Bildung 28.05.2004, 18:30 Uhr

„Investition in Wissen bringt noch immer die besten Zinsen“

VDI nachrichten, Wolfsburg, 28. 5. 04, Fr -Ingenieuren müssen in Zukunft in einem lebenslangen Prozess „transdisziplinäre Kompetenzen“ vermittelt werden, meint Walther Ch. Zimmerli, Präsident der Volkswagen AutoUni. Wie dies geschehen soll, erläutert er im folgenden Artikel.

Nichts ist mehr wie es war, besonders die Ingenieurausbildung im Übergang zur postindustriellen Gesellschaft. Rufen wir uns in Erinnerung: erst seit gut 100 Jahren gibt es eine wissenschaftliche Ingenieurausbildung. Deren Bilanz nimmt sich im Großen und Ganzen positiv aus. Jedoch gibt es Vor- und Nachteile, und einige der früheren Vorteile haben sich zu Nachteilen ausgewachsen: Es sieht so aus, als ob die Fokussierung auf Wissenschaftlichkeit dazu führte, dass Ingenieure vieles lernten, was sie später nicht mehr brauchen und später viel benötigten, was sie nie gelernt haben. Das bedeutet nicht, dass die Ingenieurausbildung vollständig geändert werden müsste, sie ist aber in ein „life long learning“- Modell einzubauen.
Das bedeutet heute mehr denn je: Ingenieure müssen als Unternehmer ausgebildet werden. Und sie müssen auch verstehen, was wirtschaftliche und kulturelle Einbindung bedeutet. Deshalb ist es in Ordnung, dass Hochschulen ein Studium Generale, Fundamentale oder gar Integrale anbieten aber es reicht nicht. Ingenieure müssen sich darüber hinaus in einem „life long learning“-Prozess transdisziplinäre Kompetenzen aneignen.
Warum ist das wichtig? Die Probleme, die die Ingenieure zu lösen haben, sind nicht nur reine Ingenieurprobleme, weil alles, was sie zu behandeln haben, nicht nur wissenschaftlich-technisches Wissen voraussetzt. Auch wissenschaftliches Wissen geht von einer ökonomischen Größe aus, in das sich das technische Gerüst einfügen muss.
In diesem Zusammenhang sprechen wir heute in geradezu inflationärem Ausmaß von „Wissensgesellschaft“. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich unsere heutige Gesellschaft von früheren und höchstwahrscheinlich auch späteren dadurch unterscheidet, dass sie auf Wissen gegründet ist, sondern dadurch, dass dieses Wissen in einer technologischen Form verfügbar ist, ohne dass man es im engeren Sinne selbst hat oder weiß.
Umgekehrt gilt, dass die Menge des auswendig Gelernten und damit individuell verfügbaren Wissens früher größer war als heute. Was sich dagegen entschieden verändert hat, ist das Ausmaß an zur Verfügung stehendem und potenziell zugänglichem Wissen. Mit Hilfe der modernen IuK-Technologien ist der Zugang zu Informationen scheinbar unbegrenzt. Wenn man also den traditionellen Wissensbegriff unterstellt, dann leben wir nicht in einer „Wissensgesellschaft“, sondern in einer „Wissenstechnologiegesellschaft“. Das allerdings bedeutet keinesfalls, dass Informationen bereits Wissen sind, auch wenn man Zugang zu vielen externen Wissensspeichern hat.
Es ergibt sich das Paradox, dass wir, je schneller das potenziell zugängliche Wissen zunimmt, selber desto weniger wissen. Nicht die Zunahme von individuellem menschlichen Wissen, sondern eine wachsende Fähigkeit des operativen Umgangs („Management“) von Nichtwissen ist erforderlich. Daher geht es darum, in den Bereichen, in denen wir gerade nichts wissen, Strategien zu entwickeln, wie wir diesem Nichtwissen begegnen können. Es gilt, dasjenige, was an Information zur Verfügung steht, aber noch nicht zu Wissen geworden ist, trotzdem zu managen.
Wir sprechen dabei – irreführend, wie ich denke – von „Wissensmanagement“. Dabei geht es gar nicht darum, das Wissen, das wir haben, zu managen. Was wir wirklich wissen, brauchen wir nicht zu managen Management ist immer die „second best solution“. Was es daher zu lernen gilt, sind neben exemplarischem Wissen Fähigkeiten und Fertigkeiten, Neues zu begreifen und mit dem Nichtwissen umzugehen, darin sozusagen zu navigieren. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass man die Grenzen der eigenen Kompetenz zu erkennen vermag und zugleich weiß, wie und mit welchen technischen Mitteln man sucht, was man noch nicht weiß.
