Senioren verschenken ihre Wissensschätze
VDI nachrichten, Düsseldorf, 22. 12. 06, ws – Mit dem Ausscheiden erfahrener Fachkräfte aus dem Berufsleben verlieren Arbeitgeber einen enormen Wissensfundus. Der Nachwuchs soll jetzt von diesen Schätzen profitieren. In Nordrhein-Westfalen gehen Senior-Experten in die Schulen, betreuen Jugendliche und informieren Lehrer.
Ernst Hoffmann weiß, was Schule leisten kann und was nicht. Und um Schülern und Schulen aus der Praxisklemme zu helfen, bietet der promovierte Agrarwissenschaftler sich selbst und sein Wissen an.
Es sei zu viel verlangt, der Schule die Vermittlung der beruflichen Wirklichkeit aufzubürden, meint der 64-Jährige. Mit seinem Projekt will Hoffmann seinen Erfahrungsschatz an die Schüler der siebten und achten Klassen weitergeben. Anfang Februar geht daher eine Schülerfirma der Gesamtschule Bonn-Beuel an den Start, deren „Unternehmensberater“ Hoffmann ist.
In einem bislang ungenutzten Kellerraum der Schule werden Hoffmann und seine jugendlichen Mitarbeiter Kresse züchten, um es dann als Heilmittel auf den Markt zu bringen. „Speziell in der Winterzeit nehmen Atemwegserkrankungen zu. Kresse ist eine Art natürliches Antibiotikum. Mit diesem Produkt werden wir sämtliche Unternehmensprozesse durchlaufen und abzuwägen haben: Wie sehen Vermarktungswege und Produktionsmengen aus? Wie hoch müssen wir Materialkosten ansetzen? Wie kalkulieren wir bei der Personalfrage? Was machen wir mit dem Gewinn?“
Für die bessere Planung werden Abo-Verträge mit der Kundschaft abgeschlossen. Verkauft wird das Produkt Kresse allerdings nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad.
Ernst Hoffmann ist einer von rund 300 Fachleuten im Ruhestand, die sich über den Senior Experten Service (SES) für ein Engagement in einer nordrhein-westfälischen Schule entschieden haben. Seit 1983 sind diese erfahrenen Experten im Ausland und in Deutschland, in kleinen und mittelständischen Firmen sowie in Einrichtungen der beruflichen Bildung unterwegs.
„Wir haben das Potenzial älterer Menschen über Jahre nicht ausgeschöpft“, sagte NRW-Schulministerin Barbara Sommer bei der Vorstellung des Projektes „Senioren-Experten für alle Schulen“ im Düsseldorfer Landtag.
Die Christdemokratin betonte aber auch: „Senioren können eine echte Bereicherung für das Schulleben sein. Sie sollen aber nicht die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern übernehmen.“
Ein Ingenieur etwa könne sein Wissen in den Fächern Physik und Mathematik nicht im eigentlichen Unterricht, sondern nur in nachmittäglichen Arbeitsgemeinschaften vermitteln. Dass die meisten Senioren-Experten über keine pädagogische Ausbildung verfügten, findet Sommer zwar durchaus „charmant“, für eine intensivere Betreuung aber nicht ausreichend.
Als weitere schulische Einsatzgebiete nannte Sommer Handwerksmeister an Berufsschulen, ehemalige leitende Angestellte als Coaches für Lehrer und Schüler sowie Finanzexperten als Ratgeber für den Förderverein.
Die Ministerin wies darauf hin, dass NRW das erste Bundesland sei, dass ab Anfang 2007 flächendeckend ehrenamtlich tätige Senioren und Schulen zusammenbrächte. W. SCHMITZ
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