Das Diplom – so gut wie ein Master in den USA
Die deutschen Hochschulen sind, als Ganzes gesehen, besser als die US-amerikanischen, behauptet der indische Professor Jayant Modak, der an einem Institut in Braunschweig forscht.
VDI nachrichten: Warum verbringen Sie Ihr Sabbatical in Deutschland, Herr Professor Modak?
Modak: Die USA kenne ich bereits, dort habe ich promoviert. Und ich wollte unbedingt noch Deutschland kennen lernen. Deutsche Hochschulen und Wissenschaft hatten für mich stets einen guten Klang.
VDI nachrichten: Und, haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Modak: Ja, voll und ganz. In den zehn Monaten, die ich hier arbeite, vertiefte sich der positive Eindruck. Besonders in technischen Fächern ist der deutsche Standard phänomenal.
VDI nachrichten: Auch im internationalen Vergleich?
Modak: Sicher, nicht nur im Vergleich zu Indien. Bekanntermaßen gibt es in den USA einige phantastische Elite-Universitäten. Doch daneben kann das Bildungsangebot mit dem deutschen meiner Ansicht nach nicht konkurrieren – jedenfalls nicht im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, den ich überblicke.
VDI nachrichten: Was ist denn hier so phänomenal?
Modak: Zum einen die Ausstattung. Aber auch, dass die jungen Leute lernen, mit ihrem Wissen umzugehen. Sie können es wirklich einsetzen und machen es offenbar auch gerne. Von Kollegen höre ich, dass kaum jemand eine theoretische Arbeit schreiben will. Die meisten Nachwuchsleute wollen mit einer experimentellen Arbeit promovieren.
VDI nachrichten: Das ist wohl eine Besonderheit Ihres Fachgebietes Biotechnik?
Modak: Nein, ich glaube nicht. Schon im Kindergarten wird den Kleinen hier eine sinnliche Erfahrung geboten. An meinem hiesigen Wohnort in Wolfenbüttel beispielsweise besuchen die Kindergartenklassen einen Bäcker, der ihnen erzählt, was er macht und wie er es macht. So lernen bereits die Kleinen, wozu Wissen und Können dient. Das ist einmalig.
VDI nachrichten: Halten diese Erfahrungen denn bis in die Hochschule vor?
Modak: Auf jeden Fall, die sind prägend. Hier wird eine ganz spezifische Auffassung von Bildung evident, glaube ich. Diese Vorstellung zieht sich durch das ganze deutsche Bildungssystem.
VDI nachrichten: Kommt die theoretische Bildung zu kurz?
Modak: Auch der theoretische Standard ist nach meiner Einschätzung in Deutschland gut. Aber da kann vielleicht auch Indien mithalten. Leider ist in meiner Heimat nur die Theorie gut. Uns fehlt eben auch die technische Ausstattung.
VDI nachrichten: Wo stecken denn die Schwächen im deutschen Bildungssystem?
Modak: Vielleicht in der langen Studienzeit. Die jungen Menschen kommen zwei oder drei Jahre später auf den Arbeitsmarkt als in vergleichbaren Industrieländern. Dazu muss man allerdings sagen, dass ein Diplom-Ingenieur im Grunde ein Master-Absolvent ist. Wenn das berücksichtigt wird, sieht es wieder anders aus. Denn es sind die Bachelor-Absolventen, die in den USA die Hochschulen früher verlassen als die deutschen Studenten.
VDI nachrichten: Trotz seiner Theorielastigkeit produziert das indische Bildungssystem offenbar praxisgerechter als das deutsche, auf jeden Fall im IT-Bereich.
Modak: Die Software-Entwicklung ist eine spezielle Sache. Da ist Deutschland vielleicht nicht ganz so phänomenal. Aber das ist auch eine Frage der Größe des Landes: Indien hat einfach ein riesiges Reservoir an Menschen.
VDI nachrichten: Wollen die indischen Software-Experten überhaupt nach Deutschland kommen oder gehen sie nicht lieber gleich in die USA?
Modak: Sicher werden auch welche nach Deutschland kommen. Aber die USA sind in der Wahrnehmung meiner Landsleute sehr viel präsenter als Deutschland. Und Amerika gilt wohl auch als weltoffener. Außerdem haben die USA objektive Vorteile. Zum einen ist die Sprache leichter und den meisten, die emigrieren, schon bekannt. Zum anderen fragen sich potenzielle Deutschlandfahrer natürlich auch, was nach den fünf Jahren passiert, wenn die deutsche Green Card abläuft. Nach so langer Zeit müssten die Leute schon mit einer permanenten Aufenthaltserlaubnis belohnt werden. RUTH KUNTZ-BRUNNER Jayant Modak: Die Bachelor-Studenten, nicht die Master-Absolventen verlassen in den USA schnell die Hochschulen.
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