Studenten drängen zum Master-Nadelöhr
Im Gegensatz zum politischen Willen will die Mehrzahl der Bachelor-Absolventen weiter studieren.
Meist studieren Bachelor-Ingenieure nach dem ersten Abschluss nahtlos weiter, wie eine Studie des Hochschul-Informationssystems (HIS) in Hannover zu den Bachelor-Absolventen 2005 zeigt.
Denn noch tendieren die Unis dazu, den Master als Regelabschluss in den Ingenieurwissenschaften zu betrachten, wie Karl-Heinz Minks (HIS) resümiert. Gut 60 % der Ingenieure – Basisdaten lieferten Elektrotechniker und Maschinenbauer – streben einen Master-Abschluss an, rund 13 % eine Promotion. Die Überraschung aber ist, dass 30 % der Bachelor-Absolventen, vor allem aus Unis, ein traditionelles Ingenieur-Diplom machen wollen.
Offensichtlich hatten sich die Zweifel an den Berufschancen der neuen Abschlüsse 2005 nicht verflüchtigt. Die Bachelor-Absolventen jedenfalls begründen ihre Weiterqualifikation häufig damit, dass sie fachliche Defizite ausgleichen wollen – durchaus im Sinne der neun führenden Technischen Universitäten (TU9). Für sie entspricht der Bachelor nicht den Qualitätsvorstellungen eines Uni-Ingenieurs.
Entsprechend sollte auch eine Berufsphase zwischen Bachelor- und Master-Studium „nicht den Regelfall darstellen“, wie die RWTH Aachen formuliert.
Die Universität Stuttgart empfiehlt „im Interesse eines hohen wissenschaftlichen Niveaus“, „den akademischen Schwung aus dem Bachelor-Studium mitzunehmen und den Master unmittelbar“ anzuschließen.
Da der Master-Abschluss „nach wie vor als universitärer Regelabschluss“ verstanden wird, wie die TU München konstatiert, werden auch keine festen Zulassungsquoten für den Master befürwortet: „Der Zugang zum Masterstudium wird weitgehend nach Qualitätskriterien in der fachlichen Kompetenz der Universität geregelt alle geeigneten Bachelor-Absolventen werden zum Master-Studium zugelassen.“
„Eignungseinstellungsverfahren“ heißt das Zugangsprinzip der TU9-Unis. Noch spricht sich auch der Präsident der TU Braunschweig dafür aus, „möglichst vielen Bachelor-Absolventen ein Master-Studium zu ermöglichen“. Doch auch hier gelten Auswahlkriterien.
Keine Quote also für den Master, aber Qualität. Mit dieser Formel wappnen sich die Unis gegen die steigende Zahl von Bachelor-Absolventen. Besonders hoch ist der Damm gegen einen möglichen Ansturm von Fachhochschul-Bachelors. Die Uni Darmstadt legt fest, dass ausschließlich jene Personen zum Master zugelassen werden, die eine dem Bachelor of Science der TU-Darmstadt inhaltlich vergleichbare fachliche Qualifikation besitzen, vorwiegend also eine der TU9-Hochschulen. Die Zugangskriterien legen die einzelnen Fachbereiche fest. Doch die Meinungen zum heiklen Thema Übergang vom Bachelor zum Master variieren je nach Fachbereich.
Die Abschlüsse, als neue Durchlässigkeit vermarktet, schüren eine neue Klassifizierung und möglicherweise geschlossene Elite-Systeme. Jedenfalls lassen sich die Kriterien als variables Nadelöhr zum Master-Studium einsetzen. Sollten in wenigen Jahren alle Absolventen der „grundständigen TUM-Bachelor-Studiengänge“ einen Master an der Münchner TU aufsetzen wollen, bleiben kaum Zugangsmöglichkeiten für Bachelors von anderen (Fach-)Hochschulen.
Selbst exzellente Berufserfahrung steigert die Chancen für ein Master-Studium nicht zwangsläufig. Denn berufliche Praxiserfahrung wird an der TUM „nicht isoliert betrachtet, sondern in der Gesamtheit der relevanten Faktoren angemessen“ berücksichtigt.
Die Uni Stuttgart richtet ihre Weiterbildung schon auf Masterprogramme aus, die berufsbegleitend studiert werden können und so Bachelorabsolventen die Möglichkeit eröffnen, das Studium unmittelbar mit den Erkenntnissen aus dem Berufsleben zu verquicken.
Ob aber die Hochschulen dann noch jenen sinnvollen Puffer bieten wie in den 90er Jahren, scheint fraglich. Damals, als Ingenieuren Arbeitslosigkeit drohte, ermöglichten Unis ungewöhnlich viele Promotionen, erinnert Minks: „Das beweist, dass Hochschulen durchaus gute arbeitsmarktspezifische Lösungen anbieten können.“ Sofern sie dazu die erforderlichen Ressourcen erhalten. R. KUNTZ-BRUNNER
Geschlossene Elite-Systeme statt Durchlässigkeit
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