Generalisten mit Fachwissen sind gefragt
Die Entwicklung vom Fachmann zum Generalisten ist gefragt.
Wo man etwa vor zehn Jahren Elektrotechnik studierte, da heißt der Fachbereich heute „E- und Informationstechnik“. Er umfasst unter anderem Rechner-, Daten- und Halbleitertechnik. Die Darmstädter Fakultät bietet neuerdings sogar einen eigenen Studiengang „Informations- und Kommunikationstechnik“ für künftige Internet-Spezialisten.
Professor Hans-Jürgen Haubrich von der TH Aachen sieht die jüngere Entwicklung historisch: „Anfangs, etwa zu den Zeiten von Heinrich Hertz, waren Elektro- und Nachrichtentechnik ein Fach, nach jahrzehntelanger Ausdifferenzierung an den Hochschulen wachsen sie jetzt in Lehre und Forschung wieder enger zusammen.“ Da muss sich der Ingenieur im Beruf entsprechend weiterbilden, wenn er up to date sein will. Das gilt ähnlich für den Diplom-Informatiker, der vor zehn Jahren programmieren lernte und damals noch nichts von der heute gängigen „Java“-Technologie mitbekam, sagt Kurt-Ulrich Witt, Dekan des Fachbereichs Angewandte Informatik an der FH Bonn-Rhein-Sieg. Das „VDI-Kompetenzfeld Informationstechnik“ eröffnet dem Nachholer in einzelnen Lernbausteinen (Modulen) alle wesentlichen Anwendungsmöglichkeiten der neuen Tools.
Weiterbildung ist nicht zuletzt ein gesetzlicher Auftrag der Hochschulen. Sie haben dafür zum Teil eigene Dienstleistungsfirmen gegründet wie etwa Tudias (TU Dresden), Tumtech (TU München) oder die Aachen Global Academy. Seminarthemen sind „Webtechnologien im Maschinenbau“, „UMTS und Multimedia-Techniken“ oder das elektronische „Produktdaten-Management“ von der Fertigung über die Kundenzufriedenheit bis zum Recycling. Dabei wird hauptsächlich Methodenwissen vermittelt. Professor Haubrich unterscheidet davon bewusst „produktspezifische Schulung“, die er zum Firmen-Marketing zählt. Zum Beispiel die „SAP University Rot“ bei Walldorf.
Ingenieure, die auf der Karriereleiter möglichst weit nach oben wollen, müssen indes nicht nur fachlich auf dem Laufenden bleiben. „Heute steht nicht mehr wie früher die Technik, sondern die Wirtschaft im Mittelpunkt der Unternehmenskultur“, sagt Elektroingenieur Haubrich. Die Vorlesungen „Das berufliche Umfeld des Ingenieurs in der Praxis“ hält er deshalb regelmäßig. Es geht dabei um die Entwicklung vom Fachmann zum Generalisten, der den Überblick über die gesamte Unternehmenssteuerung von der Balanced Score Card bis zur Personalführung hat.
Deshalb finden die vielen berufsbegleitenden Weiterbildungsangebote zum MBA (Master of Business Administration) so großen Zuspruch. Bei solchem „Job Enrichment“ auf eigene Rechnung oder die des Arbeitgebers spielt die moderne Informationstechnik als Medium der Unternehmenskommunikation und damit der Geschäftsleitung eine Schlüsselrolle. So bieten „Siemens Business Services Deutschland“ unter anderem ein Seminar über „Effiziente Führung virtueller Teams“ mit einem Trainer von der US-Elite-Universität Stanford. Warum den Flieger, hohe Reisekosten, Zeitverlust und Stress in Kauf nehmen, um weltweit verteilte Mitarbeiter auf Kurs zu halten – wenn das auch per Videokonferenz möglich ist? „Förderung der eigenen Karriere durch Beherrschung der visuellen Kommunikation“ lautet eines der Versprechen.
Die elektronischen Rechnertechniken zur Verarbeitung und zum Austausch von Informationen werden vielfach als Turbo-Antrieb im Business wie auf dem Arbeitsmarkt verstanden. Dabei ist allerdings eine Binsenweisheit zu berücksichtigen, die der Marketing-Papst Heribert Meffert (Uni Münster) schon zur Blütezeit der New Economy in einem Lehrbuch warnend festhielt: „Die bloße Beschleunigung und Automatisierung nicht marktkonformer Geschäftsprozesse mit Hilfe neuer Techniken führt häufig nicht zum erwünschten Erfolg“, schon gar nicht zu sicheren Arbeitsplätzen. Unterm Strich fragt sich deshalb: Wie kann der Vertriebsingenieur mit den neuen Technologien beim Kunden zusätzliche Erfolge erzielen, neben dem Absatz über Filialen und den traditionellen Außendienst?
„E-Business oder E-Commerce ist nichts anderes als ein weiterer Vertriebskanal“, erläutert der Mannheimer Betriebswirtschafts-Professor Christian Homburg, „der bald so selbstverständlich sein wird wie das Telefonmarketing.“ Das Internet erweist sich etwa als wirksames (effektives) wie billiges (effizientes) Instrument im individualisierten Kundenbeziehungsmanagement. Eine berufsbegleitende Weiterbildung zum „Global E-Commerce Master“ bietet die Uni Köln, für runde 30 000 `. Karriere in diesem Bereich hat Bernd Skiera gemacht. Nach dem Abitur begann er Mitte der 80er Jahre als Azubi bei SAP. „Ich habe Programme geschrieben, in Assembler.“ Aber Skiera blieb nicht lange im digitalen Maschinenraum. 1999 übernahm er mit 33 Jahren an der Uni in Frankfurt/Main den Lehrstuhl für E-Commerce, bislang: „Handelsbetriebslehre“.
HERMANN HORSTKOTTE
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