Nachwuchsförderung 16.05.2003, 18:25 Uhr

Schlaue Mädchen kommen überall hin

In der vergangenen Woche schauten Mädchen am Girls“Day Mama oder Papa am Arbeitsplatz über die Schulter. So sollen sie für technische Berufe begeistert werden.

Die viertelstündige Wartezeit nahmen die 31 Berliner Schülerinnen gelassen. Schließlich hatten sie beim Girls“Day 2003 ein besonderes Los gezogen: Fotoshooting mit Bundeskanzler Gerhard Schröder. Auf der großen Treppe im Kanzleramt, die üblicherweise nur beim Besuch hoher Staatsgäste als Hintergrundkulisse dient, lächelten ausnahmsweise Schülerinnen und deren Lehrerinnen.
Am Mädchen-Zukunftstag sollten den geladenen Schülerinnen auch praktische Beispiele für technische Berufe oder Studienrichtungen gezeigt werden. Zehn Betriebe aus der I+K-Technologie hatten im ersten Stock des Kanzleramtes Stände aufgebaut, die jeden Vergleich mit einer kommerziellen Messepräsentation gewonnen hätten. Beim Messgerätehersteller Agilent Technologies konnten die Schülerinnen löten lernen. Alcatel Deutschland bot den Schülerinnen „Excel einmal anders“ an und die Schülerinnen stellten sich mit dem Tabellenprogramm einen eigenen Kalender zusammen. Angetan waren die jungen Besucherinnen von der Chance, sich am Fiducia-Stand über Tricks bei der Internet-Recherche zu informieren.
Anke Heyer, die die zehnte Klasse am Berliner John Lennon-Gymnasium besucht, hat am Ende mehr als nur Souvenirs vom Girls“Day mit nach Hause genommen. Der bisherige Berufswunsch der 16-Jährigen „Irgendwas im Büro“ bezieht seit dem 8. Mai auch die Informations- und Kommunikationstechnologie mit ein.
Auch Kristin Koziol aus Stadtroda (Saale-Holzland-Kreis) eröffnen sich neue Perspektiven. Bislang wollte die 14-Jährige Hotelfachfrau werden. Nach dem Besuch des Hans-Knöll-Institutes (HKI) für Naturstoff-Forschung in Jena bilanziert sie: „Ich kann mir durchaus vorstellen, einmal in diesem Tätigkeitsfeld zu arbeiten. Um ein Praktikum werde ich mich auf alle Fälle kümmern.“ Alle Schülerinnen konnten in drei Stunden an vier verschiedenen Workshops teilnehmen und lernten somit verschiedene Versuchsaufbauten kennen.“ Das Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft als Koordinator registrierte 116 offiziell angemeldete Aktionen, davon 60 in Unternehmen. „Das waren etwa doppelt so viele wie im vergangenen Jahr, als Thüringen zum ersten Mal am Girls“Day teilnahm. Darüber hinaus gab es weitere spontan organisierte Veranstaltungen“, berichtet Kerstin Leicher vom Bildungswerk.
„Sagt einfach Eva zu mir.“ Eva Vogel ist schnell vertraut mit den Mädchen, die sich am Girls“Day an ihrem Arbeitsplatz beim Waagen- und Analytikspezialisten Mettler Toledo in Gießen genau umschauten. Die Chemie-Ingenieurin arbeitet mit verschiedenen Analysegeräten, um bei anwendungstechnischen Fragen Kollegen sowie Kunden zu unterstützen. Manche Mädchen blicken schüchtern in die Runde, andere stellen kess ihre Fragen. „Vor allem die Mitarbeiterkinder haben sich gezielt informiert. Sie wissen durch ihre Eltern natürlich schon eine Menge“, stellt Qualitätsmanager Rolf Weber fest. 23 Schülerinnen zwischen elf und 15 Jahren nutzten den Girls“Day, um einmal hinter die Kulissen des Unternehmens zu schauen. So gab es einen Ausflug in die Wägetechnik, wobei die Schülerinnen erlebten, wie selbst eine Wimper noch messtechnisch zu erfassen ist oder wie schnell Stückzählung per Gewicht funktioniert. Bei Eva Vogel konnten die Girls Ketchup auf Säure und Salzgehalt analysieren, in der Prozessanalytik wurden verschiedene Getränke auf Sauerstoffgehalt und Leitfähigkeit untersucht und im Servicecenter wurden Pipetten kalibriert.
