Unternehmergeist weht durch Universitäten
Organisations-Planspiele, mit denen sich Topmanager großer Unternehmen beschäftigen, haben die Hochschulen erreicht
Der „unternehmerische Zeitgeist“ weht nun auch durch Universitäten. Mit den Landeshochschulgesetzen, die den Hochschulen mehr Autonomie übertragen, werden Wettbewerb, Leistungsfähigkeit und Selbstverantwortung zu kategorischen Maximen.
Doch die Adaption der schönen Slogans erweist sich als hürdenreich. Während die meisten Gesetzentwürfe einen starken Präsidenten favorisieren, der als Topmanager „sein“ Unternehmen durchstylen soll, sehen Organisations-Praktiker in einer mächtigen Hochschulspitze keine Garantie für das reibungslose Funktionieren. Für Dr. Marina Frost, Kanzlerin der Uni Göttingen, gehört die Ressourcenverantwortung in die Fakultäten. Als Vorbild könnte sie sich etwa eine gut geführte Holding vorstellen, deren Unternehmensbereiche ähnlich wie Fakultäten selbständig agieren und trotzdem unter einem Dach zusammen laufen.
Die Frage allerdings, wie die Organisationsstrukturen des „Dienstleistungs-Unternehmens Hochschule“ im Detail aussehen und was die Hochschulen von Wirtschaftsunternehmen tatsächlich lernen können, ist noch offen. Auch die Investition des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in Modellversuche hat noch kein einheitliches Bild geschaffen. Die fünf Fachhochschulen, die der Stifterverband mit je 300 000 € fördert, konzentrieren sich eher auf periphere Einrichtungen im trendigen Unternehmensjargon wie „Call-Center“ und „Service-Points“ oder den Versuch, die Zufriedenheit der Klientel zu optimieren. Doch von „Kunden“ zu sprechen im Zusammenhang mit Hochschulen finden Reformkritiker schlicht absurd. Für Prof. Jörn Ipsen, Konzils-Vorsitzender der Uni Osnabrück, wird damit ein Unternehmen imaginiert, das ein Entgelt, sprich Kosten deckende Studiengebühren für seine Leistung nimmt.
Mittlerweile aber ist die Vision vom „Unternehmen Hochschule“ gerade den Präsidenten ans Herz gewachsen. So auch dem Hamburger Uni-Präsidenten Prof. Jürgen Lüthje, der die Bezeichnung „Unternehmen“ damit rechtfertigt, dass die Hochschule Werte bewege und deshalb auch unternehmerisch handeln müsse. Seine Universität hat ein Teilprojekt der von der VolkswagenStiftung geförderten Initiative „Leistungsfähigkeit durch Eigenverantwortung“ durchgeführt. Insgesamt neun Hochschulen (Berlin, Bremen, Clausthal, Dortmund, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Kassel und Mannheim) beteiligen sich bisher an dem Vorhaben, das die Unternehmensvision auch im Verwaltungsbereich modellhaft umsetzen soll. Dies ist ein extensives und diffiziles Unterfangen. In Bremen wird ein „Kontrakt- und Qualitätsmanagement in der Universität“ entwickelt, das die neuen Strukturen mit Leben füllen soll – inklusive aller Unberechenbarkeiten. Als besonders brisant hat sich die per Unterschrift dokumentierte Übernahme von persönlicher Verantwortung herausgestellt. Ein formaler Akt, den Hochschulangehörige genauso wie direkte Kooperationsformen zwischen den verschiedenen Entscheidungsinstanzen noch lernen müssen.
„An den Schnittstellen wird sich erweisen, ob die Reform gelingt“, resümiert Kanzlerin Frost. An der Schnittstelle zwischen Ministerialverwaltung und Hochschule, zwischen Präsident und Fachbereich, zwischen funktionaler Leitung und akademischer Selbstverwaltung, persönlicher und kollektiver Verantwortung und zwischen Wissenschaftlern und Verwaltungspersonal. Vielleicht steckt hier das wichtigste unternehmerische Wissensreservoir, aus dem Hochschulen schöpfen sollten. Die Uni Mannheim zieht daraus Konsequenzen, die heute in der Wirtschaft üblich sind: Sie fördert die Personalentwicklung und bildet das nicht-akademische Personal weiter. Auch Frost weiß, dass der Professionalisierungsgrad des Verwaltungspersonals verbessert werden muss. Genauso essenziell aber sei die Kommunikationsfähigkeit aller Hochschulangehörigen – auch das ist eine Schlüsselqualifikation in der Wirtschaft.
Für Kritiker des „unternehmerischen Hochschulgeistes“ allerdings stimmt die ganze Richtung nicht. Sie zerpflücken die Gesetzentwürfe, die starke Hierarchien festschreiben. Begründung: Heutige Management-Strukturen seien flach, nicht mehr präsidial, sondern korporativ und würden eine funktionale Selbstverwaltung einschließen. Fazit: Modernes Management sei bereits in der Gremien-Universität realisiert. Und überhaupt: Die Unternehmens-Hochschule gehe von falschen Prämissen aus.
„Wer die Hochschulen nach Effizienz-Kriterien strukturieren will, wird mit der Wissensgesellschaft baden gehen“, warnt Prof. Michael Vester, Vorsitzender des Konzils der Uni Hannover. Ein betriebswirtschaftlich geführtes Unternehmen hätte genuin andere Zielsetzungen als eine Hochschule, die für eine Breitenbildung sorgen muss. „Eine Wissensgesellschaft kann mit einer kleinen Elite nicht überleben.“ Auch das große Vorbild USA würde völlig falsch wahrgenommen. Zwei Drittel der dortigen Universitäten seien nach Humboldtschen Prinzipien organisiert. Und die wenigen Elite-Universitäten, die tatsächlich marktwirtschaftlich funktionieren, würden mit Jahresbudgets von 20 Mrd. Dollar hiesige Dimensionen sprengen.
„Das ist eine andere Kultur“, stellt Prof. Dr.-Ing. Dagmar Schipanski, thüringische Wissenschaftsministerin, klar. Sie kann sich für die Idee des „Unternehmens Hochschule“ nicht erwärmen. Schließlich sei ein betriebswirtschaftliches Unternehmen rein markt- und interessengebunden. Zwar dürften Hochschulen nicht am Markt vorbei ausbilden, aber auch nicht auf jede Marktschwankung reagieren.
Jobsuche für Ingenieure
R. KUNTZ-BRUNNER