Fit in Marketing durch Weiterbildung
Marketingkenntnisse sind für Ingenieure im Vertrieb inzwischen unverzichtbar. Wer die Qualifikation nicht von der Hochschule mitbringt, kann zahlreiche Weiterbildungsangebote nutzen.
Als sein damaliger Chef ihn fragte, ob er sich vorstellen könne im Marketing zu arbeiten, sagte F&E-Mitarbeiter Rolf Varnholt ohne zu zögern zu. Die neue Aufgabe reizte den Diplom-Ingenieur: „Ich fand Marketing schon immer spannend. Außerdem bin ich ein extrovertierter Typ, was gut zum Marketing passt.“ So begann für den studierten Techniker bei Vipa in Herzogenaurach eine lange Karriere im Business-to-Business-Marketing.
Der neue Marketer erfuhr schnell, dass Marketing mehr bedeutet als elegante Präsentationen abzuhalten oder Einkäufer zum Kauf zu überreden. In Zeiten von Käufermärkten müssen ganze Unternehmen marktorientiert geführt werden. Speziell im B2B ist Verständnis von Marktprozessen und strategischen Marketinggrundlagen nötig für die erfolgreiche Marktbearbeitung. „Ich habe schnell gemerkt, dass mir das theoretische Fundament fehlt. Als ich dann von dem Marketingstudium für Ingenieure an der FU Berlin hörte, war klar: Das mache ich“, so der heutige Vertriebsleiter.
Der Werdegang Rolf Varnholts ist typisch für B2B-Anbieter. Betriebswirte, die sich in ihrem Studium auf Marketing spezialisieren können, bilden hier die Ausnahme – auch im Marketing und im technischen Vertrieb. Viele der angebotenen Produkte sind technisch anspruchsvoll. Ohne umfangreiches Ingenieurswissen würde ein Außendienstler sie nicht verstehen, könnte sie deshalb auch dem Kunden nicht erklären und nicht verkaufen. Doch den Ingenieuren im Vertrieb fehlt das nötige Marketing-Handwerkszeug.
Diese Zielgruppe hat inzwischen eine ganze Reihe von Weiterbildern im Blick. Kaum ein Managementinstitut ohne Seminare zu Marketing und Vertrieb. Meist in Kompaktkursen werden Verkaufskompetenzen vermittelt oder neue Managementtechniken geübt. Etwas anspruchsvoller ist das Angebot von Bildungsakademien wie der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing, die in einer Folge von Wochenendseminaren Grundlagen des Marketing vermittelt. Darüber hinaus bieten viele Fachhochschulen Weiterbildungsstudiengänge für Ingenieure an – von allgemeinen Managementausbildungen (etwa an der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft) über internationales Marketing (Fachhochschule Reutlingen) bis zu speziellen Studiengängen für den technischen Vertrieb (Fachhochschule Wolfenbüttel). Schließlich bieten immer mehr Universitäten auch in Deutschland MBA-Studiengänge mit Schwerpunkt Marketing an. Hoch- und Fachhochschulen verlangen als Aufnahmekriterium meist ein abgeschlossenes Studium und Berufserfahrung.
Berufsbegleitende Weiterbildung für Praktiker
Derlei Vollzeitstudiengänge mögen für frisch gebackene Uniabsolventen attraktiv sein. Gestandene Vertriebspraktiker dagegen dürfte der Gedanke an zwölf Monate auf der Universitätsbank ohne Gehalt abschrecken. Ihre Alternative sind berufsbegleitende Ausbildungsgänge, wie sie die Fachhochschule München oder die Freie Universität Berlin mit ihrem Master of Business Marketing anbieten (siehe „Ingenieure im Vertrieb“, S. 49).
Die Jobprofile in Marketing und Vertrieb sind vielfältig: vom Außendienstler über den Key Account Manager bis hin zum Produktmanager. Wer sich zielgerichtet für seinen momentanen Job weiter qualifizieren möchte, sollte genau überlegen, welche Kompetenz er benötigt und welches Bildungsangebot diese am besten vermittelt. Einer Studie zufolge benötigen die einzelnen Vertriebsfunktionen höchst unterschiedliche Schwerpunkte. Während Außendienstler sich vor allem praktische Tipps zu Vertriebswegegestaltung und Preispolitik erhoffen, setzen Produktmanager neben Preispolitik auf Marketingstrategieplanung, Strategische Planung und Marktanalyse.
Wer sich aber für einen ganzen Studiengang entscheidet, sollte seine Wahl nicht ausschließlich an aktuellen Jobanforderungen ausrichten. Schließlich soll eine theoretische Ausbildung vor allem den Blick weiten, wie auch B2B-Marketer Varnholt bestätigt: „Durch mein Studium habe ich vor allem gelernt, die Zusammenhänge konkreter Entscheidungen zu verstehen. Ich denke heute stärker strategisch.“ Eine Orientierung an der momentanen Position wäre auch deshalb kurzsichtig, weil diese sich ändern kann – was ja auch im Sinne karrierebewusster Vertriebsleute wäre. Rolf Varnholt etwa war nach seinem Master of Business Marketing in unterschiedlichen Unternehmen zunächst im Produktmarketing tätig, hat dann die Leitung eines Vertriebsbereiches übernommen und anschließend einen neuen Produktbereich eigenständig aufgebaut. Er arbeitet jetzt bei Vipa, einer Gesellschaft für Prozessindividualisierung, als Marketing- und Vertriebschef.
Der momentane Trend zur marktorientierten Weiterbildung für Ingenieure ist so unverkennbar wie notwendig. Auf Außendienstler und Marketingpraktiker kommen im B2B-Bereich künftig neue Anforderungen zu, die Marketing-Know-how unverzichtbar machen:
– Der Einzelkämpfer im Außendienst hat ausgedient. Team Selling erfordert, dass die Teamster dieselbe Sprache sprechen. Die wird in Marketingstudiengängen vermittelt.
– Die Kunden wollen Beratung auf höchstem Niveau aus einer Hand. Dies verlangt neben erhöhter Sachkompetenz auch die Fähigkeit, Kundenprozesse sowie die Zusammenhänge zwischen Kunde und Markt zu verstehen. Diese Prozesse werden in guten Aufbaustudien vermittelt.
– Die traditionellen Wertketten zwischen Unternehmen lösen sich auf. Servicebereiche werden zu unabhängigen Marktanbietern, Unternehmen finden sich auf Projektbasis zusammen. Jede Ausgliederung aber senkt die Wertschöpfungstiefe, wodurch das Marketing wichtiger wird. Und jede Kooperation bedeutet, die eigene Marketingstrategie auch im Verbund mit den Partnern durchzusetzen. Hier ist strategisches Marketingdenken nötig.
Wer wie Rolf Varnholt den Wert der Weiterbildung im Bereich Marketing erkannt hat, der möchte, dass auch seine Mitarbeiter davon profitieren. Viele Unternehmen setzen, wie Vipa, zunehmend auf Inhouse-Seminare. Diese sind zwar weniger breit als Aufbaustudien, reißen die Mitarbeiter aber nicht aus ihrer täglichen Arbeit heraus. Außerdem dürfte es einigen Unternehmen nebenbei ganz recht sein, dass die Mitarbeiter dabei keinen akademischen Titel wie „MBA“ oder „MBM“ erwerben. Solche Titel nämlich machen sie für den Arbeitsmarkt interessant. Auch Rolf Varnholt glaubt, dass sich Weiterbildung am Markt auszahlt: „Ohne den MBM wäre ich wohl nicht da, wo ich heute bin.“ ALEXANDER GUTZMER
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