannt wird. Scharmer erwartet dies 2006, womit Stroh als Baustoff endgültig aus der Nische käme. Nötig ist noch ein verbindlicher Qualitätsstandard für die Produktion der Strohballen.lac

Ein Beitrag von:

  • Harald Lachmann

    Harald Lachmann ist diplomierter Journalist, arbeitete zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen.

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