Spielerisch lernen mit Computerspielen
Serious Games, so nennt man Computerspiele, die ein ernsthaftes Thema aufgreifen und auf spielerische Weise vermitteln. Und sie werden seriös. Unternehmen setzen Computerspiele für das Managertraining und die Mitarbeiterschulung ein. VDI nachrichten, Berlin, 3. 4. 09, cha
Spaß und Ernst müssen sich nicht ausschließen. Zumindest nicht bei Serious Games. Serious Games sind auf Unterhaltung programmiert. Häufig stecken öffentliche Auftraggeber hinter den Spielen, wie bei „Food Force“. Das Spiel thematisiert das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und zählt zu erfolgreichsten Serious Games. Trotz seiner Größe von 230 MB ist es über 4 Mio. mal heruntergeladen worden. Sehr beliebt ist auch „Luka und das geheimnisvolle Silberpferd“, ein kostenloses, von der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes in Auftrag gegebenes Spiel, das sich an junge Gamer richtet und der Gewaltprävention dient.
Inzwischen haben auch Unternehmen die Vorzüge von Serious Games entdeckt. Besonders bei der Schulung ihrer Mitarbeiter setzen sie neuerdings Computerspiele ein. „Alle Spiele haben mit Lernen zu tun“, sagte der britische Gamedesigner Noah Falstein auf der Serious Games Konferenz. Falstein hat für den Netzwerkspezialisten Cisco Systems ein Lernspiel namens „Mind Share“ entwickelt, mit dem die Außendienstmitarbeiter von Cisco geschult werden.
Das „Cisco Mind Share Game“ vermittelt Wissen auf verschiedenen computerbezogenen Fachgebieten wie den Mac-Adressen von Netzwerken oder dem IP Routing. Cisco-Mitarbeiter laden sich das Spiel auf ihr Notebook und arbeiten sich, wann immer die Zeit es zulässt, durch die verschiedenen Level. Jede Runde benötigt etwa zwei Stunden, insgesamt gibt es fünfzehn Anwendungsbereiche. Der etwas trockene Lernstoff wird aufgelockert durch Zeitmessung, Punktevergabe und ein Bonus-System. Schnelle und richtige Antworten werden dabei belohnt.
„Mind Share“ ist nur eins von etwa einem Dutzend Spielen, die bei Cisco eingesetzt werden. Andere Games vermitteln Kenntnisse in binärer Mathematik oder trainieren die Fehlersuche beim „Troubleshooting“. Nach einer Studie des Unterhaltungssoftware-Verbandes ESA wollen 75 % der amerikanischen Unternehmen zukünftig Serious Games einsetzen. Die Vorteile: Auf relativ kostengünstige Weise kann die Lernmotivation deutlich erhöht werden. Die Entwicklungskosten für „Mind Share“ betrugen beispielsweise 250 000 Dollar.
Serious Games sind universell einsetzbar. Im Gesundheitsbereich gibt es Spiele, die im Rahmen einer Cyber-Therapie bei der Bekämpfung von Phobien helfen. „Exergaming: Dance Dance“ leitet zu Bewegungsübungen an, die das Abnehmen und die Gewichtskontrolle unterstützen. Im Biotech-Bereich, beim Militär und bei der Flugsicherheit haben sich die „seriösen“ Simulationsspiele ebenfalls schon bewährt. So setzt die deutsche Lufthansa „Open GL Performer“ für Piloten ein. Das Simulationsspiel ahmt einen kompletten Flugzeugcheck vor dem Start nach, von der Überprüfung des Reifenabriebs bis zum Check der Messinstrumente. 3600 mögliche Fehlerquellen muss ein Pilot im Blick haben. Gerade junge Flugkapitäne begrüßen die virtuelle Trainingsmöglichkeit.
Auch bei der französischen Bankengruppe BNP Paribas hat man gute Erfahrungen mit Serious Games gemacht, sogar im eigenen Management. Bereits 2000 Führungskräfte haben dort die Trainingssoftware „Performance Management Review Trainer“ absolviert und ihre Kommunikationsfähigkeiten verbessert. Bei dem Spiel können Abteilungsleiter lernen, wie man Beurteilungsgespräche führt. Manchmal gehen ja die Selbsteinschätzung von Mitarbeitern und die Sicht der Chefs etwas auseinander. Das kann zu schwierigen Gesprächssituationen führen. Mithilfe von virtuellen Figuren, interaktiven Dialogen und Multiple-Choice-Fragebögen werden spielerisch geeignete Kommunikationsstrategien und eine gute Gesprächsführung eintrainiert.
Inzwischen haben Serious Games ihren eigenen Preis: Erstmalig wurde in diesem Jahr auf der CeBIT in Hannover der Serious Game Award verliehen. Zu den Preisträgern zählt „World of Subways“ vom Entwicklungsstudio Aerosoft, eine Schulungssoftware für U-Bahn-Zugführer, die sich im unterirdischen New York bewähren müssen. Des Weiteren hat das Familienspiel „Zweistein“ von den Münchner Braumonster Studios einen Preis erhalten. Das Spiel richtet sich vor allem an hyperaktive Kinder und Jugendliche mit Lern- und Rechenschwäche.
HELMUT MERSCHMANN
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