Brennstoffzelle im Dienst des Götterboten Hermes
Umweltschonende Zukunftstechnik ist für den Hermes Versand Service Programm. Seit Ende Juli setzt er den ersten Brennstoffzellen-Transporter im Alltagsbetrieb ein. In einem zweijährigen Praxistest sollen in Stuttgart und Hamburg Erfahrungen mit dem Öko-Sprinter von Mercedes-Benz gesammelt werden.
Zierlich ist „Anne“ nicht, aber sie hat die Zukunft im Bauch: Der auf diesen Vornamen getaufte Mercedes Sprinter geht als erster Transporter mit Brennstoffzellen-Batterie und Elektromotor in die Praxiserprobung. Dr. Wolfgang Fürwentsches, Chef des Hamburger Hermes Versand Service, lässt Anne Päckchen und Pakete abgasfrei ausfahren. Er will „als Betreiber einer großen Fahrzeugflotte die Entwicklung umweltfreundlicher Transporter beschleunigen“.
„Dieser Mercedes-Benz Sprinter weist die Zukunft für den innovativen Lieferdienst des neuen Jahrhunderts: umweltfreundlich und leise“, versicherte Dr. Rolf Bartke, Leiter des Geschäftsbereichs Mercedes-Benz Transporter bei DaimlerChrysler. Damit erhielten den Kunden die Chance, eine Vorreiterrolle zu übernehmen und frühzeitig Erfahrungen mit Innovationen zu sammeln.
Diese Innovationen sind freilich so neu nicht: Das Antriebspaket stammt praktisch unverändert aus der A-Klasse (NECAR). Die Brennstoffzelleneinheit liefert rund 75 kW, der Elektromotor 55 kW. Betrieben wird die chemische Batterie mit Wasserstoff (H2), der bei 200 bar in Druckflaschen unter dem Ladeboden des Sprinters gespeichert wird. Die Reichweite gibt Daimler
Chrysler mit rund 150 km an. Um den erforderlichen Platz für die Tankzylinder zu schaffen, nutzt der Hermes-Sprinter eine Transporter-Variante mit Allradantrieb, deren Heckantrieb komplett ausgeweidet wurde.
Die fülligen Maße von Anne haben freilich ihre Konsequenzen: Um dem 3,5-t-Transporter im Alltagsverkehr den Auftritt als Wanderdüne auf Rädern zu ersparen, benötigt der Prototyp ein „Sprintshift“-Sechsganggetriebe. Das ist ein Schaltgetriebe mit elektronisch gesteuerter äußerer Schaltung und automatisierter Kupplung. Der Fahrer kann damit sowohl selbst schalten, ohne zu kuppeln, als auch der Elektronik das Wechseln der Gänge überlassen. Die muss das dann vermutlich auch häufiger tun, denn mit dem 55-kW-Elektromotor ist „Sprinter“ nicht mehr als eine Typen-Bezeichnung.
Der abgasfreie Hermes-Transporter ist zwar der einzige Sprinter, der nur über die Vorderräder angetrieben wird, aber nicht der einzige mit Elektromotor. Auf Wunsch gibt es – klein gedruckt auf Seite 9 der Preisliste – nämlich auch ganz normal einen Strom-Sprinter. Mit konventionellen, im Innenraum untergebrachten Bleibatterien leistet der gleiche Siemens-Motor wie im Brennstoffzellen-Prototyp hier nur 40 kW. Er überträgt seine Kraft via Schaltgetriebe und Kardanwelle auf die Hinterachse. Der E-Sprinter aus der Preisliste schafft grade mal so Tempo 100 km/h, der 15 kW stärkere Brennstoffzellen-Prototyp ist mit 120 km/h Höchstgeschwindigkeit angegeben. Beides sind freilich eher Papierwerte.
Dennoch entschied sich der Hamburger Versandspezialist (1972 gegründet vom Otto-Versand) für den umgebauten Allradler mit Brennstoffzellen-Prototyp. Denn „eine der treibenden Kräfte hinter dem Vorhaben ist der Otto-Versand“, so der Deutsche Wasserstoff-Verband: „Otto hat seinem gesamten Unternehmen die Einsparung von 25 % CO2 bis zum Jahr 2005 verordnet, die damit auch für Hermes verbindlich ist. Daraus resultiert die Notwendigkeit, die Fahrzeuge mit CO2-neutralem, am besten regenerativ erzeugtem Wasserstoff zu betreiben.“
Deshalb hatte der Hamburger Götterbote in der Interessengemeinschaft W.E.I.T. – Wasserstoff-Energie Integration Transport – bereits vor knapp drei Jahren damit begonnen, die Vierzylinder-Ottomotoren von sechs Sprintern auf Wasserstoffbetrieb umbauen zu lassen. DaimlerChrysler hatte damals abgewinkt, deshalb wurde die amerikanische Hydrogen Components Inc. mit dem Öko-Tuning betraut. Der primäre Zweck, mit dem H2-Kraftstoff Erfahrungen im Alltag zu sammeln, wurde zwar erreicht, zufrieden stellend war die Technik der Autos aber nicht: Die Integration des Wasserstoffantriebs in das Motor- und Getriebemanagement war nur sehr unvollkommen möglich.
Hermes-Chef Fürwentsches kapitulierte: „Diese Technik ist aus unserer Sicht eine Sackgasse, da der Brennstoffzelle die Zukunft gehört. Wir wünschen uns, dass in absehbarer Zeit und zu vertretbaren Anschaffungskosten Transporter mit Brennstoffzelle und Elektromotor in Serie gehen.“ Jetzt setzt er zwar auf die chemische Batterie, aber mit der gebotenen Vorsicht: Die Regale in der Ladezone von Anne sind so konstruiert, dass im Falle eines (Aus-)Falles die Nutzlast in kürzester Zeit umgeladen werden kann.
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PETER WEIDENHAMMER/WOP
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