Die Ästhetik im Alltäglichen
Wer in den Semesterferien den Hallenser Designprofessor Peter Luckner erwischen möchte, muss viel Glück haben. Wir passen einen 48-stündigen Stopover zwischen China und Kreta ab. Das aktuelle Projekt, das der Gründer und Spiritus Rector des Studienbereichs „Multisensuelles Design“ an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle für einen Joghurthersteller umsetzt, führt ihn rund um die Welt.
Es geht darum hierbei, Verpackungen für neue Produkte nach klanglichen und haptischen Aspekten zu testen. Und nach ethnischen: Studentengruppen in Kalifornien, China, der Ukraine und im heimischen Halle geben ihre Erfahrungen mit verschiedenen Verpackungsvarianten zu Protokoll. „Es gibt tatsächlich eine slawische Sicht auf ästhetische Phänomene, die sich von der mitteleuropäischen unterscheidet“, erläutert Luckner.
Design werde viel zu stark auf das Visuelle reduziert, meint Luckner. Die anderen Sinne des Menschen kämen zu kurz. Was Konsequenzen für die Designerausbildung habe – würde die Haptik gerade noch berücksichtigt werden, wäre das Olfaktorische, also die Wirkung und Gestaltung von Gerüchen, bis dato „unlehrbar“ gewesen. Dass auch die Akustik bei der Produktgestaltung eine große Rolle spiele, sei eine Einsicht, die sich immerhin langsam ausbreitete, wie etwa die elegant zuschlagende Autotür zeige.
1999 beantragte Luckner, der seit 1973 Hochschullehrer ist, Gelder beim Bundesforschungsministerium für einen Modellversuch, in dem die vernachlässigten Sinne zu ihrem Recht kommen sollten. Fast unmittelbar erhielt er den Zuschlag. „Der totale Wahnsinn“, sagt er.
Seither stehen die Auftraggeber Schlange. Ein Automobilhersteller interessiert sich für akustische Navigation, ein Berliner Museum orderte ein Duftkonzept für eine Ausstellung über Essen und Esskultur.
„Das Einzige, was mich inspiriert, sind Grenzüberschreitungen“, meint der 64-Jährige, der in Zwickau als Sohn einer alten Handwerkerfamilie geboren wurde. Er wurde erst Schlosser, dann Ingenieur und ließ aus der Ferne noch ein Designstudium an der Burg Giebichenstein folgen. Und weil ihn auch die Theorie interessierte, hörte er in Berlin und Dresden dazu Vorlesungen zur philosophischen Ästhetik.
Noch zu DDR-Zeiten beschäftigte er sich mit der ästhetischen Gestaltung von Arbeitsumgebungen. Vernetztes Denken, Zukunftsforschung, ökologische Ästhetik waren Arbeitsfelder, denen er sich nach der Wende zuwandte.
Gibt es einen Kern seiner Arbeit? Luckner denkt kurz nach: „Mir geht es um die Frage, inwieweit ästhetische Gestaltungen das Verhalten der Menschen beeinflussen können. Leider muss ich feststellen, dass das Design immer stärker in Richtung Durchschnitt und Verflachtung tendiert.“
Dagegen wird Luckner weiter anarbeiten. Kraft holt er sich jetzt erstmal in einem Zusammentreffen mit seiner Familie auf Kreta. J. WENDLAND
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