Aufgabe einer Ingenieurausbildung muss es also sein, die Fähigkeit zu vermitteln, mit dem eigenen Nichtwissen umzugehen. Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten. Daher ist ein neues Verständnis von Führung gerade jetzt so wichtig: Führung heißt dabei weniger, das zu wissen, was man selber kann, sondern, was man mit anderen zusammen besser kann.
Es gibt zu wenige Ingenieure in Führungspositionen das aber liegt daran, dass Ingenieure den übergreifenden Umgang mit Nichtwissen zu wenig lernen. Gewiss, das gilt auch für alle: Geisteswissenschaftler, Betriebswirtschaftler und andere. Warum aber gilt es für Ingenieure in besonderem Maße? Weil sie es sind, die Wissen unmittelbar in Machen überführen. Zwar haben wir lange Zeit gedacht es seien die Wissenschaftler, die die Welt veränderten heute wissen wir: es sind vordringlich die Ingenieure.
Daher gilt es nun endlich umzusetzen, was kluge und wohlmeinende Köpfe seit nahezu einem Jahrhundert fordern: die soziale Kompetenz und die Fähigkeit zur unvoreingenommenen, eigenverantwortlichen und transdisziplinären Bewältigung neuer Aufgaben stärker als bisher zu entwickeln, und zwar durch lebenslanges Disziplinen übergreifendes Lernen!
Seit etwa zwei Jahrzehnten ist weltweit eine große Bewegung der Corporate Universities im Gange. Die Corporate Universities sind betriebliche Weiterbildungseinrichtungen, die viele Großunternehmen haben. Auch der Volkswagen Konzern verfügt seit fast zehn Jahren mit der Volkswagen Coaching GmbH über eine solche Einrichtung. Von heutigen Studenten werden aber transdisziplinäre Fähigkeiten und Fertigkeiten erwartet, die solche Corporate Universities nicht vermitteln. Selbst von den führenden Einrichtungen ist keine im Sektor der wissenschaftlichen Ausbildung transdisziplinären Zuschnitts für Postgraduierende tätig.
Die Zahl der großen Corporate Universities nimmt ab die Volkswagen AutoUni ist zwar eine unternehmenseigene Hochschule, aber mit zunehmend wissenschaftlichem Profil und realisiert damit die Idee einer Wechselwirkung zwischen wirtschaftlicher und akademischer Wissensentwicklung. Die besondere Herausforderung einer solchen Organisation besteht insbesondere darin, die Schwäche bereits bestehender Corporate Universities und akademischer Einrichtungen zu vermeiden und deren Stärken zu kombinieren. Die Volkswagen AutoUni ist somit mehr University als die Corporate Universities und mehr Corporate als die staatlichen Unis. Sie setzt für die Postgraduiertenbildung in Deutschland neue Akzente, indem sie den Firmenbezug verstärkt, ohne damit den akademischen Anspruch aufzugeben.
Die Volkswagen AutoUni versucht, den Fehler der Corporate Universities zu vermeiden, isoliert „im eigenen Saft zu kochen“. Da Wissen die charakteristische Eigenschaft hat, sich durch Teilung nicht zu vermindern, sondern zu vermehren, und da die Qualität des Wissens direkt abhängig ist vom Wettbewerb, in dem es sich entwickelt, ist es erforderlich, dass sich die AutoUni in einem zweiten Schritt auch für Partner- und Zulieferfirmen und in einem dritten Schritt allgemein öffnet. Auch in diesem Punkt unterscheidet sie sich von den anderen Corporate Universities: sie macht dem offenen Markt Wissen zugänglich – nur so sind technische Fortschritte möglich.
Auf lange Sicht bringt Investition in Wissen immer noch die besten Zinsen; und nach wie vor gilt Kennedys Einsicht, dass es nur eines gibt, was teurer ist als Bildung: keine Bildung.
WALTHER CH. ZIMMERLI

 

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