Förderung soll Zahl der Professorinnen anheben
Karriere und Familie sind nur schwer zu vereinbaren. Wie es gehen könnte, zeigt das Beispiel der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Von rund 38 000 Professoren hierzulande ist nur jede sechste weiblich, was knapp 17 % entspricht. Während 2006 in den Kunst-, Sprach-und Kulturwissenschaften die Schallmauer von 25 % durchbrochen wurde, standen die Ingenieurwissenschaften im selben Jahr mit mageren 7 % am Ende der Skala, so Berechnungen des Statistischen Bundesamtes.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) stellte vergangene Woche 79 Universitäten und Hochschulen vor, die ihre weibliche Professorenschaft mithilfe eines 150 Mio. € teuren Programms um insgesamt 200 Professorinnen aufstocken sollen.
Die sich bewerbenden Hochschulen mussten Konzepte vorlegen, wie sie sich die wissenschaftliche Frauenförderung vorstellen. Anschauliches Vorbild hätte die FH Bonn-Rhein-Sieg sein können. Sie hat mit 22,4 % weiblicher Hochschullehrer den höchsten Anteil in NRW. Dabei gibt es dort vorwiegend technische und naturwissenschaftliche Fächer. Der Erfolg ist auch den familienfreundlichen Arbeits- und Studienbedingungen geschuldet.
Ein Schreibtisch mit Computer und Telefon, daneben ein Dreirad, in den Regalen Kinderbücher und Spiele. Seit einigen Monaten hat die Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer. Vom Studierenden bis zum Professor: Alle FH-Angehörigen dürfen den Raum buchen. Alexandra Kees, Professorin für Wirtschaftsinformatik, hat es ihren Kindern auch schon vorgeführt. Wenn alle Stricke in ihren mehrfach geknüpften Betreuungsnetz reißen, kann das Zimmer noch sehr hilfreich werden.
Und das ist nicht alles. Die Hochschule hat zwei eigene Kindergärten und bald eine Krippe für die Kleinsten. In den Ferien wird der Nachwuchs mit Englisch und Robotertechnik beschäftigt. Die FH ließ sich als „familienfreundliche Hochschule“ zertifizieren.
Je höher die akademischen Weihen, desto dünner wird die Luft für Frauen – und ganz besonders für Mütter. Die vielen Stunden im Labor, gerne nach Feierabend, die Teilnahme an Konferenzen und Fortbildungen – fast unmöglich, alles Nötige zu vereinbaren.
Deshalb fordern manche Wissenschaftlerinnen Fonds, die die Kinderbetreuung in solchen Fällen zumindest für Alleinerziehende übernehmen. Brigitte Grass investierte früher ihr ganzes Gehalt in die Betreuung, um trotz ihrer zwei Kinder immer „drin“ zu bleiben. Heute sind die Kinder der BWL-Professorin fast erwachsen, und vom Gehalt bleibt mehr übrig. Sie ist Gleichstellungsbeauftragte der FH Bonn-Rhein-Sieg und hat ein ehrgeiziges Ziel: zwischen 2015 und 2020 den Professorinnenanteil auf 30 % zu heben. „Das wäre enorm“, sagt Grass: „wenn man bedenkt, dass bei uns 70 % der Studierenden naturwissenschaftlich-technische Fächer belegen.“
Da es auf dem Gebiet relativ wenig Forscherinnen gibt und somit weniger Auswahl, spricht das aus Sicht der Gleichstellungsbeauftragten gegen eine Frauenquote. Sie setzt sich lieber für Förderprogramme ein: „Weibliche Lehrbeauftragte mit Promotion und der Voraussetzung für eine Professur können bei uns Lehrerfahrungen sammeln. Wir coachen sie persönlich, sodass sie auch die Chance haben, auf eine Professur zu kommen.“
Für die familiengerechten Angebote hat Grass ein eigenes Budget. Für das Professorinnenprogramm gibt es Geld vom Land: Je nachdem, wie sich der Anteil der Lehrstuhlinhaberinnen entwickelt, wird es jedes Jahr neu berechnet. Wer mehr macht, kriegt mehr.
Außerdem werden Berufungskommissionen je zur Hälfte mit Männern und mit Frauen besetzt, Stellen werden auch in den Frauennetzwerken bekannt gegeben, so Brigitte Grass. Auf dem Weg hatte auch die 39-jährige promovierte Ingenieurin Kees von der ausgeschriebenen Professur erfahren. „Hier im Fachbereich Informatik wird bei der Stundenplangestaltung Rücksicht auf meine Wünsche genommen“, sagt sie. „Natürlich ist es darüber hinaus erforderlich, dass man anwesend ist, wenn es um Besprechungen oder Gremien geht. Das ist im Moment noch ein bisschen schwierig. Es hat sich noch nicht durchgesetzt, dass man es nach den Bedürfnissen von Frauen – oder auch Männern – ausrichtet, die bei der Kinderbetreuung engagiert sind.“ Sie sei sehr vorsichtig, durchblicken zu lassen, dass sie Familie habe.
Die Hochschulen und insbesondere die Dekane steckten in einem Zielkonflikt, meint Alexandra Kees. Einerseits wollten sie den Frauenanteil im Sinne der Gleichstellung erhöhen. Andererseits bestünden immer strengere Vorschriften zur physischen Anwesenheit der Professoren. Dabei erlaubten die innovativen Kommunikationsmöglichkeiten wie E-Mail, elektronische Lehrplattformen und Videokonferenzen, Abwesenheit durch Erreichbarkeit zu kompensieren.
Mehr Professorinnen in Zukunft heißt aber auch: mehr Studentinnen jetzt. Das gelingt auch in Technik und Naturwissenschaft – wenn sich die Hochschule etwas einfallen lässt. „In der Elektrotechnik oder dem Maschinenbau, da haben wir 2 % bis 4 % Studentinnen“, sagt Grass. Werde das Studium jedoch mit einer Ausbildung kombiniert, „liegen wir schon bei 26 % Studentinnenanteil.“
Seit dem letzten Wintersemester gibt es den Teilzeitstudiengang Informatik. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Gesa Kühlwetter betreut das Pilotprojekt: „Das richtet sich vor allem an Menschen mit Familie. Die Studierenden sind nur vormittags hier und das möglichst zu Zeiten, in denen ihre Kinder in der Schule oder im Kindergarten betreut werden.“ Teilzeit bedeute kein Studium light, betont Kühlwetter: „Es dauert länger als das reguläre Studium, nämlich fast doppelt so lang.“ Die Studiengebühren bleiben aber gleich.
Die Hochschulen hätten sich längst auf berufsbegleitende Studiengänge eingestellt, warum nicht auch auf familienbegleitende, sagt die zweifache Mutter. Von den 14 Teilzeitstudierenden sind etwa die Hälfte Frauen. Kein Vergleich zu den übrigen angehenden Informatikern: Da ist es nicht einmal jede zehnte. Anfragen gebe es bereits von anderen Fachbereichen, freut sich Kühlwetter – und sogar aus anderen Hochschulen.
M. JORDANOVA-DUDA/ws
Teilzeitstudium Informatik für Väter und Mütter
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