Regierungsberater vermissen den wissenschaftlichen Tiefgang
Die Nationalakademie Leopoldina in Halle soll als Beratungsgremium für die Bundesregierung fungieren. Ein Koordinierungsrat bündelt die Stimmen der Leopoldina und anderer Akademien in einem Netzwerk. Das Konzept hat einen Haken: Es fehlt am Unterbau wissenschaftlicher Mitarbeiter und damit am Fachwissen. VDI nachrichten, Düsseldorf, 10. 7. 09, ws
„Es sollen die Synergien zwischen den Akademien wirken und nicht Parallelwelten aufgebaut werden. Wir wollen Stellungnahmen haben, die die Meinung der Wissenschaft repräsentieren.“ Für diese Vernetzung soll der neunköpfige Koordinierungsrat sorgen, in dem je drei Mitglieder der Leopoldina und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) sitzen, außerdem ein Vertreter der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und zwei weitere Vertreter von Länderakademien.
Akademie-Chef: Forschungsprüfung, „so umfassend und gründlich wie möglich“
Seit seiner Gründung war dieses Gremium vor allem damit beschäftigt, Leitlinien für seine eigene Arbeit zu schaffen. „In Deutschland lässt die Politik den Forschungseinrichtungen sehr viel Handlungsspielraum“, begründet Meyer-Krahmer das Fehlen entsprechender Vorgaben. „Insofern ist das operative Geschehen innerhalb der Nationalakademie und wie genau der Koordinierungsrat agiert, Sache der Beteiligten, da mischen wir uns in keiner Weise ein.“
Anfangs sah es auch so aus, als solle der Koordinierungsrat Stellungnahmen zu aktuellen Themen innerhalb weniger Monate abgeben. Das steht jetzt nicht mehr auf dem Programm.
Dietmar Willoweit, Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und derzeit Mitglied in dem Gremium, ist erleichtert: „Der Anspruch einer Nationalakademie kann nur sein, dass so umfassend und gründlich wie möglich eine Frage abgeklärt wird. Dazu braucht man entsprechende Fachleute und entsprechend viel Zeit.“
So soll es auch sein bei den Themen, die jetzt auf dem Programm der Nationalakademie stehen: die Probleme einer alternden Gesellschaft beispielsweise sowie die Energieforschung. Dabei sollen Akademie und Koordinierungsrat eng zusammenarbeiten, erklärt Meyer-Krahmer: „Der Koordinierungsrat entscheidet, welche Fachexperten ein Thema erarbeiten, diese legen ein Konzept vor, das dann wiederum der Koordinierungsrat billigt.“
Bei dieser Tätigkeit vermisst der Jurist Willoweit die Unterstützung durch einen fachwissenschaftlichen Unterbau. Denn die Struktur des Rates bringt es mit sich, dass die Verteilung der Fachdisziplinen zufällig ist. Experten zur Erarbeitung eines Gutachtens auszuwählen, erfordert allerdings eingehende Kenntnisse im jeweiligen Fachgebiet.
„Wenn ich mich auf einem Gebiet nicht auskenne, kann ich nur im Internet recherchieren oder jemanden anrufen, von dem ich denke, dass er sich auskennt“, sagt Willoweit. Ein solches Vorgehen wird seiner Meinung nach dem Anspruch an eine Nationalakademie nicht gerecht. „Das ist nicht zu Ende gedacht.“ RENATE ELL
Jobsuche für Ingenieure