„Ohne PC-Kenntnisse geht hier gar nichts“, stellt Christina Leib von der Gesamtschule Wettenberg fest. Sarah Tehranian (12) geht in die Pestalozzischule in Gießen. Ihre Mutter arbeitet bei Mettler Toledo im Export. „Wir reden zu Hause über die Arbeit, aber erst jetzt habe ich eine bessere Vorstellung.“ Wenn alle mit dieser oder ähnlichen Erfahrungen nach Hause gehen, ist Daniela Schmidt aus der Personalentwicklung zufrieden: „An so einem Tag können wir nur Interesse wecken, dem Traumberuf noch vor der Ausbildung intensiver nachzugehen.“
Im Fahrstuhl stecken bleiben – nein, das mögen die Girls an ihrem Tag dann doch nicht. Da muss Ingenieur Ingolf Gerling, Regionalleiter beim TÜV Nord Gruppe Hannover, schon sein pädagogisches Geschick aufbieten, um zwei Freiwillige zu finden, die er schnell und sicher aus dem Lift „retten“ kann. Die Mädchen sind beeindruckt, der Image-Gewinn für die Technik gelingt. Klaus Katzorke, Leiter der Materialprüfung, vertieft den Eindruck noch: Keine brüchige Schweißnaht entgeht dem wachen Auge des TÜV-Prüfers. Ramona Hüttinger, 6. Klasse Orientierungsstufe, mag das „Eurodrücken“. Vergnügt steckt sie sich die neuen Goldringe, die beim Zerlegen von 1-Eurostücken in den Silber- und den Goldteil entstanden sind, über beide Mittelfinger. Die Mädchen mussten den Kraftaufwand für die Trennung einschätzen. Ramona lag nahe an den rund 180 kg.
Wie etwa ein Drittel der Mädchen ist auch Ramona zum zweiten Mal beim Girls“Day dabei. Sie liebt Technik besonders in Form von Autos. Für IT dagegen kann sich keines der Mädchen so richtig erwärmen. Alle haben in der Schule Computer und alle können „mit den Dingern“ scheinbar problemlos umgehen. Aber einen Beruf daraus machen? Gelangweiltes Schulterzucken. Offensichtlich liegt es nicht an der Schwellenangst, wenn sich nur 14 % aller Mädchen eine Ausbildung im IT-Bereich suchen und der Anteil der Studienanfängerinnen im Fach Informatik keine 15 % erreicht. Denn von den Mädchen, die bei Siemens (Arbeitgeber eines Elternteils) den Girls“Day verbrachten, können sich viele vorstellen, „später etwas mit Informatik zu machen“.
In diesem Jahr waren unter den 200 Betrieben und Behörden, die in Niedersachsen den 8700 Girls ihren Tag ausrichteten, weniger Klein- und Mittelbetriebe als im letzten Jahr. Zu wenig Zeit oder Personal, andere Sorgen, Azubis stecken in Prüfungen, waren die häufig vorgebrachten Gründe. Tatsächlich ist die Arbeit erheblich. Beim TÜV Hannover haben drei Azubis drei Monate lang den Tag vorbereitet. Wer um die Gegenwart bangt, dem fehlt offenbar der Atem für diese langfristige gesellschaftliche Aufgabe.
R. C. HENKEL, Berlin
M. KEIM, Jena
M. BECKER-MOHR, Gießen
R. KUNTZ-BRUNNER, Hannover

 

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