Pendler zwischen Schule und Universität
Leonhard Klinkmüller ist Gymnasiast und Maschinenbau-Student in einer Person. Der 18-Jährige beteiligt sich am Projekt „Schüler-Uni“, das bundesweit immer größere Kreise zieht.
Sie sind hochmotiviert, leistungsstark und können selbstständig arbeiten: Immer mehr Schüler wagen sich parallel zum Unterricht als Studierende an deutsche Universitäten und erwerben Leistungsnachweise. Schwerpunkt des Projektes sind die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Dort hat die Landesregierung das Hochschulgesetz geändert, um das Projekt juristisch abzusichern.
Manchmal war Leonhard Klinkmüller schon etwas genervt. Zum Beispiel, als er an einem Samstag für die Vorlesung „Grundlagen der Konstruktion“ an der Bochumer Ruhr-Universität (RUB) zu Hause noch zeichnen musste. „Eigentlich hätte ich lieber Fußball gespielt“, verrät der 18-Jährige. Klinkmüller besucht die 13. Klasse eines Bochumer Gymnasiums und möchte später Luft- und Raumfahrttechnik in Aachen studieren. Er hat sich für die Vorlesung der Maschinenbau-Ingenieure eingeschrieben, weil es interessant geklungen habe, und er nur Englisch und Sport ausfallen lassen musste. „Am Anfang war es schon hart“, erinnert er sich, „das Niveau stieg stark an.“ Jetzt ist der Pennäler stolz, dass er das Semester durchgehalten hat. Eine wichtige Erfahrung sei das gewesen. Leonhard Klinkmüller hat nämlich nicht nur Fachliches gelernt, sondern auch die Einsicht gewonnen, „dass man sich nicht abschrecken lassen darf, wenn man etwas nicht versteht“. Man müsse sich dann eben trauen, nachzufragen.
Die Bochumer Universität begann im letzten Wintersemester mit dem Projekt „Schüler-Uni“. Wie an vielen Hochschulen beteiligen sich in der Revierstadt vorrangig die naturwissenschaftlichen und technischen Fakultäten, in Bochum außer dem Maschinenbau auch die Elektrotechnik und das Bauingenieurwesen, ebenso die Mathematik und die Physik. In diesen Fächern wird bei der Auswahl der Vorlesungen für die Schüler darauf geachtet, dass nicht allzu große Mathematikkenntnisse erforderlich sind. „Die Schüler sollen schließlich Erfolgserlebnisse haben und Gefallen am Studium finden“, sagt Reiner Höck, der die Schüler-Uni auf Seiten der Bochumer Universität betreut. Das scheint gelungen zu sein, denn von 67 Schülern aus der 10. bis 13. Klasse haben 63 durchgehalten. Zwölf Schulen waren beteiligt, im Sommersemester sind es schon 29. An regulären Veranstaltungen der RUB werden 130 besonders motivierte und leistungsstarke Oberstufenschüler teilnehmen und sich gleichzeitig weiter auf ihr Abitur vorbereiten. 17 statt bisher acht Fakultäten bieten Schülern die Teilnahme an ihren Veranstaltungen an. „Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt“, sagt Gymnasiallehrer Dirk Gellesch, der das Projekt auf schulischer Seite koordiniert. Die Schüler-Uni mache noch viel mehr Sinn, als er und seine Mitstreiter es sich vorgestellt hätten. „Der Aspekt der Orientierung ist wichtig“, sagt Gellesch. Manche Schüler wüssten danach eben auch, was sie nicht studieren wollen. Die 16-jährige Julia Gerick will nach dem Besuch einer Werkstoffkunde-Vorlesung der Bauingenieure jedenfalls noch andere Fächer auskundschaften, interessiert sich jetzt für die Gesellschaftswissenschaften. „Der Besuch der Uni war anfangs ziemlich aufregend. Doch es hat viel Spaß gemacht und war eine wichtige Erfahrung.“ Julia Gerick wird zu Beginn ihres Studiums keine besonders großen Berührungsängste mit der Universität haben.
Vorreiter des Schülerstudiums ist die Universität Köln. Dort läuft das Projekt bereits seit dem Wintersemester 2000 in den naturwissenschaftlichen Fächern. Rund 200 Leistungsnachweise wurden bereits an Schüler vergeben. Jetzt können diese sogar ihr Vordiplom machen. „Das hätten wir am Anfang nie geglaubt“, sagt Dr. Ulrich Halbritter, der das von der Kreissparkasse finanziell unterstützte Projekt betreut. Erfolgreiche Schüler hätten den Wunsch nach dem Vordiplom selbst geäußert. Die Kölner Uni will mit ihrem Erfolg jedoch nicht allein bleiben und bietet deshalb Hilfestellung an. Uni-Rektor Dr. Tassilo Küpper hat der Hochschulrektorenkonferenz bereits von dem Projekt berichtet. „Ich bin auf lebhaftes Interesse gestoßen.“ So werden studierwillige Schüler, die auf ingenieurwissenschaftliche Vorlesungen neugierig sind, diese nicht nur in Bochum, Hannover und Saarbrücken besuchen, sondern sicher bald auch in anderen Hochschulstädten. A. ZELLNER
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